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Zum Tresor via Daten-Tunnel

Informationstechnik. - Verwaltungen hegen und pflegen ihre gesammelten Datenberge mit Hingabe. Doch in Zeiten rasanter Technologiewechsel und immer größerer Vernetzung werden hohe Anforderungen an die Datensicherheit und -haltbarkeit gestellt. Lösungen dazu wurden jetzt in Berlin vorgestellt.

Von Wolfgang Noelke |
    Drei Probleme verzögern die digitale Verwaltung. Das erste ist sehr menschlich und heißt "Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht", das zweite sind kameralistische Probleme, beispielsweise dass eine Behörde im schlimmsten Fall keine Computer anschafft, solange in deren Amtsstuben noch Schreibmaschinen funktionieren und drittens ist erst jetzt die Frage geklärt, wie sicher und wie lange man digitale Daten überhaupt lagern kann. Mehr als 20 Jahre Überlebenszeit traut Professor Siegfried Hackel, Direktor der Abteilung "Informations-Technologie" in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt PTB selbst einer Festplatte nicht zu, einer CD-Rom nicht einmal die Hälfte dieser Zeit.

    Auf der Behörden-Fachmesse "Moderner Staat" zeigt der Forscher das nach eigenen Angaben weltweit sicherste Langzeitarchivierungssystem. Fälschungs- und rechtssicher und vor allem dauerhaft soll "ArchiSafe" die Daten speichern - selbst dann, falls der Server verbrennen oder das Laptop vom Tisch fallen sollte, mit dem sich Professor Hackel von Unterwegs in die Braunschweiger PTB einbucht:

    "Das ist eine absichtlich mobile Einrichtung: also eine UMTS-Karte, damit man damit ins Internet kann und einen mobilen Kartenleser, damit ich auch demonstrieren kann, dass auch ein Eichbeamter, der vor Ort zum Beispiel eine Fleischerwaage oder eine Tankstelle zu überprüfen hat, damit der hier online zugreifen kann und ich habe jetzt einen Tunnel zur PTB aufgebaut und bin im Netz der PTB und kann von dort aus so arbeiten, als ob ich in der PTB wäre."

    Der so genannte Tunnel über das Internet ist sicher – die Daten selbst liegen nicht im Laptop, sondern auf zwei Servern der PTB. Der eine steht in Braunschweig, der zweite in Berlin. Dort überprüft das System Professor Hackels Signaturkarte und stempelt elektronisch das neue Dokument gleichzeitig mit der Uhrzeit ab, legt ein Inhaltsverzeichnis an, so genannte Metadaten. Diese Daten, Signatur, Zeitstempel und der Inhalt des Dokumentes ergeben eine fortlaufend nummerierte Akte mit einer errechneten Quersumme aller darin enthaltenen Daten. Würde ein Fälscher darin nur ein einziges Bit verändern, stimmte die Quersumme nicht mehr. Auch jede berechtigte Veränderung wird vollständig dokumentiert, so dass die Akte immer dicker wird und eine jeweils neue rechtssichere Quersumme entsteht. Sicher wird das System aber erst durch die mindestens zwei verschiedenen Speicherverfahren, die bei " ArchiSafe" parallel arbeiten:

    "Es kann passieren, dass - wenn Sie eine Technologie eingesetzt haben - dort ein Fehler auf dieser Technologie ist, den man bis dahin nicht erkannt hat und dann wird dieser Fehler sich immer weiter fortpflanzen und wenn Sie das nicht rechtzeitig merken, dann sind diese Daten, die ursprünglichen Daten, schon lange überschrieben und beim Kopieren ist dieser Fehler immer mit kopiert worden. Haben Sie zwei verschiedene Technologien, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide den gleichen Fehler haben, sehr, sehr gering und Sie haben so eher die Gewähr, dass noch bestehende "richtige" Daten vorhanden sind."

    Die Kehrseite der Digitalisierung heißt auch bei " ArchiSafe", ständig umkopieren zu müssen, denn trotz intensiver Forschung existieren noch keinen dauerhaften und sicheren Datenträger. Festplatten sind empfindlich gegen Magnetismus und CD-ROMs zerbröseln im Lauf der Jahre. – Und auch die Hoffnung, alte Hard- und Software einfach bereit zu halten, um damit später vielleicht historische Daten zu restaurieren, ist zum Scheitern verurteilt: Selbst ungenutzte Elektronik "stirbt" nach einigen Jahrzehnten durch Korrosion und magnetische Einflüsse. Alte Geräte und Software zu emulieren – um beispielsweise auf moderner Software die Arbeitsweise eines historischen "C64"- oder "Amiga"-Computers nachbilden zu können, weil man seine alten Texte wieder lesen will, ist in den Behördensystemen überflüssig, denn heute verwendet man Betriebssystem- und Software-unabhängige Dateien im ASCII, PDF und TIF- Format. Diese Formate sollen auch in 50 Jahren noch aktuell sein. Emulation wäre auch viel zu gefährlich, denn...

    "... wie weit das kritisch ist, hat ja die "Jahr- 2000- Problematik" gezeigt, wo man dann festgestellt hat, dass doch eine Menge von unbedachten Programmierfehlern dann doch einem sehr schnell zum Verhängnis werden können. Es gibt allerdings auch einfache Emulationen, aber man muss dann ja beweisen, dass diese Emulationen auch in jeglicher Richtung funktionieren und diesen Beweis zu führen, ist praktisch unmöglich."