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Zum Tod des italienischen Philosophen Eugenio Garin

Beatrix Novy: Zwei große Männer, DIE zwei großen Männer der italienischen Philosophie wurden im selben Jahr geboren, 1909, und beide sind sie in diesem Jahr 2004 gestorben. Im Januar Noberto Bobbio, der Rechtsphilosoph und -historiker, scharfer und unermüdlicher Kommentator politischer Tagesfragen fast bis zuletzt. Und gestern am Nachmittag ist auch Eugenio Garin aus der Welt gegangen, auch er Philosophiehistoriker, der sich besonders mit der Renaissance befasste, nicht umsonst lebte und starb Garin in der Stadt der Medici, der Renaissancestadt Florenz. Wir haben den italienischen Philosophen Gianni Vattimo gebeten, mehr über ihn zu erzählen, zunächst einmal dazu, was Garin für die italienische Philosophie bedeutete.

Moderation: Beatrix Novy |
    Gianni Vattimo: Natürlich war er besonders ein Historiker der Philosophie, man kann nicht sagen, dass er eine spezifische philosophische Theorie hatte, aber er war so wichtig für die Bildung der italienischen Philosophen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und nicht nur auf einer philologischen Basis. Er war ein sehr guter Kenner der Philosophie der Renaissance, der frühen Moderne und so weiter, aber er war auch als Historiker ein Theoretiker. Zum Beispiel die Geschichte der Philosophie war von Croce und Gentile dominiert. Es war einer Art Geschichte der Philosophie, die immer in der Vergangenheit etwas Aktuelles finden wollte. Es gab eine abstrakte Geschichte der Philosophie, wie Systeme sich voneinander entwickeln, und Garin hat die Philosophie, besonders die Philosophie der Renaissance, als ein Beispiel genommen von einer Philosophie, die streng auf der Basis des konkreten, historischen, sozialen und auch individuellen Lebens reflektiert und dann gab es ein gutes Beispiel der Geschichte der Philosophie und auch eine Art, die Philosophie als Reflektion über das Leben und nicht abstrakt zu denken.

    Novy: Was hat er in der Renaissance besonders gesehen? Wir verstehen sie als Epoche, die den Menschen und die Gesetze der Natur in den Mittelpunkt stellt und dadurch ein rationales Weltverständnis ermöglicht. Gleichzeitig hörte ja damals und niemals auf, diese Unterströmungen des Irrationalismus. Was hat das für ihn bedeutet?

    Vattimo: Diese Gegensetzung von Moderne und Mittelalter war auch für Garin ein so starkes Schema, das er diskutiert hat. Er hat eine Art Kontinuität zwischen spätem Mittelalter und früher Moderne gefunden, zum Beispiel in der Geschichte der neuen Wissenschaft, die so viel mit der Magie des späten Mittelalters zu tun hat. Er hat auch da eine Art Kontinuität gefunden, um die zu abstrakten Schemata der Geschichte der Philosophie zu verändern.

    Novy: Wie war seine politische Orientierung? Es heißt ja, er hat das Erbe von Antonio Gramsci fortgeführt, also eine kommunistischen Intellektuellen, für den Fragen wie Öffentlichkeit oder vergleichende Sprachwissenschaft oder kulturelle Massenphänomene wichtig waren. Hatte er mit Gramsci etwas zu schaffen?

    Vattimo: Ja, natürlich, denn Gramsci war auch ein Philosoph, der mit der italienischen Philosophie von Benedetto Croce und Giovanni Gentile viel zu tun hatte. Gentile war eine Art Heidegger in Italien unter dem politischen Gesichtspunkt, denn er war Faschist, viel mehr als Heidegger ein Nazi war. Nach dem Krieg war Gentile eine Art Tabu und niemand las mehr Gentile. Und Garin war ein Mann der Linken, ein Linksintellektueller, er war nach dem Krieg einer dieser Intellektuellen, die nicht explizit Kommunisten waren, aber sie wollten die Transformation Italiens unter einem sozialistischen Standpunkt begleiten und vorbereiten. Deswegen hat Gramsci die Lehre wieder aufgenommen, zum Beispiel die Idee, in der italienischen Tradition gab es eine Orientierung der Modernisierung, die früher aus Machiavelli und dem Humanismus kam, die sollte wieder gelebt werden, um eine Art spezifisch italienische modernisierende und auch sozialistische Revolution vorzubereiten.