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Zukunftswerkstatt Museum

Die Debatte über Beutekunst aus dem Zweiten Weltkrieg belastet seit Jahren das kulturpolitische Verhältnis zwischen Deutschland und Russland. Trotzdem für Annäherung und Austausch zu werben, ist das Ziel einer neuen Initiative von Kulturstaatsministerin Christina Weiss: einem Austauschprogramm zwischen deutschen und russischen Museen.

Von Carsten Probst |
    "Deutsch-russischer Museumsaustausch", und das auch noch als "Zukunftswerkstatt" - das mag manchen Verantwortlichen in der deutschen Museumslandschaft derzeit eher wie blanker Hohn erscheinen. Denn es herrscht Eiszeit in den deutsch-russischen Kulturbeziehungen, zumindest, was die endlose Debatte um die so genannte Beutekunst angeht, die in den letzten Wochen unter anderem vom Präsidenten der Staatlichen Museen Berlin, Klaus-Dieter Lehmann, und von Martin Roth, dem Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, neu entfacht wurde. Die schlechte Stimmung schlägt sich auch spürbar im eigentlich doch gut gemeinten musealen Austauschprogramm nieder, mit dem die Bundesregierung seit letztem Jahr junge deutsche und russische Museumsleute zusammenbringen will. Man wolle hier ein Projekt vorstellen, das im Gegensatz zu den kulturpolitischen Beziehungen zu Russland funktioniert, heißt es daher ganz ostentativ zu Beginn. Neunzehn junge Museumsmitarbeiter aus Russland nehmen seit dem 28. Februar an einem dreimonatigen Seminarprogramm teil, das sie mit den modernen Mitteln des Kulturmanagements vertraut machen soll. Darin enthalten sind auch zweimonatige Praktika in mehreren Museen in ganz Deutschland. Die Nachfrage nach diesen Ausbildungsprogrammen sei von russischer Seite überwältigend groß, berichtet Karl Ermert, Direktor der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel, und das zeige, das die russischen Museen mehr denn je am Dialog mit Deutschland interessiert seien.

    Alexandra Farafonova, Ausstellungsleiterin an der "Gatschina", der ehemaligen Zarenresidenz bei St. Petersburg und einer der Teilnehmerinnen dieses Programms, bekräftigt, dass die russischen Museen dringenden Nachholbedarf an Fortbildung im Kulturmanagement haben, zumal im kommenden Jahr ein Duma-Gesetz in Kraft tritt, nach dem das Gros der russischen Museen künftig ihre Etats selbst erwirtschaften müssen.

    Doch die gespannten Beziehungen zwischen beiden Staaten auf kultureller Ebene lassen sich nicht einfach so wegharmonisieren. Wolfgang Maurus, Referatsleiter von Kulturstaatsministerin Weiss für die deutsch-russischen Beziehungen, weist darauf hin, dass es in den letzten fünfzehn Jahren immer wieder, teils finanziell höchst aufwendige Initiativen Deutschlands gegeben habe, den Kulturaustausch zwischen beiden Ländern zu verbessern, dass aber von der russischen Seite trotz vielen Versprechungen kaum jemals etwas Vergleichbares zurückgekommen sei. "Was nützen die besten persönlichen Beziehungen, die man knüpft, wenn das Recht dagegen ist?" fragt Maurus und spielt damit pointiert auf die derzeitige russische Gesetzeslage an, die die so genannte Beutekunst aus Deutschland zum russischen Eigentum erklärt. Wenn die russische Seite sich nicht mehr bewege und nicht zumindest auch einmal deutsche Museumsfachleute in ihre Museen lasse, sei fraglich, ob sich das derzeitige Austauschprogramm über 2006 hinaus überhaupt noch fortsetzen lasse.

    Günther Schauerte, Direktor der Berliner Kunstgewerbemuseums, der die Staatlichen Museen zu Berlin am Tisch vertritt, äußert sich zwar vorsichtiger, aber in der Sache ähnlich. Er greift den Vorschlag auf, ein russisch-deutsches Kulturinstitut zu gründen, den der Präsident der Staatlichen Museen, Klaus-Dieter Lehmann vor kurzem in die Beutekunstdebatte geworfen hatte. Ein solches Kulturinstitut könne helfen, alle noch offenen Fragen, insbesondere die der Rückgabe von Kulturschätzen, zu klären und den Dialog zu intensivieren, so Lehmann in seinem Vorschlag. Und Günther Schauerte sieht gerade Austauschprogramme wie dieses mit den jungen russischen Museumsleuten als gute Möglichkeit, unterhalb des politischen Dialogs voranzukommen. Offenbar werden dabei gezielt besonders aussichtsreiche Kandidaten eingeladen, von denen man sich erhofft, dass sie früher oder später in Führungspositionen eintreten und dann Bindeglieder für deutsche Interessen zur russischen Kulturpolitik sein könnten. Aber ob diese Strategie tatsächlich verfängt, muss offen bleiben. Grund zu großer Zuversicht, den deutschen Einfluss jenseits der wirtschaftlichen Beziehungen auf die russische Seite zu erhöhen, gibt es derzeit nicht.

    Und das bestätigen nicht zuletzt auch die jungen russischen Museumsmanager in spe, die sich all das mit eher verschlossenen Mienen anhören. Auf die Frage, wie er über die für beide Seiten doch so hochsymbolische Debatte der Beutekunst denke, sagt Andrej Vorobjev, Kustos am Moskauer Puschkin Museum sybillinisch: "Es ist immer besser, man lässt die Leute zur Kunst reisen, als die Kunst zu den Leuten zu holen."