" In den Niederlanden gibt es Wartelisten. Der Patient muss warten, bis er an der Reihe ist. Er wartet auf einen Termin bei Fachärzten für Voruntersuchungen, er wartet im Durchschnitt noch mal sechs Monate bis zur Operation. In machen Fällen ist der Patient da schon tot. In Belgien ist das ganz anders. Da gibt es umgehend einen Arzttermin und kann man schon innerhalb von zehn Tagen operiert werden. "
Schnelligkeit, Preis und Qualität locken immer mehr ausländische Patienten nach Belgien. Die weitaus meisten kommen aus den Niederlanden und aus Großbritannien. Die belgischen Krankenhäuser nehmen sie mit offenen Armen auf, denn die Betten sind nur zu 80% belegt. Das ist eine Frage der Kalkulation: Mehr ausländische Patienten bedeuten eine bessere Auslastung. Das ist aber auch eine medizinische Frage, sagt der Vorsitzende des Verbandes der belgischen Krankenhäuser und Direktor des Universitätsklinikums der Katholischen Universität Neu-Löwen, Professor Guy Durant:
" Wir sind an Patienten mit schweren Krankheiten interessiert. Mehr Fälle nutzen der klinischen Forschung und verbessern die Expertise unserer Spezialisten, zum Beispiel bei Organtransplantation, in der Neurochirurgie, Augenchirurgie oder Herzchirurgie für Kinder. "
Belgiens Unternehmerverband FEB hat ausgerechnet, dass die Behandlung ausländischer Patienten auch positive Auswirkungen auf den einschlägigen Arbeitsmarkt hat: Wenn sich 200.000 ausländische Patienten in belgischen Krankenhäusern behandeln lassen, können dort 6.000 neue Stellen geschaffen werden, für Ärzte, Krankenschwestern und Pflegepersonal. Der Experte der Unabhängigen Krankenkassen, Christian Horemans, beobachtet schon Anzeichen für Engpässe:
" Bei uns ist zurzeit bereits Pflegepersonal Mangelware, trotz aller möglichen Initiativen der verschiedenen Ministerien, mehr Krankenschwestern auszubilden. "
Dabei muss das Personal seiner Ansicht besonders gut geschult sein, wenn immer mehr Patienten aus dem Ausland nach Belgien kommen:
" Natürlich ist es schwierig, mit Patienten umzugehen, deren Kultur und Sprache man nicht kennt. Wenn sich flämische Patienten schon darüber beklagen, dass sie in Brüsseler Krankenhäusern französisch sprechen müssen, was sollen da erst Patienten aus dem Ausland sagen? Eigentlich bräuchten wir Sprachkurse für unser Personal. "
Derlei Forderungen hält Professor Durant allerdings für weit überzogen - die Praxis sehe doch ganz anders aus:
" In unserem Krankenhaus haben wir mit Englisch und Spanisch keinerlei Probleme. Für andere Sprachen stehen 75 Personen als Dolmetscher zur Verfügung. Selbst bei der Notaufnahme eines Patienten aus einem arabischen oder asiatischen Land hat es noch nie Probleme gegeben - wir finden schon jemanden, der dolmetschen kann. "
Darüber sind sich allerdings alle Beteiligten in Belgien einig: Die Öffnung des Gesundheitssystems für ausländische Patienten darf nicht zu Lasten der einheimischen Patienten gehen. Es soll nicht zu langen Wartezeiten kommen. Und an Krankenhäuser nur für Patienten aus dem Ausland ist auch nicht gedacht. So soll ein neu eingerichtetes Kontrollgremium darauf achten, dass das belgische Gesundheitssystem so leistungsfähig und preiswert bleibt wie es ist.