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Zukunftsvision "Landschaft ohne Landwirtschaft?"

Die Umsetzung der Europäischen Agrarreform in Deutschland ist beschlossene Sache, ab kommendem Januar wird sie das bisherige Agrar-Subventionssystem radikal verändern. Die Einkommenbeihilfen für die Landwirte werden sich nach einer langen Übergangsperiode nicht mehr nach der Art und Menge der Produktion richten, sondern nach der bewirtschafteten Fläche. Stichwort: Flächenprämie. Der Produktionsanreiz wird also weitgehend wegfallen. Liegt die Zukunft der Bauern also eher in der Landschaftspflege als in der Produktion von Nahrungsmitteln? Und - wie würde eine Landschaft aussehen ohne Landwirtschaft, also ohne Raps-, Mais und Weizenfelder? Darüber machten sich gestern Abend Experten Gedanken, beim Berliner Gespräch der Fördergemeinschaft für Nachhaltige Landwirtschaft.

Von William Vorsatz |
    Viele Bauern haben die Hoffnung längst aufgegeben, mit Landwirtschaft Geld zu verdienen. Auch Gerhard Greif, 52 Jahre alt, glaubt nicht mehr daran, dass sein Hof in Feldertal-Zeil, noch einmal etwas abwirft:

    Ich mache immer regelmäßig Landwirtschaft. Und Mutterkuhhaltung in einem kleinen mittelbäuerlichen Betrieb, 25 Hektar, der keinerlei wirtschaftliche Perspektive hat. Sondern nur aus guter alter Verbundenheit mit der Landwirtschaft machen wir das, und weil ich meinen Kindern noch zeigen will, wie das so in der Landwirtschaft funktioniert. Die sind noch etwas kleiner, die sollen das noch erleben. Aber eine wirtschaftliche Grundlage hat ein solcher Betrieb überhaupt nicht. Das ist ein Zuschussbetrieb.

    Trotz Hilfen der EU und öffentlicher Mittel. Von seinen Erträgen kann er keinen Traktor mehr bezahlen. Um ihn herum im Hessischen sind in den letzten Jahren immer mehr Brachen entstanden. Im Osten, in Mecklenburg-Vorpommern und im Land Brandenburg geht der Prozess sogar noch viel schneller voran. Landwirte und Landschaftsgestalter befürchten den zunehmenden Verlust der Kulturlandschaft. Kultur, dieses Wort ist aus dem Lateinischen entlehnt. Cultura bedeutet soviel wie Landbau, Feldbau. Acker und Wiesen halten die Landschaft offen, geben ihr zusammen mit Hecken und Wäldern das Gesicht, dass wir seit der Kindheit kennen. Wie lange noch? Udo Folgart ist Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg. Wenn er über die Dörfer fährt, bedrückt es ihn, dass er vielerorts kaum noch Menschen sieht:

    Es geht mir vorrangig darum, dass wir die Struktur, die wir in Brandenburg haben, weitestgehend erhalten. Also wir haben ein Land, dass sich über die Fläche erstreckt, und Dörfer sind das kennzeichnende Bild, wenn man mal die wenigen Großstädte abzieht, und es kommt eigentlich darauf an, sinnvolle Projekte, sinnvolle Programme zu starten, die die Menschen auch in diesen Dörfern halten, auch zukünftig halten werden, und ich meine, dass wir in Brandenburg gut daran tun würden, wenn wir mehr Tiere in die Fläche bringen, wenn wir mehr Veredlung in die Fläche bringen, und damit auch Arbeitsplätze im Dorf halten. Und diese gesunde Mischung herzustellen wird auch eine der Aufgaben sein, die die Politik zu lösen hat.

    Politik und Gesellschaft hätten die Landwirte bisher zu sehr als Nahrungsproduzenten gesehen. Ihre Funktion als Kulturschaffende, als Architekten und Bewahrer der Kulturlandschaft jedoch würden zu wenig beachtet. Künftig müsse diese Aufgabe gezielter unterstützt und gefördert werden. Denn ohne Bauern und Forstwirte ist die Pflege der Landschaft unmöglich. Andreas Frangenberg von Institut für Landwirtschaft und Umweltschutz in Bonn fordert deshalb:

    Dass wir wegkommen von diesem doch sehr unseligen Begriff Subvention. Der auch der Tatsache, was die Landwirte draußen für die Gesellschaft tun, nicht gerecht wird. Sondern eher dazu kommen, was Landwirte für Natur und Artenschutz machen, für Landschaftspflege machen, zu honorieren, gesellschaftlich. Das wäre für mich ein ganz entscheidender Punkt im Umgang mit den Leistungen der Landwirtschaft.

    Neue EU- Regelungen ab dem kommenden Jahr und ihre Umsetzungen in Deutschland sollen solchen Forderungen besser gerecht werden. Zuschüsse sind dann nicht mehr unmittelbar an landwirtschaftliche Produkte gebunden. Das heißt aber auch: keine landwirtschaftliche Produktion mehr um jeden Preis. So könnte es künftig noch mehr Brachflächen geben, befürchtet Staatssekretär Karl Otto Keer vom Landwirtschaftsministerium Mecklenburg Vorpommern:

    Aber wir haben verschiedene Kriterien ja festgelegt, insbesondere auch in Verbindung mit dem so genannten cross compliance, wo bestimmte Mindestbewirtschaftungs-verpflichtungen für die Bauern da sind, dass das eben keine Auswüchse gibt. Cross compliance heißt, dass konkrete Anforderungen an die Landwirte gestellt werden in Hinblick auf Umweltschutz, Tierschutz, Lebensmittelsicherheit, und nur wenn diese Kriterien erfüllt werden, werden die Direktzahlungen an die Bauern in voller Höhe fließen.

    Da der Lebensmittelmarkt immer weniger Landwirte ernährt, sollten sie sich außerdem verstärkt neuen Märkten zuwenden. Etwa dem alternativen Energiesektor. Der Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen wie Raps und erneuerbaren Energien, etwa Biogas, wird weiter steigen. Da konventionelle Energie immer teurer wird, könnte das eine Chance sein, auch als landwirtschaftliche Produzenten wieder gutes Geld zu verdienen.