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Zur letzten Ruhe in die Heimat

Mehrmals im Monat fährt Hans Peter Klages mit seinem Kutter hinaus auf die polnische Ostsee. An Bord hat er die Urnen von deutschen Heimatvertriebenen, die auf See bestattet werden. Es ist der letzte Wille der Verstorbenen, vor der polnischen Küste beigesetzt zu werden.

Von Katarzyna Tuszynska |
    Zwischen Selgelyachten und Fischkuttern in der Yachtmarina in Gdynia, Danzigs Nachbarstadt, liegt die "Knudel". Das Boot ist zwölf Meter lang und etwa vier Meter breit. Mit Mast und Segel sieht es wie ein typisches Segelboot aus. Das ist jedoch nur der erste Eindruck. Denn die "Knudel" ist etwas Besonderes.

    Zwei- bis dreimal im Monat läuft Kapitän Hans Peter Klages mit seinem Schiff von Gdynia aus, um die Asche Verstorbener der Ostsee zur letzten Ruhe zu übergeben, erzählt er:

    "Das sind Vertriebene, die nach dem Krieg hier aus Polen vertrieben worden sind und die dann hier wieder zurück kommen möchten um hier bestattet zu werden ... in ... wie soll man den sagen... in die Heimat zurückkommen."

    Hans Peter Klages ist ein bulliger Mann mit dichtem, grauen Haar. Seit fast zehn Jahren ist er als Seebestatter im Einsatz. Der Deutsche beobachtet, dass die Nachfrage an Seebestattungen in Polen immer größer wird, besonders bei seinen Landsleuten:

    "Sie wollen in der Nähe ihrer Heimat sein, auch die Leute die aus dem Raum Königsberg kommen, die möchten auch so ganz gerne so dicht wie möglich bei Königsberg unter die Welle gebracht werden. Auch über die Wracks werden die Urnen abgesengt. Es sind einige Leute, die nur das möchten und ansonsten werden die Leute hier in der Danziger Bucht unter die Welle gebracht."

    Ursprünglich hatte Hans-Peter Klages sein Schiff "Knudel" als Fischkutter gekauft und dann zur Segelyacht umgebaut. Mit seiner polnischen Frau segelte er zahlreiche Ostseetörns.

    Sein Hamburger Kollege Broder Drees brachte ihn auf die Idee mit den Seebestattungen in der Danziger Bucht:

    "Ich hatte damals ein Schiff, ein sehr schönes, bin dann vorbei gefahren an den ehemaligen deutschen Ostgebieten: Königsberg, Kaliningrad, Gdansk und die pommersche Küste und so weiter. Und dann viel mir ein: Mensch, hier kommen die ganzen Leute her, die damals im Krieg vertrieben wurden und die hatten, das wusste ich, ein ganz extrem großes Heimatgefühl und da dachte ich mir, es könnte sein, dass da der eine oder der andere zumindest nach dem Tode, zurück kommen möchte in seine alte Heimat und so ist es entstanden."

    Klages erhielt die notwendigen Papiere und hat einfach angefangen. Die Zeremonien sind für ihn eine persönliche Angelegenheit. Alle Vorbereitungen trifft Klages selbst:

    "Die Zeremonie spielt sich so ab, dass wir auf eine Position in die Bucht hinaus fahren. Dort haben wir eine Ansprache – ich als Kapitän und wenn die Angehörigen was dazu sagen wollen oder mitsprechen möchten, ist das selbstverständlich gestattet und dann senken wir die Urne über die Steuerbordseite ins Meer. Anschließend, bevor die Urne ins Wasser geht, werden vier Mal Glase geläutet, das heißt wir läuten zur letzten Wache und dann senken wir die Urne ab und umkreisen wir die Urne drei Mal mit Blumenschmuck und wenn die Angehörigen es möchten, haben wir eine Trompeter an Bord die alles begleitet."

    Und anschließen fahren wir wieder in den Hafen.

    Dass der Deutsche in den vergangenen zehn Jahre ganz wenige Trauerfeiern für polnische Familien organisieren konnte, liege an der hiesigen Tradition, erklärt Priester Rafal Nowicki aus Danzig:

    "Viele Menschen bei uns sind überzeugt, dass unser Leben streng mit der Erde verbunden ist. Sie können sich eine Bestattung nirgendwo anders als in der Erde vorstellen. Wenn es zu einer Seebestattung kommt, dann sagen viele, wo sollen wir dann denn beten? In der katholischen Kirche ist ein traditionelles Begräbnis stark verwurzelt und daran soll man sich halten."

    Was für die meisten Menschen in Polen einfach unvorstellbar und nicht nachvollziehbar ist, bedeutet für einige alte Danziger, die Erfüllung ihres letzten Wunsches.

    Erhart Jonischus ist Jahrgang 1937. Der heute grauhaarige Mann in heller Jacke erlebte als kleiner Junge in seiner Heimatstadt Danzig die schweren Kriegsjahre. 1945 verließ er Danzig mit seiner Mutter und seinen Geschwistern. Heute wohnt er in Allzenau in Bayern. Jedes Jahr macht Erhart Jonischus einige Wochen Urlaub in Danzig. In seinem Testament hat er festgelegt, dass er nach seinem Tod in der Danziger Buch beigesetzt werden möchte, gibt er mit Tränen in den Augen zu:

    "Für mich ist es sozusagen eine Notwendigkeit, wieder nach Hause zu kommen und hier die letzte Ruhe zu finden nach all den Jahren, die man hier erlebt hat, die sehr blutig waren und mit sehr vielen persönlichen Schicksalen auch behaftet waren. Es ist für mich einfach ein Herzenswunsch wieder her zu kommen."

    Atmo sentimentale, instrumentale Musik kurz frei dann unter dem Text legen

    "Die Stadt hat ein Flair, etwas Besonderes, das ich nicht erklären kann. Ich weiß nur, dass ich befallen bin wie eine Festplatte mit einem Virus. So bin ich befallen von Danzig."

    Auf die letzte Fahrt in die Danziger Bucht soll es auf der "Knudel" gehen.