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Zum Studieren in den Osten

Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat eine Studie veröffentlicht, aus der eindeutig hervorgeht: Wer im Osten Deutschlands studiert, studiert billiger. Konkret heißt das: Mit durchschnittlich 46.800 Euro gaben frische Absolventen in Ostdeutschland fast 10.000 Euro weniger für Miete, Mensa, Bücher, Kleidung und Kultur aus als an einer westdeutschen Universität.

Von Anne Sailer |
    Sabine Brütting studiert im siebten Semester Journalistik und Arabistik an der Universität Leipzig. Die Fächerkombination lockte sie von Augsburg nach Sachsen. Preiswert leben lässt es sich in Leipzig auch, was ihrer Meinung nach an folgendem liegt:

    "Also ich glaube, dass in Augsburg der Semesterbeitrag höher gewesen ist. Ich weiß, dass er jetzt so um die 120 Euro ist, plus die Studiengebühren, die ja in Bayern dazu kommen. Und in Leipzig ist der Semesterbeitrag jetzt im Augenblick so um die 70 Euro und da ist dann auch schon ein Teil von der Fahrkarte mit drin, also in dem Bereich ist es natürlich billiger."

    Fakt ist: In Hochschulstandorte wie Halle, Leipzig oder Magdeburg leben Studierende relativ preiswert: Es gibt hier noch keine Studiengebühren wie in anderen Bundesländern und auch die Mieten sind niedriger als anderswo. Das Semesterticket, Mensaessen, Kino- und Theaterbesuche schlagen weniger zu Buche als in Hamburg oder Köln. Die Universität Halle machte eine Umfrage unter Studienbewerber, um zu erfahren, warum sie nach Halle kommen wollten - Pressesprecher Carsten Heckmann:

    "Als Punkt eins wurden die Lebenshaltungskosten genannt, gefolgt vom Freizeitwert, der Verkehrslage und dem Studentenleben."

    Ebenfalls wichtig sei den Studienbewerbern der "Wohlfühleffekt". Und den beschreibt der Leipziger Uni-Absolvent Heckmann so:

    "Man bekommt beispielsweise ein schönes WG-Zimmer in einem sanierten Altbau mit Stuck an der Decke und Parkett am Boden für einen Preis, den man sich als Student vermutlich in München und Hamburg nicht leisten kann. Und das waren schon alles Faktoren, wo ich gesagt habe: Okay, das bestimmt natürlich auch mein Befinden während des Studiums."

    Studiert es sich in Ostdeutschland aber wirklich billiger? Auf den ersten Blick: Ja. Denn: Momentan gibt es noch keine Studiengebühren! Beim genaueren Hinsehen, zeichnet sich jedoch ein differenziertes Bild. Stichwort: Studierendenjobs. Die sind für viele Lernende in Halle ein Problem:

    "Also der übliche Studentenjob wird mit fünf Euro vergütet in der Stunde.

    Ich habe schon Inventuren gemacht, ich habe im Museum gearbeitet, ich habe Verkehrsumfragen gemacht, Fahrgastzählungen, habe schon gekellnert, in der Bar gearbeitet.

    Ich habe nur einen einzigen Job hier gemacht und es war ein verdammtes Glück, dass ich bei der Uni angestellt wurde in der Bibliothek."

    Stichwort: Mieten. Die sind fast überall noch relativ niedrig. Das zumindest ergab die 18. Sozialerhebung - so Volkmar Thom vom Studentenwerk Halle:

    "Hier sind mehr Wohnplätze verfügbar, der Student kann differenziert wählen und hat nicht die Sorge, wenn er einen Studienort wählt, dass er Wohnungsnot hat. Ganz offensichtlich werden auch diese Unterschiede bei Wohngemeinschaften: 256 Euro in den alten Bundesländern und 200 Euro in den neuen Bundesländern. Das sind schon maßgebliche Unterschiede. "

    Für Jena gilt das jedoch schon nicht mehr: Die Thüringer Stadt wächst. Bereits jetzt sind 30 Prozent der Einwohner Studierende, da werden die Wohnungen langsam knapp. Damit nähern sich die Jenenser Mieten Westniveau. Insgesamt - sagt Prorektor Dieter Kurt Koschmieder - lebt es sich in Jena aber preiswert:

    "Das Studieren ist sicherlich im Hinblick auf - beispielsweise - die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel entsprechend billiger. Es ist billiger auch bei den sonstigen Lebenshaltungskosten. Also, ganz konkret: Das Bier ist hier wesentlich billiger! Als guter Student bekommt man hier auch einen guten studentischen Job, allerdings sind die Jobangebote für Studenten in den ostdeutschen Städten immer rarer als das in westdeutschen Städten ist. Wir versuchen das durch Tutorenprogramme, durch Beschäftigungsmöglichkeiten direkt im Studium oder in studiennahen Einrichtungen zu kompensieren. "
    Fazit: Was ein Studium kostet, das hängt ganz entscheidend von der Lebensweise des Studierenden ab. Das weiß auch Sabine Brütting:

    "Wenn man in Leipzig in den schicken und hippen Stadtteilen wohnt, dann ist das eigentlich fast genauso teuer, wie bei mir zu Hause. Und beim Weggehen beispielsweise, wo man ja immer sagt, dass es billiger ist, hängt es auch sehr davon ab, wo man hingeht. Also, es gibt in Leipzig durchaus einen Haufen Kneipen, die genauso teuer sind wie bei mir zu Hause, aber man kann es natürlich billiger haben, wenn man es haben möchte. "

    Noch sind die Gesamtkosten für ein Studium kein entscheidendes Kriterium für die Studienortwahl, wie die Umfrage in Halle ergab. Eher zählen die möglichen Fachkombinationen, die Ausstattung der Hochschule und die Nähe zum eigenen Wohnort.

    Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern, denn dann machen die geburtenschwachen Jahrgänge in Ostdeutschland Abitur.

    Um trotzdem genug Nachwuchs zu bekommen haben die Hochschulen nun die Werbung für sich entdeckt, Die Universität Halle nennt "10 gute Gründe warum man an der Uni Halle richtig sei" - einer davon: Du willst deine Kohle nicht verheizen. Und: Jena will sogar die "studentenfreundlichste Stadt Europas" werden. Doch das dauert wohl noch ein bisschen.