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Zum Tod von Wolfgang Wagner

Länger als alle anderen hat er durchgehalten in einem Metier, in dem viele früh sterben: Wolfgang Wagner, der langjährige Chef der Richard Wagner-Festspiele. Seine Herrschaft auf dem Grünen Hügel in der oberfränkischen Bezirkshauptstadt war zuletzt von öffentlichen Mutmaßungen, Forderungen und am Ende sanften Nötigungen bezüglich der Amtsnachfolge bestimmt.

Von Frieder Reininghaus | 22.03.2010
    Aus dem Bayreuther Erbfolgekrieg gingen seine beiden Töchter, die Halbschwestern Katharina und Eva Wagner-Pasquier, siegreich hervor. Die gewisse Halsstarrigkeit des alten Herrn sollte freilich auch in der öffentlichen Wahrnehmung die Meriten nicht über-decken, die sich Wolfgang Wagner in früheren Jahren um jenes Sommertheater erwarb, das wie nichts anderes in aller Welt für deutschen Sang und Klang steht. Da bewies er immer wieder eine glückliche Hand bei der Verpflichtung von Gast-Regisseuren und Aus-stattern: Götz Friedrich und Harry Kupfer bereicherten – keinesfalls widerspruchsfrei – in ihren produktivsten Jahren das, was ja einst als Muster-Musikbühne ins Leben gerufen worden war.

    Patrice Chéreau bescherte Bayreuth 1976, zur Hundertjahrfeier, den "Jahrhundert-Ring". Der Schriftsteller Heiner Müller rückte Tristan in den Kontext von Ölfässern und Christoph Marthaler in ein aus Thomas Manns Novelle abgeleitetes Sanatoriums-Bild; Rosalie setzte zum Ende der 90er-Jahre eine imposante Suite von mythenfundierten modernen Bildern und Ausstattungs-Elementen zum "Ring" und Christoph Schlingensief rückte mit seiner Parsifal-Möblierung in die erste Reihe der Regisseure vor. Auch renommierte Dirigenten wie Pierre Boulez und Daniel Barenboim wußte er – neben manch mittelmäßigem (man muß schließlich auch sparen!) – zu verpflichten. Bezüglich der Sänger, für die er kein rechtes Ohr und keine kompetente Beratung hatte, verlief die Einkaufspolitik weniger glücklich.

    Wolfgang Wagner trat fürwahr ein "außergewöhnliches Vermächtnis" an. Heiter plauderte er in seiner Autobiografie Lebens-Akte über die Vorfahren und die Jugend, wiewohl ihm der "Gang zu Müttern" mitunter alles andere als leicht gefallen sein dürfte. Er war noch keine 30, als er nach der Einbindung der Bayreuther Festspiele in die Weltanschauung und Propaganda des Nazi-Systems und der nach Kriegsende durch die "Entnazifizierung" be-dingten sechsjährigen Zwangspause zusammen mit dem älteren Bruder Wieland 1951 in die Geschäftsführung des Familien-Unternehmens aufrückte. Wieland, der Bühnenbildner und Regisseur, und Wolfgang, nach eigenem Bekunden ein "Mädchen für alles", glaubten gar, die "Festspiele neu zu beginnen".

    15 Jahre stand Wieland, genuin der Schmied von "Neu-Bayreuth", am Amboß für ent-rümpelte und abstrahierende Produktionen. Dann machte sein früher Tod Wolfgang Wag-ner zum Alleinerben des Hauses, das für die einen eine mehr oder minder produktiv ge-füllte Kunstscheune, für andere das Allerheiligste einer Ersatz-Religion ist. Den elf Bayreut-her Inszenierungen Wielands ließ er seine eigenen folgen – doch mehr als Achtungs-erfolge konnten sie nicht erzielen. Dass er aber die Innovationen von außen zuließ und förderte, spricht für den Instinkt des umsichtigen Direktors, der einen Teil der Kosten hereinwirtschaften muss. Am Ende konnte Wolfgang Wagner auf fast sechs Jahrzehnte Theaterarbeit zurückblicken:

    "Wenn ich nun bemüht bin, scheinbar konservativ die Vorschriften Richard Wagners zu befolgen, so glaube ich aber trotzdem, dass man von den Vorstellungen, - es sind ja immer nur Notbehelfe, die angedeutet werden, in den Regieanleitungen -, dass ich bei deren Auslegungen doch nicht "nur" den Buchstaben gerecht, sondern dem Sinne ge-mäß die Dinge angepackt habe"

    Er begriff sich nicht als "Manager" seines Hauses, sondern auf sehr traditionelle Weise als Theater-Prinzipal, warnte sogar ausdrücklich vor der Übertragung moderner Management-Techniken auf das Theater. Auf seine Weise hat er das Haus auf dem Grünen Hügel gut bestellt. Ob seine Töchter und Nachfolgerinnen im richtigen Zug für künftig relevante Prä-sentationsformen musikdramatischer Kunstwerke sitzen, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen.