Ensminger: Jetzt sprechen wir aber auch von wesentlich mehr Energien, die durch erneuerbare Energien ersetzt werden können. Der SPD-Abgeordnete Berg, der ja auch Mitglied im Enquete-Ausschuss ist, meinte, man müsse die Ökosteuern kontinuierlich anheben. Ist das so?
Trittin: Es ist sinnvoll, dass Preise die ökologische Wahrheit sagen, das heißt dass der ökologischen Steuerreform maßvoll, beständig und berechenbar sein soll. Ich betone: alle drei Dinge zusammen. Die steuerliche Belastung auf die Nutzung endlicher Ressourcen - und das sind fossile wie nukleare Energieträger - ist eine der notwendigen Voraussetzungen, um dieses Klimaschutzziel zu erreichen.
Ensminger: Da sind wir direkt bei der Ökosteuer, die ja innerhalb der Koalition nicht ganz unumstritten ist: Wie lange soll sie weitergeführt werden, etc. Glauben Sie, die SPD macht bei all diesen Plänen mit?
Trittin: Wir haben hier einen Enquete-Bericht vorliegen, der auch von den Sozialdemokraten mitgetragen ist. Hier sehe ich überhaupt keinen Dissens, sondern einen breiten Konsens. Sie sagen: Wir setzen auf erneuerbare Energien, und wir setzen als eines der Instrumente auch auf die Ökosteuer, neben dem erneuerbaren Energiegesetz. Wir wollen 2003 auswerten, welche Ergebnisse die Ökosteuer gebracht hat, um dann zu sehen, wie wir sie fortsetzen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir sie fortsetzen. Daran führt, auch für die Sozialdemokraten, kein Weg vorbei.
Ensminger: Das heißt der Verbraucher muss weiter sparen. Jetzt spricht sich der Bericht auch dafür aus, dass bei den Anforderungen für ein nachhaltiges Energiesystem der Zukunft die Ökologie Vorrang haben soll vor ökonomischen und sozialen Aspekten. Heißt das ökologische Energiewirtschaft ohne Rücksicht auf Verluste?
Trittin: Gerade nicht. Es wird Sie nicht wundern, dass das Primat der Ökologie den Umweltminister freut. Gerade wenn Sie den Umweltminister an dieser Stelle befragen, so ist er auch mit dafür verantwortlich, dass in diesem Lande reichlich neue Arbeitsplätze entstanden sind. Priorität für die Ökologie im Bereich der Energiepolitik heißt zum Beispiel ein Ausbau erneuerbarer Energien, eine Branche, in der heute 120.000 Menschen arbeiten, und diese Branche wächst. Es arbeiten heute im Bereich der Energieversorgung sehr viel mehr Menschen als im Bereich der Kohleindustrie oder in der Atomindustrie, das heißt wir haben mit der Energiewende massenhaft neue Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen. Priorität für die Ökologie heißt auch gerade ein Plus für Arbeit und wirtschaftliches Wachstum. Wir haben in einem Gutachten, was das Bundesumweltministerium in Auftrag gegeben hat, ausrechnen lassen, was es heißen würde, wenn wir bis 2020 40 Prozent an Treibhausgasen einsparen würden. Es kam dabei heraus, dass nach Abzug aller dabei auch vorhergehenden Strukturbrüche dadurch bis 2020 200.000 neue Arbeitsplätze in Deutschland entstehen würden. Das halte ich für die richtige Priorität.
Ensminger: Gut, das sind 200.000. Wenn man jetzt verschiedene Verbände der Industrie befragen würde, würde die Ihnen sicherlich andere Arbeitsplätze entgegenhalten, die verlustig gingen.
Trittin: Nochmals: Das ist ein Nettobetrag gewesen, nach Abzug der Verluste, die beispielsweise im Steinkohlebereich entstehen würde. Das waren die Arbeitsplätze, die übergeblieben sind nach Abzug der Arbeitsplatzfolgen. So hat der Ausstieg aus der Atomenergie beispielsweise auch Verluste von Arbeitsplätzen zufolge. Netto bleiben diese 200.000 über. Insofern das Gutachten, das übrigens Frau Merkel, meine Amtsvorgängerin, in Auftrag gegeben hat, in der Lage, diesen Einwand abzufedern.
Ensminger: Eine weitere Forderung der Kommission: Der Flächenverbrauch für Siedlungs- und Straßenbau soll bis 2050 auf Null reduziert werden. Es gibt ja das Antistau-Programm und ähnliches. Wie realistisch ist das denn, selbst für einen Umweltminister?
Trittin: Das Antistau-Programm, was zum Beispiel über weite Strecken auch dazu dient, die Bahninfrastruktur in diesem Lande zu verbessern.
Ensminger: Aber vornehmlich ist es ein Ausbauprogramm.
Trittin: Das ist falsch. Die Mittel, die im Antistau-Programm gegeben werden, gehen nur zur Hälfte in die Straße, zur anderen Hälfte in die Verbesserung der Infrastruktur auf den Schienen und zum Teil - das ist aber der kleinste Teil - in den Bereich der Wasserstraßen. Und das hat den Grund, dass wir davon überzeugt sind, dass die großen Transitverkehre, die Deutschland durchqueren, eben nicht auf die Straße, sondern auf die Schienen gehören. Deswegen gibt es zum Beispiel die LKW-Maut, durch die dieses Programm mit finanziert wird. Diese LKW-Maut wird bewusst in die Schienen investiert, gegen den Widerstand der Bundesländer, weil wir auf diese Weise den Flächenverbrauch minimieren und Verkehre auf die Schienen verlagern. Auch da gibt es eine Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, nicht des Bundesumweltministers. Das Ziel: Die Zahl der bahntransportierten Güter bis 2015 zu verdoppeln.
Ensminger: Sie sagen, bei der Schiene würde das kein Flächenverbrauch bedeuten bzw. nicht so hoch. Das stimmt ja so nicht.
Trittin: Da haben Sie mich missverstanden. Ich sage nur: Wir sind dabei, die anwachsenden Verkehre, von denen wir als Realität zunächst ausgehen müssen, so zu gestalten, dass der Flächenverbrauch minimiert wird. Und ich habe gesagt: Was im Bereich der Nachhaltigkeitsstrategie geplant ist, ist die Versiegelung von Flächen zunächst einmal um 3/4 bis 2015 zu reduzieren. Der Umweltminister sagt: Leider haben wir immer noch ein Stück Versiegelung. Da beginnt dann die Vorstellung der Enquete-Kommission Energie, die sagt: Man muss von da aus auf Null kommen. Das teile ich. Sie haben mich nur gefragt, ob das, was die Enquete-Kommission da gesagt hat, realistisch ist, und da sage ich: Wenn es realistisch ist, was die Bundesregierung sich vorgenommen hat, im Grunde genommen in 20 Jahren um 75 Prozent zu reduzieren, dann ist das Restziel, nämlich die letzten 25 Prozent, zwar sicherlich das schwierigste, aber nicht minder realistisch.
Ensminger: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
