
Es ist nicht nur ein Gefühl, dass es schwieriger geworden ist, einen Briefkasten oder gar eine Postfiliale zu finden. Briefkästen werden abgebaut, Filialen geschlossen und viele Dienste, die die Post früher erbracht hat, werden durch digitale Dienste verdrängt oder ersetzt.
Laut einer Umfrage vom November 2024 hat jeder elfte Bundesbürger in den vergangenen zwölf Monaten keinen einzigen Brief verschickt und nur drei Prozent verschicken mehr als 50 Briefe im Jahr. Und dass die Briefe nach dem neuen Postgesetz seit Januar erst nach drei Werktagen beim Empfänger landen müssen, hat auch keine großen Proteste ausgelöst. Laut der Umfrage finden 43 Prozent das okay, für zwölf Prozent wären auch vier Tagen noch in Ordnung.
Die sinkende Bedeutung der Briefe ist Spiegel einer gesellschaftlichen Entwicklung – mit großen Folgen für das Unternehmen Post, das nicht irgendein Unternehmen ist, sondern seit Jahrhunderten Teil der weltweiten Kommunikationsgeschichte.
Immer weniger Briefe und andere Post
Die sinkende Bedeutung der Briefpost kann man in konkreten Zahlen ablesen. Seit 2011 ist nach Angaben der Bundesnetzagentur die Zahl der lizenzpflichtigen Briefsendungen durch Postdienstleister um rund ein Drittel auf knapp elf Milliarden im Jahr 2024 gesunken.

Besonders steil bergab mit den Briefen ging es seit Corona. Betroffen seien alle Sendungsarten, ob private Korrespondenz, geschäftliche Briefe, Rechnungen, Mitteilungen aus öffentlicher Hand – alles ist weniger geworden, auch der Versand von Magazinen, Presseprodukten und auch Werbepost, sagt Ole Nordhoff, Finanzvorstand der Deutschen Post, die inzwischen Teil der DHL Group ist. Gründe sind die zunehmende Digitalisierung und das Aufkommen anderer Kommunikationsmedien.
Parallel dazu geht auch die Zahl der Briefkästen zurück, wenn auch nicht so drastisch. 2023 stellte die Deutsche Post AG in Deutschland noch rund 108.000 Briefkästen zur Verfügung. Das waren rund vier Prozent weniger als zehn Jahre zuvor. Und sie werden weniger oft geleert.

Die Post ist zwar nicht das einzige Unternehmen, das sich um die Briefzustellung kümmert, aber sie hat eine marktbeherrschende Stellung und einen Marktanteil von 87 Prozent. Dafür, dass die Post diese Position nicht ausnutzt und dass das Briefporto zu teuer wird, ist die Bundesnetzagentur zuständig.
Wachstum bei Päckchen und Paketen
Während wegen der Digitalisierung deutlich weniger Briefe verschickt werden, hat sich die Menge der Pakete in Deutschland durch den Onlinehandel in den vergangenen 20 Jahren vervierfacht. Insgesamt wurden 2024 in Deutschland rund 4 Milliarden Pakete verschickt.

Dabei werden die Pakete auch noch schwerer - bis zu 31,5 Kilogramm dürfen sie wiegen, was die Zustellung mittlerweile bei er ohnehin wachsenden Stückzahl zu einem harten Job gemacht hat.
Die Post als Grundversorgungsdienstleister
Bei der Zustellung von Briefen und Paketen steht die Post zwar im Wettbewerb mit anderen Unternehmen, gleichzeitig ist sie aber kein normales Unternehmen. Die Post ist als sogenannter Universaldienstleister für die Grundversorgung zuständig, erklärt Antonia Niederprüm, Leiterin der Abteilung Post und Logistik am Wissenschaftlichen Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste in Bad Honnef.
Das bedeutet, dass alle Bürger überall im Land Zugang zu diesen Postdienstleistungen haben müssen. Dabei ist auch gesetzlich vorgeschrieben, dass die DHL-Group eine bestimmte Filial- und Briefkastendichte in Deutschland anbieten muss.
saDas bedeutet für die Post, dass sie nach Lösungen suchen muss, um trotz weniger Briefmengen und geringerer Portoeinnahmen weiterhin ihre Dienstleistung anbieten zu können und zwar ohne zu große Qualitätsverluste. Für die Kontrolle ist dabei die Bundesnetzagentur zuständig.
Immer weniger Filialen
Wie groß die Herausforderungen für die Post sind, zeigt sich etwa am Filialnetz. Zurzeit gibt es rund 12.000 Filialen in Deutschland. Im Juli 2024 waren allerdings 141 sogenannte Pflichtstandorte unbesetzt.
Und dabei ist Filiale nicht gleich Filiale. Nur ein Bruchteil der Poststandorte in Deutschland wird von Postangestellten betrieben. Die meisten sind sogenannte Agenturnehmer, also Einzelhändler, die auch Postdienste anbieten.
Zuletzt sei es aber immer schwieriger geworden, Filialpartner zu finden, sagt Post-Finanzvorstand Nordhoff. Eine der größten Herausforderungen sei, dass sich in den letzten Jahren auch der Einzelhandel sehr stark verändert habe und dass es vor allem im ländlichen Raum kaum noch Einzelhandel gebe, mit dem eine Partnerschaft eingegangen werden könne.
Briefe brauchen länger
Bei der Anpassung an die Veränderungen soll auch das neue Postgesetz helfen, das 2024 in Kraft getreten ist. Die damalige Ampelregierung hatte mit dem Gesetz auf die Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte reagiert. Das sei längst überfällig gewesen, sagt Ole Nordhoff von der DHL Group.
So mussten vorher 95 Prozent der Briefe innerhalb von zwei Tagen zugestellt werden. Nun müssen 95 Prozent der Briefe innerhalb von drei Tagen zugestellt werden. Durch den einen Tag mehr kann die Post an einigen Stellen Sendungen bündeln und dadurch die Kosten verringern.
Automaten sollen flächendeckendes Angebot sicherstellen
Und dort, wo es keine Agenturnehmer und Filialen mehr gibt, sollen nun Automaten helfen. An diesen Postautomaten können Pakete abgegeben und abgeholt sowie Briefmarken gekauft und Briefe eingeworfen werden. Das heißt auch, dass die Post auch hier Personal spart.
Falls ein Automat eine Filiale ersetzen soll, muss die Post das mit den Kommunen besprechen und die Bundesnetzagentur muss jeden Automaten einzeln genehmigen.
Insgesamt aber, sagt Daniela Brönstrup, die Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur in Bonn, "können wir nicht feststellen, dass es dauerhaft oder in einer Region besonders zu Einschränkungen in der Qualität oder dauerhaften Qualitätsverletzungen kommt, so dass man sagen kann, dass es immer noch flächendeckend in Deutschland eine gute Postversorgung gibt".
Die andere Kommunikationskultur in Deutschland
Auch sei der Portopreis in Deutschland noch vergleichsweise gering. Ein Grund dafür ist, dass die Deutschen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch viel mehr Briefe verschicken, erklärt Antonia Niederprüm.
Auch das liege an der mangelnden Digitalisierung. Deutschland liege da bekanntermaßen zurück. Insbesondere spiele hier eine Rolle, wie stark die Digitalisierung im öffentlichen Bereich vorangeschritten sei, sagt Niederprüm.
Dieser Bereich habe eine Wellenbrecherfunktion. In Ländern wie beispielsweise Dänemark oder auch die nordischen Länder oder Niederlande, da sei der öffentliche Bereich schon sehr viel weiter in der Digitalisierung.
In Deutschland ist der öffentliche Bereich weiter einer der größten Briefkunden der Post. Aber auch private Unternehmen bieten noch an, Rechnungen per Post zu schicken, auch wenn sie längst anders kommunizieren könnten. Niederprüm erklärt das damit, dass die Unternehmen ihre Kunden nicht verschrecken wollen. In Deutschland gibt es also auch noch eine andere Kommunikationskultur.
Deutschland ist nicht Dänemark
Dänemark geht viel weiter. Die dänische Post wird ab 2026 keine Briefe mehr austeilen. Das Porto für einen normalen Brief kostet dort aktuell knapp vier Euro und es kann bis zu fünf Tage dauern, bis er ankommt. Dänemark ist ein Extrembeispiel, aber das Porto wird auch in anderen europäischen Ländern immer teurer, mit unterschiedlicher Qualität in der Zustellung.
Dass die Post gar keine Briefe mehr verteilt, so wie künftig in Dänemark, davon sei man in Deutschland noch sehr weit weg, sagt Nordhoff. „Ich bin davon überzeugt, wir werden auch in 20 Jahren noch Briefe haben. Wir werden auch in 20 Jahren noch Briefe zustellen. Aber natürlich wird die Art sich wieder verändern.“
Felictias Boeselager / gü