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Zufrieden in der Nische

Kurz bevor der Grunge Seattle zur Musikhauptstadt der Welt machte, sind Bradley Kok und Jeffery Moore von Seattle nach Berlin ausgewandert. Dort haben die beiden Exilamerikaner dann die Band Pothead gegründet - die heute noch immer glücklich und zufrieden in einer kleinen musikalischen Nische lebt.

Von Stefanie Christensen |
    "Wir waren da. Auch die Zeit vor diesen ganzen Ding. Und natürlich ich habe gedacht, dass die Szene da ist tot. Es war, ja, ein bisschen, wie sagt man, kleinstadtmäßig."

    Die "Kleinstadt", von der Sänger und Gitarrist Brad Kok hier spricht, ist Seattle, und zwar kurz bevor der Grunge-Hype die Stadt Anfang der Neunziger Jahre erfasste und zur vorübergehenden Musikhauptstadt der Welt machte. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein - um dann den Ort des Geschehens zu verlassen und nach Deutschland zu emigrieren. Das hat das Potenzial, einen Musiker für den Rest seines Lebens zu traumatisieren. Der quälende Gedanke, was hätte geschehen können, wenn, ja wenn man nur dort geblieben wäre. Immerhin landete Kok in Berlin, einer Art Abenteuerspielplatz für Künstler und Musiker. Kalkül?

    "Es war nur eine Zufall. Ich hab eine Frau kennen gelernt in Seattle, eine deutsche Frau. Und dann wir waren zusammen für eine kurze Weile und dann ich hab nach Deutschland umgezogen, um mit das Frau zu sein, und hab dann natürlich Konzerten gespielt. Und Jeff war mit mir. Jeff hat dann auch eine Frau kennen gelernt und dann ist zusammen mit der Frau. Und so wir haben nur zufällig hier gelandet sozusagen."

    In den ersten Jahren spielen Pothead in wechselnden Besetzungen, bis sie 1994 den Schlagzeuger Sebastian Meyer aus dem Sauerland treffen. Nach mehreren Veröffentlichungen und Hunderten von Konzerten ergattern Pothead Ende der Neunziger Jahre dann endlich das, wonach sich jede Band sehnt: den Plattenvertrag bei einem Major Label.

    Doch nicht erfüllte Verträge und daraus resultierende rechtliche Streitigkeiten sorgen schon bald für Unmut im Pothead-Lager.

    Nach nur einer Veröffentlichung wählen Pothead mit ihrem eigenem Label Janitor Records den Weg zurück in die Unabhängigkeit. Das im Jahr 2000 erschienene Album trägt den Namen "Burning Bridges", übersetzt "die Brücken hinter sich abbrechen". Seitdem organisiert die Band alles in Eigenregie: das Buchen der Konzerte, den Vertrieb der Musik und der Fanartikel und den Kontakt mit Fans und Presse.

    Do it Yourself als Geschäftsmotto. Wer alle Fäden selbst in der Hand hat, kann auch nicht von Geschäftspartnern enttäuscht oder hintergangen werden.

    Dass die räumlichen Verhältnisse im Pothead-Hauptquartier extrem begrenzt sind, stört Brad Kok wenig:

    "Wir haben unsere Studio in unsere Büro, in der gleiche Raum. Es ist so, es ist eine ehemalige Zahnarztpraxis und wir haben eine von den kleinen Zahnarzträume. Es hat uns ein Jahr gedauert, alle von diese negative Karma raus von dem Raum zu schmeißen. So viele Schmerzen waren in der Wand. Weißt, was ich meine?"

    Pothead haben einen Bekanntheits-Status im Untergrund erreicht, der es ihnen ermöglicht, ihre Musik zu leben. Und so fahren sie mit ihrem Kleinbus in Deutschland von Stadt zu Stadt und spielen für ihre Fans. Man ist zufrieden und dankbar für das, was man hat. Ambitionen, das Ausland zu erobern, hat Brad Kok nicht mehr.

    "Wir haben ab und zu versucht, ein bisschen weiter zu reisen. Aber meistens ist es schwer, weil je weiter dass man fährt, ist es mehr teuer. Und auch, dass nicht so viele Leute kennen uns in diese äußere Länder. Und dann ist es schwer, mehr Geld zu kriegen, so dass es ist wert. Zum Beispiel, wir haben einmal nach Schottland gereist und ein Konzert da gespielt. Und es war Spaß, aber es hat uns nicht so viel gebracht."

    Und so rockt und gniedelt man sich durch die Clubs der Republik, zelebriert den Rock'n'Roll und spielt sich selbst und die Fans in mehrstündigen Konzerten in Ekstase. Posing und Mitsingspiele? Das überlassen Pothead anderen Bands. Bassist Jeff Dope lächelt sich entrückt durch den Auftritt, Schlagzeuger Nicolaj Gogow unterlegt die Musik mit einem kraftvollen Beat und Brad Kok bedankt sich nach den Songs artig mit einem "Danke schön!"
    Als Dankeschön an ihre Fans stellt die Band auch seit mehreren Jahren in Eigenregie ihr eigenes Festival auf die Beine - das Potstock.

    "Jedes Jahr wir kriegen mehr und mehr Leute. Wir müssen fragen den Nachbar: "Können wir deine Felder benützen? Weil, die Leute wollen dort gerne Camping machen!" Und dann der Typ mit der Wald hinten, er hat gesagt: "OK, die können in der Wald campen.", und so jedes Jahr es wächst einen Tick. Und jetzt wir kriegen so ungefähr zweitausend Leute, das kommen zu diesem Festival."

    Und nachdem der Hype um sogenannte Seattle-Bands längst verblasst ist und die Zugpferde der Grunge-Bewegung nur noch sporadisch auf sich aufmerksam machen oder ganz verschwunden sind, erfreuen sich Pothead immer noch ihres Daseins. Auch nach mehr als zwanzig Jahren im Exil bereut Brad Kok daher die Entscheidung nicht, Seattle damals den Rücken gekehrt zu haben:

    "Ich denke, dass für mich es war eine bessere Entscheidung hier zu kommen, weil - ja - du siehst, ich bin immer noch hier und man kann nicht sagen, was könnte passieren. Aber ich habe gedacht, es war definitiv schön, hier zu kommen. Aber dann nach einer Weile wir haben mehr und mehr Konzerten gespielt, und es war klar, dass wir hatten was da, ein kleine Publikum. Und wir haben gedacht: "Oh, spielen wir weiter!" Und natürlich wir werden nicht reich, aber es ist ein Traumleben so ein bisschen, in einem andere Länder zu wohnen, einer andere Sprache VERSUCHEN zu lernen, und, ja, Konzerten zu spielen."