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Zur Arbeit kommen, wann man möchte

Arbeitnehmer können bei der "Vertrauensarbeit" ihre Arbeitszeit weitestgehend flexibel einteilen. Das hat für die Arbeitnehmer viele Vorteile. Und die Unternehmen können besser auf Spitzenzeiten und ruhigere Zeiten reagieren.

Von Hilde Braun | 16.02.2013
    "Also, wir tragen selber die Arbeitszeit in den Computer in ein System ein, wo wir dann eben angeben, von wann bis wann wir da waren. Das läuft halt alles auf der Basis von Vertrauensarbeitszeit."

    Stefanie Spiegelberg ist Berufseinsteigerin und arbeitet seit einem Jahr bei der Soptim AG, einem mittelständischen Softwareunternehmen mit circa 300 Mitarbeitern. Sie hat einen 35-Stunden-Vertrag und kann sich ihre Arbeitszeit mehr oder weniger frei einteilen, muss aber in der Kernzeit - mit ihrem Vertrag - zwischen 9 und 15 Uhr da sein. Silke Barthel ist Personalchefin des Unternehmens:

    "Der ein oder andere würde sich auch wünschen, die Kernarbeitszeiten komplett abzuschaffen. Wobei wir die gerne beibehalten würden, um organisatorisch Besprechungen und Ähnliches in einem bestimmten Zeitrahmen organisieren zu können. Und haben die Möglichkeit, auch nach Absprache die Zeiten nicht einzuhalten. Von daher sind die Mitarbeiter grundsätzlich zufrieden."

    Ähnlich sieht es beim Siemens-Konzern aus. Deutschlandweit sind etwa 115.000 Mitarbeiter bei Siemens beschäftigt. Auch sie tragen ihre Arbeitszeit in ein Computersystem ein. Ohne geht es nicht, erklärt Pressesprecher Georg Lohmann. Denn nur mit den eingetragenen Stunden funktioniert das Gleitzeitkonto: Also länger arbeiten, wenn mal will – an einem anderen Tag kürzer oder gar nicht. Das Unternehmen setze dadurch auf Flexibilität. So können Mitarbeiter flexibel auf Freizeitwünsche reagieren:

    "Die Mitarbeiter nehmen diese Angebote sehr gerne an, sie sind auch froh für diese Freiheiten, die ihnen dadurch erwachsen. Etwa, wenn es um Themen geht wie die Kinder sind krank oder andere familienbedingte Angelegenheiten, diese auch flexibel regeln zu können."

    Dem sind aber auch Grenzen gesetzt. Es gibt Arbeitsbereiche oder Standorte, an denen eine Präsenzpflicht erforderlich ist. Die Abstimmung mit den Führungskräften steht hier im Vordergrund.

    "Wichtig ist, dass es immer darum geht, auch die betrieblichen Belange mit zu berücksichtigen. Etwa, wenn sie im Schichtdienst arbeiten, ist es nicht so einfach möglich. Oder wenn sie gerade in wichtigen Projekten stecken, die terminlich gebunden sind, ist es sicher nicht so einfach, flexible Arbeitszeit einzusetzen."

    Weil das Unternehmen weltweit an 190 Standorten agiert, fallen dann auch schon mal ungewöhnliche Arbeitszeiten an. Siemens Pressesprecher Georg Lohmann:

    "Dann kann es schon mal dazu führen, dass sicherlich auch zu mitternächtlicher Zeit eine Telefonkonferenz einberufen wird."

    Vertrauensarbeitszeit bedeutet eigentlich, zu kommen und zu gehen, ohne dass die Zeiten überhaupt erfasst werden. Gerade, weil Ausnahmen von der Kernarbeitszeit möglich sind, kommt Stefanie Spiegelberg mit dem Arbeitszeitmodell bei Soptim gut klar. Darauf, dass Überstunden für sie eher schwierig sind, nimmt das Unternehmen Rücksicht.

    "Ich habe aber direkt am Anfang gesagt, dass es für mich schwierig ist, so was zu machen, also einfach mal länger zu bleiben. Bisher war das überhaupt kein Problem und ich wurde dementsprechend auch eingesetzt."

    Gerade für Familien könnte eine Vertrauensarbeitszeit im klassischen Sinne helfen, den Alltag noch besser zu organisieren. Siemens bietet als Alternative betriebseigene Kindergärten. Und immerhin ein Teil der Arbeit kann auch von zuhause erledigt werden.
    "Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass es da eine neue Vertrauenskultur gibt, dergestalt, dass etwa 20 Prozent der Arbeitszeit beispielsweise auch von zuhause auch durchgeführt werden können."

    Zu Spitzenzeiten im Betrieb müssen aber in den meisten Fällen fast alle Mitarbeiter ran. Der Nachteil der Flexibilität? Silke Barthel:

    "Also, die leisten dann schon die Mehrstunden, werden auch teilweise verlangt. Aber die können dann auch in Freizeit abgegolten werden, wenn dann Zeiten sind, die ruhiger sind."

    So viel Selbstbestimmung beim Arbeitsplatz wie möglich ist attraktiv, scheitert manchmal aber auch an der Arbeitsmarktsituation. Eine 30-Stunden-Woche ist zum Beispiel bei der Soptim AG aufgrund der aktuellen Arbeitsmarktsituation nur in Ausnahmefällen möglich:

    "Wenn wir die entsprechend ausgebildeten Fachkräfte rekrutieren könnten, wäre das sicherlich ein Modell, was wir denken können. Wir haben eher das Problem, dass wir sehr viele Überstunden haben, sodass wir viele Stellen nicht besetzen können, die wir aber sehr gerne besetzen würden, wenn passende Kandidaten da wären."