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Zur Kooperation gezwungen

Raumfahrt. - Der Weg in die Umlaufbahn und darüber hinaus war in der Vergangenheit auch ein Vehikel nationalen Stolzes. Entsprechend sind die ersten 50 Jahre menschlicher Raumfahrt vor allem von Konkurrenz unter den Nationen geprägt gewesen. Inzwischen denkt man stärker an Kooperation, auch auf dem internationalen Raumfahrttreffen im italienischen Lucca, auf dem 40 Nationen vertreten waren. Dirk Lorenzen berichtet im Gespräch mit Arndt Reuning.

Dirk Lorenzen im Gespräch mit Arndt Reuning | 10.11.2011
    Reuning: Herr Lorenzen, heißt das denn nun, dass die Zeit des Gegeneinanders vorbei ist?

    Lorenzen: Herr Reuning, sicherlich nicht ganz. Was das Militär angeht, da wird nach wie vor jeder sein eigenes nationales Süppchen kochen. Aber insgesamt sind doch die technischen Hürden für alles andere, was man im All macht, einfach so hoch, und auch so kostenintensiv, was auf die Raumfahrer zukommt, dass jetzt alle einsehen, man kann es nicht allein machen, man muss sich da zusammentun. Ein Beispiel: Man braucht neue Raketen, der Transport ins All ist letztlich noch genauso teuer wie vor 50 Jahren. Man fliegt noch im Prinzip mit derselben alten Technik. Man muss da einfach zu neuen Ideen kommen, billiger ins All kommen, sonst kann man die großen und weiteren Ziele gar nicht angehen. Man will zurück zum Mond, man will mit Robotern zum Mars, dort Bodenproben nehmen, vielleicht sogar mit Mensch zum Mars. All das, meint man, das geht doch viel besser miteinander als gegeneinander. Und ein Beispiel, das hier für Aufsehen gesorgt hat: Am Rande dieser Konferenz hier sprechen die Vereinigten Staaten ganz offiziell mit der Esa und diskutieren darüber, wie man bei der Entwicklung der neuen Orion-Kapsel, die Mensch ins All bringen soll, wie man da zusammenarbeiten kann. Das war vor einigen Jahren noch völlig unvorstellbar.

    Reuning: Ich habe es gerade schon erwähnt, es gibt ja ein gemeinsames Großprojekt, die Internationale Raumstation. Warum ist die Zusammenarbeit im Weltall jetzt plötzlich das große Thema?

    Lorenzen: Weil die Raumstation letztlich eine politische Idee war vom Ende des Kalten Krieges. Die hat sich aber sehr gut bewährt, meint man, und man will jetzt damit weitermachen. Man hat einfach Angst, was passiert mit dieser guten Zusammenarbeit, wenn denn die Raumstation spätestens 2030 Geschichte ist, und man ist sich einig, man wird danach nicht eine noch größere oder noch irgendwie fundamentalere Raumstation bauen, sondern man muss überlegen, wie kann man die gute Zusammenarbeit, wie kann man diese gute Arbeitsweise dann anwenden auf verschiedene kleinere Mission. Vielleicht geht es um kleine Stationen in der Umlaufbahn, wie die Esa vorgeschlagen hat, ich sprach die Landung auf dem Mond an, den Asteroidengürtel zu erkunden. Dies alles, meint man, geht besser wenn man zusammenarbeitet. Europas Raumfahrtchef Jean-Jacques Dourdain hat mir eben noch erzählt, dass es ihn frustriert, wie lange diese Projekte dauern. Das müsse alles viel schneller Wirklichkeit werden. Genau das ist das, was man von der Raumstation im All lernen muss: Man darf nicht zehn oder 15 Jahre aufbauen, bis endlich etwas herauskommt. Das muss künftig schneller gehen.

    Reuning: Sie hatten gerade den Flug zum Mars erwähnt, vorgestern hier in "Forschung aktuell" haben wir ja über diese russische Marssonde Phobos-Grunt berichtet, über den lange erwarteten Start. Nun scheint die Mission aber noch in der Erdumlaufbahn stecken geblieben zu sein. Spielt dieser Fehlschlag in Lucca denn eine Rolle?

    Lorenzen: Ja, und zwar in doppelter Hinsicht, zum einen sind alle sehr betroffen und trösten die russische Delegation und hoffen, dass das vielleicht noch zu retten ist. Zum anderen zeigt eben genau dieses Scheitern, wie wichtig das Zusammenarbeiten ist. Russland hat ja nach 15 Jahren Pause mal wieder eine große interplanetarische Mission gestartet, ohne vielleicht noch die ganz große Expertise zu haben, und vielleicht kann man künftig solche Pannen umgehen, wenn man praktisch modular zusammensetzt. Mal gucken, wer baut das beste Triebwerk, wer macht die besten..., wie kann man zusammenarbeiten bei wissenschaftlichen Instrumenten. Und die Esa hat ausdrücklich ihre Einladung an Russland auch bestätigt, dass man hofft, dass Russland bei Exomars, der nächsten großen Marsmission mitarbeiten wird. Und das wird wirklich eine globale Mission. Die hat einmal europäisch begonnen, dann war es gemeinsam mit den USA, und jetzt ist sogar Russland dabei, das ist schon so eine Art Internationale Raumstation zum Mars.

    Reuning: Was wird gemunkelt, wie stehen die Chancen, dass Phobos-Grunt tatsächlich noch den Roten Planeten erreichen wird?

    Lorenzen: Also man hofft, dass wirklich noch nicht alles verloren ist. Der Chef der russischen Delegation sagte, dass man heute Abend um 17:00 Uhr Moskauer Zeit wieder Kontakt habe, dann gucke man weiter. Man ist da noch sehr vage, ganz aufgegeben hat man noch nicht, aber allzu optimistisch sollte man auch nicht sein.

    Breuning: China ist der derzeit im All sehr aktiv, auch das haben wir am Dienstag erst gehört. Bisher war China bei solchen internationalen Treffen aber eher unterrepräsentiert. Wie sieht das denn damit aus?

    Lorenzen: China ist hier mit einer ganz großen Delegation vertreten, angeführt vom Minister für Wissenschaft, Vizeminister für Wissenschaft und Technik. Und China geht ja auch stolz herum und zeigt, das können wir, sagt aber auch zugleich: Man will zusammenarbeiten. Und man tut das wirklich sehr, sehr selbstbewusst. Europa und Russland haben da bekanntlich schon länger weniger Probleme. In den USA gab es ja immer schon ein bisschen das Problem, dass es zum Teil verboten war, im Raumfahrtbereich mit China zusammen zu arbeiten. Das scheint sich jetzt ein bisschen zu ändern, denn die Vereinigten Staaten sind hier nicht nur durch die Nasa vertreten, sondern auch durch Mitarbeiter des US-Außenministeriums, also das ist diplomatisch sehr hoch gehängt. Und überraschend: Die nächste Tagung dieser Art, wo man die Weltraumerkundung auf ein internationales Level stellen will, besser zusammenarbeiten will, die wird wahrscheinlich im kommenden Jahr in den USA stattfinden. Das heißt, da ist dann auch der Dialog USA-China viel intensiver als er bisher gewesen ist.