Alban ist vor 20 Jahren in der Kosovo-Hauptstadt Pristina geboren. Heute wohnt er mit seinen Eltern und zwei Geschwistern in Mitrovica. Er hat einen alten jugoslawischen Pass und neue Papiere der UN-Übergangsverwaltung. Kurz: Alban ist Kosovo-Albaner, kein Zweifel, und trotzdem meint er:
"Wenn ich ehrlich bin, ich sag zu den meisten: Mein Heimatland ist Deutschland, nicht Kosovo. So sag ich zu denen."
Sechseinhalb Jahre lang, in dem wichtigen Alter zwischen 12 und 17, hat Alban in Deutschland gelebt. Sein Vater kam 1994 als politischer Flüchtling nach Münster. Alban hat seinen Schulabschluss in Nordrhein-Westfalen gemacht, sein kleiner Bruder und die jüngere Schwester sind dort geboren. Die Geschwister unterhalten sich auf deutsch. Als die Mutter einmal auf albanisch zu Alban sagt: "Bring mir bitte Salz!", bringt er ihr Zucker.
"Weil ich das nicht verstanden habe, albanische Sprache habe ich nicht verstanden."
Als im Frühsommer 2000, ein Jahr nach dem Ende des Kosovo-Krieges, der Brief vom Amt kommt, dolmetscht Alban für seine Eltern. Der freundliche Beamte bietet der Familie 3600 Mark an, wenn sie freiwillig zurück in die Heimat geht.
"Mein Vater sagt sofort ja. Ich sage, warte doch. Höre Dir doch erstmal die Bedingungen an. Die Bedingungen waren die deutsche KFOR würde hier auf uns warten, würden wir sofort eine Wohnung haben. Und ich, wenn ich mit Computer arbeiten könnte, würde ich eine Arbeit haben, wenn ich 18 bin. Also man sagt, ich habe das schon oft gehört, die Deutschen haben uns gekauft, damit wir zurückgehen. Ich finde das nicht. Entweder fährst Du freiwillig, oder Du wirst abgeschoben."
Albans Familie ist also freiwillig zurückgekehrt. Am 29. Juni 2000 steht Alban mit seinen Eltern und Geschwistern verloren auf dem Flughafen von Pristina. Und erkennt in der ersten Sekunde, dass hier Nichts so ist, wie ihm das in Deutschland versprochen wurde. Keine deutschen KFOR-Soldaten am Flughafen, sonder russische. Ausgerechnet Russen, die bei den Albanern als Serben-Freunde gelten. Und der Mitarbeiter einer Hilfsorganisation, der die Familie schließlich – als letzte – am Flughafen abholt, erklärt gleich: In Pristina ist keine Wohnung mehr zu haben, nur in Mitrovica. Aber dort sind fast täglich Ausschreitungen zwischen Albanern und Serben. Die Rückkehrer wollen nicht nach Mitrovica, noch dazu wo sie dort niemanden kennen.
"Es wurde schon dunkel, wir haben uns mit denen gestritten: Wir wollen Pristina, ihr müsst Mitrovica, Pristina, Mitrovica. Bis wir dann irgendwann nachgegeben haben. Ich sagte dann: Wenn der Anfang so ist, ist Kosovo nur noch scheiße für mich. Das habe ich so gesagt. Entschuldigung für meine Ausdrucksweise."
Alban ist groß, schlank. Die dunklen Haare lässt er sich weiterhin so schneiden, wie er sie zuletzt in Deutschland getragen hat. Das ist ihm wichtig. Er streicht eine Strähne hinters Ohr und sagt dann: Unterstützung von zurückgebliebenen Verwandten hätten die Rückkehrer nicht erwarten können, im Gegenteil. Wie oft Alban den Satz gehört:
"Ihr habt Geld, ihr wart in Deutschland. So als ob man das Geld dort auf der Straße gefunden hätte und nur die Müllsäcke voll machen musste. Aber das Geld muss man sich überall schwer erarbeiten."
Albans Eltern hatten jedenfalls nicht viel Geld in den Taschen als sie zurück ins Kosovo kamen. Die teuren Mieten, von den vielen internationalen UN-Mitarbeitern in die Höhe getrieben, konnten sie sich auf Dauer nicht leisten. Jetzt lebt der 20Jährige mit seinen Eltern, mit der 15jährigen Schwester und dem 12jährigen Bruder in zwei kleinen Zimmern. Auf dem Boden, schäbige, alte Matratzen. Nachts wird darauf geschlafen, jetzt sitzt hier Alban mit seiner Besucherin. Die Mutter kocht auf einer Elektroplatte in der Zimmerecke Kaffee. Küche gibt es keine. Die Wände sind mit Plastikfolien beklebt: Als Alban eine davon ein Stück weit abzieht, wird klar warum: Schimmel. Die ganze Wohnung ist verschimmelt.
"Also mein Zimmer, wenn es regnet wird das schon ein kleines Schwimmbad. Wasser kommt rein."
"Wenn es regnet, kommt alles. Haben wir keine Toilette, kein Badezimmer."
Keine Toilette stimmt genau genommen, nicht so ganz. Es gibt wohl ein Klo in diesem Arbeiterwohnheim. Das Problem ist nur: Die Rohre sind undicht. Die Familie im Stockwerk darunter, hat sich die Toiletten-Benutzung verständlicherweise verbeten. Sooft er kann flüchtet Alban aus dieser Misere. Ins Internet-Cafe, dort sitzt er dann den ganzen Tag mit Freunden. Alle jung, alle mit Schulabschluss wie Alban und alle ohne Arbeit.
"Gar nichts, gar nichts gibt’s hier. Kein Arbeitslosengeld, keine Sozialhilfe."
Im Internet-Cafe saß Alban auch als im März in Mitrovica die Ausschreitungen losgingen. Er ist sofort nach Hause und hat dort im kleinen Fernseher der Nachbarn fassungslos verfolgt, wie Albaner auf Serben losgingen.
"Häuser von denen anzünden… das ist nicht gut. Wir haben dasselbe mit denen gemacht, was die damals mit uns gemacht haben. Die ganze Welt geht nach vorne. Aber das Kosovo geht nach hinten."
Manchmal, wenn Alban sich mit Mitarbeitern von internationalen Organisationen unterhält, dann hört er von denen: Wie gut es doch ist, dass ein junger Mann wie er ins Kosovo zurückgekehrt ist. Und wie dringend die Jungen beim Wiederaufbau der Heimat gebraucht würden. Bla, bla, bla sei das meint Alban. Schließlich sei das hier sein Leben, daraus hätte er gerne etwas gemacht. Man habe ja nur eines und was für ein kurzes.
"200 Jahre werden wir hier brauchen, bis das so wie in Deutschland wird."
Wo seid ihr jetzt Meine Vögel Habt auch ihr euer Nest Im Exil gebaut Schmerzt euch die Fremde Leidet ihr unter der fremden Kälte Träumt ihr von der Morgenbläue Die uns wieder nach Hause führt Träumt ihr vom Flügelschlag Vom Rauschen der Flüsse, vom Wispern der Berge Ahnt ihr all die Schönheit Im Wort Heimat.
"Wenn ich ehrlich bin, ich sag zu den meisten: Mein Heimatland ist Deutschland, nicht Kosovo. So sag ich zu denen."
Sechseinhalb Jahre lang, in dem wichtigen Alter zwischen 12 und 17, hat Alban in Deutschland gelebt. Sein Vater kam 1994 als politischer Flüchtling nach Münster. Alban hat seinen Schulabschluss in Nordrhein-Westfalen gemacht, sein kleiner Bruder und die jüngere Schwester sind dort geboren. Die Geschwister unterhalten sich auf deutsch. Als die Mutter einmal auf albanisch zu Alban sagt: "Bring mir bitte Salz!", bringt er ihr Zucker.
"Weil ich das nicht verstanden habe, albanische Sprache habe ich nicht verstanden."
Als im Frühsommer 2000, ein Jahr nach dem Ende des Kosovo-Krieges, der Brief vom Amt kommt, dolmetscht Alban für seine Eltern. Der freundliche Beamte bietet der Familie 3600 Mark an, wenn sie freiwillig zurück in die Heimat geht.
"Mein Vater sagt sofort ja. Ich sage, warte doch. Höre Dir doch erstmal die Bedingungen an. Die Bedingungen waren die deutsche KFOR würde hier auf uns warten, würden wir sofort eine Wohnung haben. Und ich, wenn ich mit Computer arbeiten könnte, würde ich eine Arbeit haben, wenn ich 18 bin. Also man sagt, ich habe das schon oft gehört, die Deutschen haben uns gekauft, damit wir zurückgehen. Ich finde das nicht. Entweder fährst Du freiwillig, oder Du wirst abgeschoben."
Albans Familie ist also freiwillig zurückgekehrt. Am 29. Juni 2000 steht Alban mit seinen Eltern und Geschwistern verloren auf dem Flughafen von Pristina. Und erkennt in der ersten Sekunde, dass hier Nichts so ist, wie ihm das in Deutschland versprochen wurde. Keine deutschen KFOR-Soldaten am Flughafen, sonder russische. Ausgerechnet Russen, die bei den Albanern als Serben-Freunde gelten. Und der Mitarbeiter einer Hilfsorganisation, der die Familie schließlich – als letzte – am Flughafen abholt, erklärt gleich: In Pristina ist keine Wohnung mehr zu haben, nur in Mitrovica. Aber dort sind fast täglich Ausschreitungen zwischen Albanern und Serben. Die Rückkehrer wollen nicht nach Mitrovica, noch dazu wo sie dort niemanden kennen.
"Es wurde schon dunkel, wir haben uns mit denen gestritten: Wir wollen Pristina, ihr müsst Mitrovica, Pristina, Mitrovica. Bis wir dann irgendwann nachgegeben haben. Ich sagte dann: Wenn der Anfang so ist, ist Kosovo nur noch scheiße für mich. Das habe ich so gesagt. Entschuldigung für meine Ausdrucksweise."
Alban ist groß, schlank. Die dunklen Haare lässt er sich weiterhin so schneiden, wie er sie zuletzt in Deutschland getragen hat. Das ist ihm wichtig. Er streicht eine Strähne hinters Ohr und sagt dann: Unterstützung von zurückgebliebenen Verwandten hätten die Rückkehrer nicht erwarten können, im Gegenteil. Wie oft Alban den Satz gehört:
"Ihr habt Geld, ihr wart in Deutschland. So als ob man das Geld dort auf der Straße gefunden hätte und nur die Müllsäcke voll machen musste. Aber das Geld muss man sich überall schwer erarbeiten."
Albans Eltern hatten jedenfalls nicht viel Geld in den Taschen als sie zurück ins Kosovo kamen. Die teuren Mieten, von den vielen internationalen UN-Mitarbeitern in die Höhe getrieben, konnten sie sich auf Dauer nicht leisten. Jetzt lebt der 20Jährige mit seinen Eltern, mit der 15jährigen Schwester und dem 12jährigen Bruder in zwei kleinen Zimmern. Auf dem Boden, schäbige, alte Matratzen. Nachts wird darauf geschlafen, jetzt sitzt hier Alban mit seiner Besucherin. Die Mutter kocht auf einer Elektroplatte in der Zimmerecke Kaffee. Küche gibt es keine. Die Wände sind mit Plastikfolien beklebt: Als Alban eine davon ein Stück weit abzieht, wird klar warum: Schimmel. Die ganze Wohnung ist verschimmelt.
"Also mein Zimmer, wenn es regnet wird das schon ein kleines Schwimmbad. Wasser kommt rein."
"Wenn es regnet, kommt alles. Haben wir keine Toilette, kein Badezimmer."
Keine Toilette stimmt genau genommen, nicht so ganz. Es gibt wohl ein Klo in diesem Arbeiterwohnheim. Das Problem ist nur: Die Rohre sind undicht. Die Familie im Stockwerk darunter, hat sich die Toiletten-Benutzung verständlicherweise verbeten. Sooft er kann flüchtet Alban aus dieser Misere. Ins Internet-Cafe, dort sitzt er dann den ganzen Tag mit Freunden. Alle jung, alle mit Schulabschluss wie Alban und alle ohne Arbeit.
"Gar nichts, gar nichts gibt’s hier. Kein Arbeitslosengeld, keine Sozialhilfe."
Im Internet-Cafe saß Alban auch als im März in Mitrovica die Ausschreitungen losgingen. Er ist sofort nach Hause und hat dort im kleinen Fernseher der Nachbarn fassungslos verfolgt, wie Albaner auf Serben losgingen.
"Häuser von denen anzünden… das ist nicht gut. Wir haben dasselbe mit denen gemacht, was die damals mit uns gemacht haben. Die ganze Welt geht nach vorne. Aber das Kosovo geht nach hinten."
Manchmal, wenn Alban sich mit Mitarbeitern von internationalen Organisationen unterhält, dann hört er von denen: Wie gut es doch ist, dass ein junger Mann wie er ins Kosovo zurückgekehrt ist. Und wie dringend die Jungen beim Wiederaufbau der Heimat gebraucht würden. Bla, bla, bla sei das meint Alban. Schließlich sei das hier sein Leben, daraus hätte er gerne etwas gemacht. Man habe ja nur eines und was für ein kurzes.
"200 Jahre werden wir hier brauchen, bis das so wie in Deutschland wird."
Wo seid ihr jetzt Meine Vögel Habt auch ihr euer Nest Im Exil gebaut Schmerzt euch die Fremde Leidet ihr unter der fremden Kälte Träumt ihr von der Morgenbläue Die uns wieder nach Hause führt Träumt ihr vom Flügelschlag Vom Rauschen der Flüsse, vom Wispern der Berge Ahnt ihr all die Schönheit Im Wort Heimat.