Volker Rodekamp: Nein, das soll man nicht ändern. Allerdings können wir uns der Geschichte nicht entziehen, und wir haben nun in Europa, nicht nur in Deutschland eine Fülle von Erinnerungsorten dieses Kalibers, denen wir uns gegenüber zeitgemäß positionieren müssen. Das Völkerschlachtdenkmal ist nun ein herausragendes Beispiel dieser Befragung von Geschichte, ein Ort, der fremd geworden ist, die Ästhetik, die uns fremd geworden ist. Der Anlass ist uns fern, 200 Jahre zurückliegend geworden. Das Denkmal ist ein Zeichen des Wilhelminismus. Nichtsdestotrotz ist es ein Stadtbild prägender Ort, allein schon auf Grund seiner Größe. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass dieser Ort einen Magnetismus verströmt durchaus auch immer noch für rechtsnationale antidemokratische Kreise. Wir müssen uns mit solchen Orten beschäftigen, wie wir mit ihnen umgehen, wie wir die Botschaften entschlüsseln und wie wir uns Gespräch kommen, wie wir solche Orte überhaupt noch wahrnehmen können vor dem Hintergrund der Geschichtserfahrung des 20. Jahrhunderts, vor dem Hintergrund einer Entwicklung bei dem Hausbau des Hauses Europa, wo wir auf der einen Seite nationale Denkmäler immer noch haben, die eigentlich für das Trennende in Europa, in dieser hypertrophen nationalstaatlichen Prägung stehen, wir auf der einen Seite uns aber doch darüber freuen, dass wir in einem weitgehend befriedeten Europa nunmehr leben können.
Köhler: Sie sagen, Sie wollen mehr als nur Erhalt in einem konservatorischen Sinne. Sie sagten eingangs etwas sehr Wichtiges, sie sind uns fremd und fern geworden, obgleich sie ja unübersehbar, teilweise riesig sind. Lassen Sie uns versuchen, das einen Moment zu problematisieren. Es gibt ja nicht nur diese herausragenden Denkmale wie das Völkerschlacht-Denkmal in Leipzig oder das Deutsche Ecke oder ähnliche vergleichbare. Jede größere Stadt hat irgendwie einen Bismarck-Turm aus der Jugendstilzeit, der ist dann meistens irgendwie beschmiert, halb kaputt oder ähnliches. Man fährt mit dem Fahrrad daran gedankenlos vorbei. Wie kann man so etwas inhaltlich füllen? Ich habe das mal erlebt, als es um der Restaurierung des sowjetischen Ehrenmals in Berlin-Karlshorst ging. Da hat sich eigentlich kaum jemand darum geschert, außer dass das Ding baufällig war.
Rodekamp: Das ist richtig. Viele dieser ehemaligen Denkmale sind heute eigentlich aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Manche von ihnen werden nicht mehr gepflegt. Sie sind alle, wenn man sie sich anschaut, heute verlassene Orte, die die Sinnstiftung, die sie ehemals tragen sollten, heute verloren haben. Die Aura ist weitestgehend an diesen Orten verloren. Dennoch sind sie da, und wir müssen uns damit beschäftigen und hinterfragen, welche Botschaft von solchen Orten für die heutige Rezeption, für die gegenwärtige Bevölkerung eigentlich noch ausgehen kann. Wir müssen fragen, was bedeuten diese Orte, welche Rolle und Funktion sollen sie in der Zukunft einnehmen, welche Geschichten wollen wir an diesen Plätzen mit unseren Kindern diskutieren? Deswegen ist es wichtig, dass man sich damit beschäftigt.
Köhler: Das finde ich jetzt spannend, denn Denkmale, so sehe ich sie lieber, haben einen Nachteil, sie sind naturgemäß statisch. Es sind manchmal riesige Steinklötze, und was Sie jetzt sagen, ist ja der Versuch, ich sage mal, sie zu dynamisieren. Wir leben aber nicht mehr in Zeiten von Wartburgfest und Hambacher Schloss, soll heißen, wir haben Verfassung, wir haben Friedensordnung und brauchen irgendwie diese Orte nicht mehr zwingend, um uns dessen zu vergewissern.
Rodekamp: Das ist richtig. Aber wir sollten darüber nachdenken, warum und aus welchem Anlass und mit welcher Botschaft seinerzeit diese Orte errichtet worden sind, und wir sollten darüber nachdenken, warum wir heute solcher Orte nicht mehr bedürfen. Das heißt, ich sehe dieses in einem emanzipatorischen Zusammenhang, mehr oder weniger als historische Marksteine auf einem Weg zu einer befriedeten europäischen Gesellschaft. Das könnte eine neue Botschaft sein, die Distanz zu thematisieren, die wir heute haben, wenn wir solche Orte besuchen. Wir haben das Ziel vor Augen, dass wir zukünftig so etwas kreieren können wie eine Route der Monumente in Europa, wo wir viceversa auf uns aufmerksam machen, wo wir in Zukunft gemeinsame Projekte realisieren wollen und wo wir deutlich machen, dass es sich zwar im Einzelfall immer um eine nationale Sinnstiftung gehandelt hat vor etwa 100 Jahren, dass dies aber in einem großen europäischen kulturhistorischen Zusammenhang zu verorten ist, und das ist das, was wir wollen. Wir wollen ein Stück europäische Geschichte an diesen Orten thematisieren, und da sind wir eigentlich alle beseelt von dieser Idee, dass es gelingen könnte.
Köhler: Vielen Dank für das Gespräch.
Köhler: Sie sagen, Sie wollen mehr als nur Erhalt in einem konservatorischen Sinne. Sie sagten eingangs etwas sehr Wichtiges, sie sind uns fremd und fern geworden, obgleich sie ja unübersehbar, teilweise riesig sind. Lassen Sie uns versuchen, das einen Moment zu problematisieren. Es gibt ja nicht nur diese herausragenden Denkmale wie das Völkerschlacht-Denkmal in Leipzig oder das Deutsche Ecke oder ähnliche vergleichbare. Jede größere Stadt hat irgendwie einen Bismarck-Turm aus der Jugendstilzeit, der ist dann meistens irgendwie beschmiert, halb kaputt oder ähnliches. Man fährt mit dem Fahrrad daran gedankenlos vorbei. Wie kann man so etwas inhaltlich füllen? Ich habe das mal erlebt, als es um der Restaurierung des sowjetischen Ehrenmals in Berlin-Karlshorst ging. Da hat sich eigentlich kaum jemand darum geschert, außer dass das Ding baufällig war.
Rodekamp: Das ist richtig. Viele dieser ehemaligen Denkmale sind heute eigentlich aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Manche von ihnen werden nicht mehr gepflegt. Sie sind alle, wenn man sie sich anschaut, heute verlassene Orte, die die Sinnstiftung, die sie ehemals tragen sollten, heute verloren haben. Die Aura ist weitestgehend an diesen Orten verloren. Dennoch sind sie da, und wir müssen uns damit beschäftigen und hinterfragen, welche Botschaft von solchen Orten für die heutige Rezeption, für die gegenwärtige Bevölkerung eigentlich noch ausgehen kann. Wir müssen fragen, was bedeuten diese Orte, welche Rolle und Funktion sollen sie in der Zukunft einnehmen, welche Geschichten wollen wir an diesen Plätzen mit unseren Kindern diskutieren? Deswegen ist es wichtig, dass man sich damit beschäftigt.
Köhler: Das finde ich jetzt spannend, denn Denkmale, so sehe ich sie lieber, haben einen Nachteil, sie sind naturgemäß statisch. Es sind manchmal riesige Steinklötze, und was Sie jetzt sagen, ist ja der Versuch, ich sage mal, sie zu dynamisieren. Wir leben aber nicht mehr in Zeiten von Wartburgfest und Hambacher Schloss, soll heißen, wir haben Verfassung, wir haben Friedensordnung und brauchen irgendwie diese Orte nicht mehr zwingend, um uns dessen zu vergewissern.
Rodekamp: Das ist richtig. Aber wir sollten darüber nachdenken, warum und aus welchem Anlass und mit welcher Botschaft seinerzeit diese Orte errichtet worden sind, und wir sollten darüber nachdenken, warum wir heute solcher Orte nicht mehr bedürfen. Das heißt, ich sehe dieses in einem emanzipatorischen Zusammenhang, mehr oder weniger als historische Marksteine auf einem Weg zu einer befriedeten europäischen Gesellschaft. Das könnte eine neue Botschaft sein, die Distanz zu thematisieren, die wir heute haben, wenn wir solche Orte besuchen. Wir haben das Ziel vor Augen, dass wir zukünftig so etwas kreieren können wie eine Route der Monumente in Europa, wo wir viceversa auf uns aufmerksam machen, wo wir in Zukunft gemeinsame Projekte realisieren wollen und wo wir deutlich machen, dass es sich zwar im Einzelfall immer um eine nationale Sinnstiftung gehandelt hat vor etwa 100 Jahren, dass dies aber in einem großen europäischen kulturhistorischen Zusammenhang zu verorten ist, und das ist das, was wir wollen. Wir wollen ein Stück europäische Geschichte an diesen Orten thematisieren, und da sind wir eigentlich alle beseelt von dieser Idee, dass es gelingen könnte.
Köhler: Vielen Dank für das Gespräch.