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Zum Rudern kam er per Zufall

Sein Schüler Kraft Schepke nennt ihn bis heute "Prototyp eines modernen Trainers". Andere sahen in ihm das demokratische Pendant zum zentral organisierten Leistungssport kommunistischer Prägung personifiziert.

Von Erik Eggers |
    Unbestreitbar war Karl Adam, der am 02. Mai 100 Jahre alt geworden wäre, eine der prägendsten deutschen Trainerfiguren des 20. Jahrhunderts. Die mythenreichen Olympiasiege, die Adam 1960 und 1968 mit dem Deutschland-Achter feierte, dazu olympisches Silber 1964, sind in die Sportgeschichte eingegangen.

    Adam war förmlich aus dem Nichts an die Weltspitze des Ruderns gestürmt. Boxer war Adam eigentlich gewesen, Studenten-Weltmeister im Schwergewicht 1937. Zum Rudern kam er per Zufall. Als er 1948 als Lehrer für Mathematik, Physik und Leibeserziehung an der Lauenburger Gelehrtenschule landete, habe man ihm die Schülerruderer angedreht, spottete er später.

    Bald brachte er herausragende Nachwuchsleute hervor, mit Methoden, die im Establishment des Ruderns für Stirnrunzeln sorgten. So entlieh er das Intervalltraining aus der Leichtathletik, das Krafttraining, das er einführte, kopierte er von den Gewichthebern.

    "Adam war damals wie auch später ein knorriger Mann mit Herzenswärme, ein Revolutionär, der nichts übrig hatte für verstaubte Traditionen. Er war ein Provokateur, der mit schonungsloser Offenheit Missstände anging. Ein ruppiger Praktiker, der Funktionäre in Schrecken versetzte."

    So charakterisierte ihn später Walter Volle, Trainerkollege und Ruder-Olympiasieger von 1936.

    Als seine Ergebnisse in der Sportwissenschaft nicht wahrgenommen wurden, motivierte ihn das nur noch mehr im Bestreben, das Rudern zu verwissenschaftlichen. "Er hat das Rudern zerlegt in physikalische Formeln", sagt Schepke. Ewig ließ Adam neue Hebelverhältnisse ausprobieren, testete neue Blätter, leichtere Materialien für die Boote,"solange, bis neue Fortschritte erreicht waren. Auch psychologische Experimente, mit denen er seine Athleten zu Höchstleistungen anstachelte, testete er selbst. Auf Lehrbücher verließ er sich selten.

    Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Bei der EM 1958 siegte der von ihm und dem Kieler Trainer Frank Wiepcke trainierte Vierer ohne Steuermann. Danach kündigte Adam in der Zeitschrift "Rudersport" an, um dieses Boot herum einen Achter nach seinen Methoden zu bauen. Und dieser Achter, den je vier Athleten aus dem Ruderclub ATV Ditmarsia Kiel und dem Ratzeburger Ruderclub bildeten, demontierte geradezu die Konkurrenz: Bei der EM 1959 in Macon siegten die "Ratzekieler" mit dreieinhalb Längen Vorsprung. Dem "Wunder von Macon" folgte der Olympiasieg in Rom.

    Befeuert wurde Adams Popularität auch durch den Systemwettstreit zwischen Ost und West: Er verkörperte den demokratischen Leistungssport, weil er die Athleten zu mündigen Persönlichkeiten erziehen wollte. Diese Philosophie, Vieles letztlich dem Athleten zu überlassen, führte teils auch in die Irre. So 1968, als er ein Anabolika-Verbot ablehnte, weil er ein solches Verbot als "unnötigen und unberechtigten Eingriff in seiner persönliche Entscheidungsfreiheit" betrachtete.

    Am Ende seiner Trainerkarriere mahnte der Praktiker die Funktionäre, den Spitzensport den Verhältnissen anzupassen, 1975 sagte er:

    "Ja ich glaube, wenn man das Weltniveau auf die Dauer erreichen und halten will, dann kann man nicht wie Don Quichote gegen Windmühlen gegen den Scheinamateurismus kämpfen. Dann müssen wir unter unseren Bedingungen Dasselbe tun, was ostdeutsche und kommunistische Konkurrenz konsequent tut: Wir müssen in der Leistungsspitze den Amateursport professionalisieren."

    Ein Jahr später starb Adam im Alter von 64 Jahren, als er bei einem 4000-Meter-Lauf zusammenbrach.