Holger Noltze: Über Max von der Grün möchte ich mit einem sprechen, der ihn, vermute ich, nicht ganz fern stand: mit dem Gelsenkirchener Autor Michael Klaus. Herr Klaus, was für einer war dieser Max von der Grün?
Michael Klaus: Als ich ihn das erste Mal gesehen habe - das war vor 25 Jahren, da bin ich in einen Verband deutscher Schriftsteller aufgenommen worden - und da hatte ich das Gefühl, Max war einer, der präzise und knapp redete. Der stand einfach auf - es ging damals darum, dass wir für Lesungen viel zu wenig Geld gekriegt haben - und Max war es einfach leid und sagte, stand auf in der Versammlung und sagte, wenn ihn einer anspräche und sagen würde, er hätte aber nur 100 Mark für eine Lesung, dann würde er sagen, ja dann holt euch doch den Furtwängler.
Noltze: Wie kam er in Ihr Leben? Wie hat er Sie zum ersten Mal sozusagen gekreuzt? Als Leser womöglich?
Klaus: Ich bin Jahrgang 52 und so mit 14 Jahren gab ich einem kleinen Jungen in unserer Siedlung - das war eine Bergarbeitersiedlung, mein Vater war Bergmann - gab ich Deutsch-Nachhilfe und da gab es kein Geld als Dank, sondern als Dank gab es von den Eltern dieses Jungen ein Buch: "Irrlicht und Feuer" von Max von der Grün. Und das war nun was ganz Komisches: Ich fing an zu lesen oder meine Eltern betrachteten erst mal so die ersten Seiten und ja, fast mit spitzen Fingern, denn in "Irrlicht und Feuer" ging es um die Arbeitswelt, also das, was meinen Vater, was uns betraf. Und das gab es in der Literatur nicht und wir dachten: "Oh je, von der Grün, der kommt sicher aus der DDR, wollen wir mal gucken, ob man das überhaupt lesen darf".
Noltze: Er kam ja überraschenderweise gar nicht aus dem Ruhrgebiet, mit dem er so stark verbunden wird, sondern ist in Bayreuth geboren, ein Franke.
Klaus: Ja, er hat auch selber gestaunt, als er im Ruhrgebiet war. Er hat mal - das hat er auch aufgeschrieben - eine Kneipe betreten und er saß als Einziger am Tisch und alle anderen standen an der Theke und so nach einer Stunde, nach zwei Stunden - und ich glaube sogar, er schrieb "nach drei Stunden" - fragte er die Thekensteher, warum sie sich nicht hinsetzen und dann sagten die: "Nee, wir haben keine Zeit".
Noltze: Die Sache mit dem "Arbeiterdichter" war ja nicht nur schmeichelhaft gemeint und "Literatur der Arbeitswelt", das hat ja so einen gewissen Geschmack. Nun hat sich diese Arbeitswelt sehr geändert und ich denke, an der starken Lesebuchpräsenz, die Max von der Grün hat, wird sich auch was geändert haben. Glauben Sie, dass diese veränderte Arbeitswelt auch im Ruhrgebiet sozusagen einen Max von der Grün für heute bräuchte?
Klaus: Das war schon damals so. Also, als Max anfing zu schreiben - ganz kurz mal der Rückblick, es war ja eine merkwürdige Zeit, von den katholischen Kanzeln wurde vor den "Machwerken" eines Günter Grass gewarnt, gerade vor "Katz und Maus", weil da Jungs um die Wette onanierten. Und die Arbeitswelt in der Literatur war fast noch peinlicher als das Um-die-Wette-Onanieren. Und dann wurde die Arbeitswelt plötzlich Mode.
Noltze: War er denn Teil dieser Mode oder hat er dem, obwohl er so sehr als Repräsentant dieser Richtung bezeichnet wird, stand er dem doch mit einer Restskepsis gegenüber?
Klaus: Der Mode auf jeden Fall. Also er sagte, man könne nur unterscheiden zwischen guten und schlechten Schriftstellern und nicht zwischen Arbeiterdichtern und anderen, "richtigen" Dichtern. Das hat ihm aber die Kritik nie so recht abgenommen. Und dann wurde es halt zur Mode: Jeder Student, jeder Studienrat wollte Arbeiterdichter werden, hatte nur keine Ahnung, war nie, also schrieb über den Bergbau, war nur nie im Pott und - wie Sie eben gesagt haben - es fehlt, ich wüsste jetzt nicht, wer über andere Arbeitsplätze, also über diese Stahl- und Kohlearbeitsplätze hinaus, über Datenverarbeitung, sonst was, über diese Arbeitsplätze geschrieben hätte. Das kam dann erst später in ganz normalen Romanen, dass es einfach üblich ist, auch die Leute am Arbeitsplatz zu beschreiben, zum Beispiel wie jetzt also der Martin Sutter, wenn er über die "Small World"...
Noltze: ... über die Angestelltenwelt schreibt ...
Klaus: ... über die Angestelltenwelt schreibt. Das ist doch einfach ganz normal und man merkt es überhaupt nicht, dass da tatsächlich in dieser wunderschönen kleinen Erzählung über die Arbeitswelt geschrieben wird, über die jetzige.
Michael Klaus: Als ich ihn das erste Mal gesehen habe - das war vor 25 Jahren, da bin ich in einen Verband deutscher Schriftsteller aufgenommen worden - und da hatte ich das Gefühl, Max war einer, der präzise und knapp redete. Der stand einfach auf - es ging damals darum, dass wir für Lesungen viel zu wenig Geld gekriegt haben - und Max war es einfach leid und sagte, stand auf in der Versammlung und sagte, wenn ihn einer anspräche und sagen würde, er hätte aber nur 100 Mark für eine Lesung, dann würde er sagen, ja dann holt euch doch den Furtwängler.
Noltze: Wie kam er in Ihr Leben? Wie hat er Sie zum ersten Mal sozusagen gekreuzt? Als Leser womöglich?
Klaus: Ich bin Jahrgang 52 und so mit 14 Jahren gab ich einem kleinen Jungen in unserer Siedlung - das war eine Bergarbeitersiedlung, mein Vater war Bergmann - gab ich Deutsch-Nachhilfe und da gab es kein Geld als Dank, sondern als Dank gab es von den Eltern dieses Jungen ein Buch: "Irrlicht und Feuer" von Max von der Grün. Und das war nun was ganz Komisches: Ich fing an zu lesen oder meine Eltern betrachteten erst mal so die ersten Seiten und ja, fast mit spitzen Fingern, denn in "Irrlicht und Feuer" ging es um die Arbeitswelt, also das, was meinen Vater, was uns betraf. Und das gab es in der Literatur nicht und wir dachten: "Oh je, von der Grün, der kommt sicher aus der DDR, wollen wir mal gucken, ob man das überhaupt lesen darf".
Noltze: Er kam ja überraschenderweise gar nicht aus dem Ruhrgebiet, mit dem er so stark verbunden wird, sondern ist in Bayreuth geboren, ein Franke.
Klaus: Ja, er hat auch selber gestaunt, als er im Ruhrgebiet war. Er hat mal - das hat er auch aufgeschrieben - eine Kneipe betreten und er saß als Einziger am Tisch und alle anderen standen an der Theke und so nach einer Stunde, nach zwei Stunden - und ich glaube sogar, er schrieb "nach drei Stunden" - fragte er die Thekensteher, warum sie sich nicht hinsetzen und dann sagten die: "Nee, wir haben keine Zeit".
Noltze: Die Sache mit dem "Arbeiterdichter" war ja nicht nur schmeichelhaft gemeint und "Literatur der Arbeitswelt", das hat ja so einen gewissen Geschmack. Nun hat sich diese Arbeitswelt sehr geändert und ich denke, an der starken Lesebuchpräsenz, die Max von der Grün hat, wird sich auch was geändert haben. Glauben Sie, dass diese veränderte Arbeitswelt auch im Ruhrgebiet sozusagen einen Max von der Grün für heute bräuchte?
Klaus: Das war schon damals so. Also, als Max anfing zu schreiben - ganz kurz mal der Rückblick, es war ja eine merkwürdige Zeit, von den katholischen Kanzeln wurde vor den "Machwerken" eines Günter Grass gewarnt, gerade vor "Katz und Maus", weil da Jungs um die Wette onanierten. Und die Arbeitswelt in der Literatur war fast noch peinlicher als das Um-die-Wette-Onanieren. Und dann wurde die Arbeitswelt plötzlich Mode.
Noltze: War er denn Teil dieser Mode oder hat er dem, obwohl er so sehr als Repräsentant dieser Richtung bezeichnet wird, stand er dem doch mit einer Restskepsis gegenüber?
Klaus: Der Mode auf jeden Fall. Also er sagte, man könne nur unterscheiden zwischen guten und schlechten Schriftstellern und nicht zwischen Arbeiterdichtern und anderen, "richtigen" Dichtern. Das hat ihm aber die Kritik nie so recht abgenommen. Und dann wurde es halt zur Mode: Jeder Student, jeder Studienrat wollte Arbeiterdichter werden, hatte nur keine Ahnung, war nie, also schrieb über den Bergbau, war nur nie im Pott und - wie Sie eben gesagt haben - es fehlt, ich wüsste jetzt nicht, wer über andere Arbeitsplätze, also über diese Stahl- und Kohlearbeitsplätze hinaus, über Datenverarbeitung, sonst was, über diese Arbeitsplätze geschrieben hätte. Das kam dann erst später in ganz normalen Romanen, dass es einfach üblich ist, auch die Leute am Arbeitsplatz zu beschreiben, zum Beispiel wie jetzt also der Martin Sutter, wenn er über die "Small World"...
Noltze: ... über die Angestelltenwelt schreibt ...
Klaus: ... über die Angestelltenwelt schreibt. Das ist doch einfach ganz normal und man merkt es überhaupt nicht, dass da tatsächlich in dieser wunderschönen kleinen Erzählung über die Arbeitswelt geschrieben wird, über die jetzige.