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Zurück an die Oberfläche

Entsorgung. - Im ehemaligen Salzbergwerk Asse II bei Wolfenbüttel sind rund 126.000 Fässer mit unterschiedlich stark strahlenden Abfällen eingelagert. Was zunächst als Versuchslager firmierte, verwandelte sich unter der Hand in eine Art Endlager. Doch das Bergwerk ist marode, deshalb hat das Bundesamt für Strahlenschutz nach Lösungen gesucht. Heute verkündete Amtschef Wolfram König, dass der Müll herausgeholt werden solle. König erläuterte diesen Vorschlag im Gespräch mit Michael Böddeker.

15.01.2010
    Böddeker: Herr König, warum genau haben Sie diese Variante gewählt?

    König: Wir haben an einem allgemein anerkannten Kriterienkatalog, der vorher diskutiert worden ist, die drei Optionen, die grundsätzlich überhaupt möglich sind, nämlich die Vollverfüllung der Anlage, die Umlagerung in eine tiefe geologische Schicht und die Rückholung, an diesen Kriterien bewertet und als Ergebnis (PDF-Dokument) ist herausgekommen, dass das Herausholen die beste Variante ist. Immer unter dem Gesichtspunkt des heutigen Wissensstandes. Entscheidend war dabei, dass die beiden anderen Kriterien [gemeint sind Optionen, d. Red.] derzeit nicht prognostizierbar sind, ob einer Langzeitsicherheit erfolgreich geführt werden kann. Das heißt, dass sichergestellt wird, dass keine kommende Generation stärker belastet wird durch die Anlage, als wir es uns heute zumuten.

    Böddeker: Die Rückholung hat natürlich auch Nachteile. Zum Beispiel dass dabei der radioaktive Müll bewegt und angefasst werden müsste. Gibt es da keine gesundheitlichen Belastung für die Arbeiter? Wie soll das gemacht werden?

    König: Genau [wegen] diese[r] Frage, inwieweit eine Belastung damit verbunden sein kann, die nicht vertretbar ist, haben wir gesagt, muss in einer ersten Phase eine Kammer geöffnet werden, oder Kammern geöffnet werden, damit wir genauer feststellen können, in welchem Zustand die Abfälle sind. Bislang gehen wir davon aus, dass rund 75 Prozent der Arbeiten in diesen Bereichen mit ferngesteuerten Werkzeugen durchgeführt werden können. Wenn das so sein sollte, dass die Abfälle zum Beispiel kompaktiert, verbacken sind und sie direkt mit Menschen in die Kammer reingehen müssen, dann ist diese Frage neu zu bewerten, da stellt sich die Frage des Strahlenschutzes natürlich neu.

    Böddeker: Sie sagten, dass erst noch einige Kammern geöffnet werden müssen. Aber bedeutet das nicht, dass sich die Entscheidung nicht noch einmal völlig umkehren kann, dass noch einmal alles ganz anders bewertet werden wird?

    König: Ich glaube, es gehört zu diesen Randbedingungen, die wir vorgefunden haben in der Asse, dass wir sozusagen jeden Tag uns fragen, sind wir auf dem richtigen Weg. Mit dem heutigen Tag haben wir eine wichtige strategische Weichenstellung gestellt. Aber es ist eben nicht sichergestellt, ob dieser Weg gegangen werden kann. Er ist nach dem heutigen Kenntnisstand jedenfalls der beste.

    Böddeker: Wie wird es weitergehen? Man wird den Abfall dort unten herausholen und als nächstes ein Zwischenlager an der Oberfläche errichten?

    König: Genau. Es ist geplant, dass die Abfälle herausgeholt werden, dass sie gemessen werden, dass sie klassifiziert werden und dann neu verpackt werden. Sie würden dann in ein Zwischenlager kommen, und letztendlich in ein Endlager, was für diese Stoffe zugelassen ist, für schwach-und mittelaktive Abfälle. Bislang gibt es in Deutschland nur ein genehmigtes Endlager, das ist Konrad, für derartige Abfälle. Aber dieses Endlager ist noch nicht in Betrieb und die Begrenzung der Genehmigungen sind so, dass nicht alle Abfälle aus der Asse direkt in dieses Endlager transportiert werden können, also benötigen wir auch noch ein Zwischenlager, wenn es zu dieser Herausholung kommt.

    Böddeker: Das Verfahren der Rückholung dürft ja auch extrem aufwändig sein. Was soll das Ganze kosten?

    König: Wir haben keine Kostenerhebung gemacht, weil es nicht ein Kriterium war, in der Abwägung, welcher Variante zu folgen ist. Aber der Gutachter hat davon gesprochen, dass die Rückholung nach seiner Einschätzung unter seinen Prämissen mit rund zwei Milliarden Euro zu veranschlagen wäre. Aber dies sind Zahlen, die sicherlich nicht belastbar sind und sich natürlich noch erheblich verändern können.

    Böddeker: Darüber habe ich vor der Sendung auch mit dem Nuklearexperten Michael Sailer vom Öko-Institut Darmstadt gesprochen. Ihm zufolge kommt es darauf an, wie die Fässer in der Asse aussehen.

    Sailer: Wenn die Fässer schlechter aussehen, dann wird eine Rückholung sehr viel aufwändiger, das heißt, sehr, sehr viel mehr Strahlenbelastung für die Leute, die damit befasst sind. Und viel Zeit, viel mehr Zeit, die man dafür braucht. Und dann wird man eine Rückholung nicht in zehn Jahren hinkriegen.