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Zum Professor berufen?

Fast 2500 Berufungsverfahren sind im vergangenen abgeschlossen worden. Die Schwächen vieler Verfahren sind an den Hochschulen bekannt. Manchmal dauert es Jahre bis eine Professur erteilt wird, oft sind die Verfahren intransparent.

Von Verena Kemna |
    Viele Berufungen misslingen, weil sich deutsche Hochschulen zu wenig Zeit nehmen, um das Profil der zukünftigen Wissenschaftselite kennen zu lernen. In den USA werden die Bewerber in der Regel zwei Tage lang auch in persönlichen Gesprächen oder bei einem gemeinsamen Essen auf Herz und Nieren geprüft. Nicht so in Deutschland, da begnügen sich die Mitglieder einer Berufungskommission auch mit zwei Stunden Aktenstudium. Zwischen dem individuellen Anspruch einer Berufung auf Lebenszeit und dem wissenschaftlichen Anforderungsprofil der jeweiligen Hochschule liegen oft Welten, beklagt Christoph Markschies, Präsident der Berliner Humboldt-Universität:

    "Man muss aufpassen, dass in Berufungsverfahren, ich sag´es mal provokant, die Fleißigen und Klugen dominieren und nicht die Faulen und Dummen. Damit meine ich, Leute, die keine Schriften lesen, von denen, die man berufen will, Leute, die sich keine Zeit nehmen, diejenigen die man berufen will, besser kennen zu lernen und solche, die dafür sorgen, dass diejenigen, die kommen noch doofer als sie selber sind."

    Der Präsident der Humboldt-Uni sieht in den so genannten Old Boys Netzwerken eine Ursache für zu wenig Reformbereitschaft an deutschen Hochschulen. Jahrzehntelange persönliche Verflechtungen führen oft dazu, dass Frauen in Berufungsverfahren keine Chance bekommen. Außerdem fehlt die internationale Perspektive, beispielsweise eine italienische Professorin auf einem Lehrstuhl für Germanistik. Markschies fordert mehr Transparenz, das allein, sagt er, wäre schon ein Fortschritt:

    "Den Leuten klar sagen, das Verfahren dauert so und so lange, es ist dann und dann abgeschlossen und auch klar zu kommunizieren, diese Entscheidung ist jetzt gefallen und wenn es geboten ist, Gründe explizieren und sonst eben nicht."

    Schließlich gelten auch Berufungsverfahren als Visitenkarte einer Hochschule. Karin Donhauser hat als Mitglied des Wissenschaftsrates Empfehlungen für Berufungsverfahren an deutschen Hochschulen mit erarbeitet. Ein positives Ergebnis sind so genannte Berufungsbeauftragte, die sich an einigen Hochschulen durchgesetzt haben:

    "Also jemand der das Verfahren von außen begleitet. Tendenziell sind die Berufungsverfahren kürzer geworden, das, denke ich, ist auch schon ein positives Ergebnis. Offensichtlich macht noch keine Universität alles, aber man sieht, dass viele einzelne Komponenten an vielen Universitäten schon umgesetzt werden. Ich glaube, das ist für einen Zeitraum von vier fünf Jahren Wirksamkeit einer solchen Empfehlung schon ein guter Stand, einer mit dem man noch nicht zufrieden ist, aber ich sehe da schon deutliche Verbesserungen."

    Sie ist eine von vielen, die Nachwuchswissenschaftlerinnen auf dem Weg zur Professur betreut. Seit sechs Jahren bieten die Berliner Universitäten und die Hochschule Potsdam dieses Hochschulübergreifende Progamm. Auch Susanne Schattenberg hat von diesem besonderen Netzwerk profitiert. Seit Oktober 2008 hat die 40-Jährige eine Professur mit dem Schwerpunkt Osteueropa an der Universität Bremen. Ein Erfolg nach vier verschiedenen Berufungsverfahren, die sie als Black-Box erlebt. Wer sitzt in der Berufungskommission, nach welchen Kriterien wird ausgewählt, wer sind die anderen Bewerber? Offene Fragen, aber keine Antwort:

    "Das schlimmste finde ich hinterher das warten, da wird einem nicht mitgeteilt, wann man die Schriften zuschicken soll, wann der Vortrag stattfinden wird. Wenn dann der Vortrag da war, weiß man meistens nicht, was sind die nächsten Schritte, also wann kann man mit einem Bescheid rechnen. Also intern steht meistens schnell fest, wer auf die Liste kommt aber bis dann die Außengutachten eingeholt sind, vergehen Wochen."

    Manchmal auch Jahre der Ungewissheit für die Kandidaten. Ihr eigenes Verfahren in Bremen hat drei Jahre gedauert, eineinhalb Jahre lang, wusste Susanne Schattenberg nicht, wie es weiter geht:

    "Und wenn man einerseits weiß, der Ruf ist noch nicht angenommen, aber offiziell keine Ahnung hat, kommt es vielleicht noch dazu, dass man berufen wird, dann ist das einfach eine extreme Hängepartie."

    Die inzwischen erfolgreiche Professorin empfiehlt jedem, der sich einem Berufungsverfahren stellt, Sportsgeist. Nach Susanne Schattenberg gilt die Formel: Ein Drittel eigenes Können, ein Drittel Zufall und ein Drittel Beziehungen. Diese Mischung entscheidet über Professorenstellen an deutschen Hochschulen.