Forudastan: Sie sagten, diese Staaten halten sich nach wie vor für wichtig, aber Sie als Beobachter, wie beurteilen Sie das? Wo sind sie wichtig? Natürlich, sie sind sehr groß, sie sind sehr viele, aber was bewirken sie, wo liegt ihr Einfluss?
Jaura: Ihr Einfluss liegt hauptsächlich innerhalb der Vereinten Nationen, besonders in Zeiten, wo - wie Sie richtig dargestellt haben - es zwar keine militärischen oder sonstigen Blöcke gibt, aber die Nord-Süd-Kluft größer geworden ist, auch die Kluft innerhalb der Staaten im Norden, was Reichtum und Armut angeht. Sie finden, dass sie mit einer Stimme versuchen sollten zu sprechen, dass sie gemeinsame Interessen vertreten sollten. Das ist die eigentliche Rechtfertigung, die sie für sich in Kauf nehmen. Das ist richtig, dass die Medien kaum davon Kenntnis nehmen. Zum Beispiel fand vor anderthalb Jahren in Kuala Lumpur das Gipfeltreffen der blockfreien Staat, an dem als Beobachter eine Reihe von westlichen, europäischen Staaten teilgenommen haben. Dazu zählte auch die Bundesrepublik Deutschland. Das unterstreicht wiederum meines Erachtens, dass auf der diplomatischen Bühne die Existenz dieses Blocks nach wie vor für wichtig gehalten wird.
Forudastan: Aber der Versuch der Blockfreien, mit einer Stimme zu sprechen, genau das gelingt doch nicht. Wenn wir uns zum Beispiel an den Beginn des Irak-Krieges vor einem Jahr erinnern, da haben sich die Blockfreien außerordentlich schwer getan, zu einer Position zu finden, und letztlich haben sie es auch nicht geschafft.
Jaura: Ja, genau das wollen sie jetzt. Auf dem Kuala-Lumpur-Treffen hatten sie sich im Allgemeinen darauf geeinigt, dass diese Militäraktion nicht stattfinden sollte. Dann kamen natürlich die einzelnen Stimmen zur Geltung, zum Beispiel ein Land wie Indien, das zu den Gründern der Organisation gehört, hat sich unter der damaligen Regierung auf die Seite der USA geschlagen. Jetzt möchten die hohen Beamten und Außenminister in Südafrika sich darüber unterhalten, wie die Dinge sich geändert haben seit dem letzten Gipfeltreffen, wie die Lage im Irak, in Afrika und in Afghanistan und wie die Möglichkeiten sind, die Vereinten Nationen wieder zu stärken. In den kommenden vier Wochen findet auch die UN-Vollversammlung in New York statt. Ich will aber nicht leugnen, dass die Blockfreien keinesfalls den Einfluss haben, in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden, wie Sie in der Anmoderation gesagt haben, wie es bis Anfang der achtziger Jahre der Fall war. Dass die Mauer gefallen ist, dass die Blöcke nicht existieren, das hat die Staaten, die führenden Staaten der Blockfreienbewegung auch in eine Krise hineingeworfen. Ich kann mich erinnern, dass der damalige indische Außenminister in Bonn war, als die Mauer fiel, und als eine Pressekonferenz stattfand, wusste er nicht, was er eigentlich dazu sagen sollte.
Forudastan: Lassen Sie uns auch ein paar Länder schauen. Afghanistan, Benin, Bolivien, Indien, Kongo, Kuba, Korea, Irak, Malawi, Malaysia, Nicaragua, Südafrika, Vietnam, Zimbabwe. Sie alle und noch viel mehr sind doch ganz unterschiedliche Staaten. Es gibt Militärdiktaturen darunter, Monarchien, Demokratien. Was verbindet diese Länder, oder anders gefragt, können sie überhaupt ein gemeinsames Ziel haben bei ihrer Unterschiedlichkeit?
Jaura: Ja, das gemeinsame Ziel ist eben diese wirtschaftliche Entwicklung, dort miteinander zusammenzuarbeiten, wo es auch möglich ist, und nach außen den Eindruck zu geben, dass man nicht auf sich allein gestellt ist. Damals gehörte auch Jugoslawien dazu, es war einer der Gründerstaaten, und es existiert gar nicht mehr in dieser Form, wie es damals existiert hat. Dass die Staaten auch unterschiedlich sind, ist völlig klar. Inzwischen sind ja einige Jahre vergangen, und die Dinge haben sich geändert.