Donnerstag, 25. April 2024

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Zum Abschied noch Mal "Servus" brüllen

Vieles vom privatsenderischen Populismusramsch erledigt sich von selbst. "Big Brother" zum Beispiel. Als Untergang des christlichen Abendlandes von deutschen Feuilletons verdammt, fristen die Menschen im TV-Container nach Jahren der kollektiv medialen Aufregung heute ein kärgliches Dasein. Und auch die Talkshows scheinen sich selbst erledigt zu haben.

Vom Michael Meyer | 09.05.2009
    "Herzlich willkommen bei Arabella, heute zum Thema 'Meine Formen sind zu weiblich' - besonders durch zwei besonders schlagkräftige Argumente, die sie mit sich herumträgt - wie viel ist das vom Umfang her, genau 119,5 ... "

    Was waren das noch für Zeiten, als in den 90er-Jahren rund ein Dutzend Talkshows allnachmittäglich um die Gunst des Publikums buhlten. Und zwar mit Themen wie "Mein Freund geht ständig fremd" oder "Ich bin so dick, dass ich kaum laufen kann" bis hin zu "Hilfe, mein Sohn ist schwul" – alles ging damals – Überschreitung sämtlicher Geschmacksgrenzen inklusive.

    "Wie sieht eigentlich Ihre ideale Brust aus? "

    Nun hat sich das Genre im Laufe der Jahre abgenutzt, und fast alle Sendungen sind auf dem Fernsehfriedhof gelandet, einschließlich deutlich sanfterer Plauderrunden wie die des Fernsehpfarrers Jürgen Fliege in der ARD. Nur wenige haben es überlebt, einer davon war Oliver Geißen bei RTL:

    " Kim prügelt sich mehrmals in der Woche – wenn sie jemand nur blöd anguckt, sieht sie rot: Diese unnötigen Mädchen, wenn die dumm gucken, ist klar, dass man denen auf die Fresse hauen muss, die denken, sie sind hübsch, sind es aber nicht. – Woher weißt Du denn, dass sie denken, dass sie hübsch sind? Die takeln sich auf und machen einen auf Schicki-micki, dabei sind die gar nichts."

    Oliver Geißen und seine Kollegin Britt Hagedorn bei Sat.1 sind seit einigen Jahren die einzigen beiden Dauerplauderer, mit jeweils über 1800 Folgen. Die Inhalte ihrer Sendungen sind nicht einmal mehr schockierend – etwa wenn Oliver Geißen gleich mehrmals das Thema "Bin ich der Vater meines Kindes oder nicht?" diskutieren lässt. Kein Wunder, dass die Quoten für diese Art Talkshow schon mal besser waren – derzeit schauen täglich noch rund eine Million Menschen bei den Nachmittagstalks zu. Mit den Gerichtsshows und den Beratungssendungen, die an die Stelle der Talks getreten sind, kommen aber keineswegs bessere Zeiten auf:

    "Meine Frau würde doch nie im Leben so etwas tun - ich wäre auch etwas erstaunt, wenn ich erfahren würde, dass meine Frau eine Nutte ist ... "

    Nachmittagsfernsehen mit Gerichtsshows und Doku-Soap-Sendungen – das birgt nach wie vor seine Härten. Der Abschied vom Nachmittagstalk fällt jedenfalls nicht schwer - der nächste zweifelhafte Fernsehtrend a la "Big Brother" oder "Dschungelcamp" steht garantiert schon in den Startlöchern. Bis es soweit ist, kann man den Talkshows nur zurufen: Tschüs und auf nimmer wiedersehen!

    "Danke, dass ihr alle dagewesen seid ..."