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Zurück in die Zukunft

Die "Bild"-Zeitung hat sich ein neues Gesicht verpasst. Die neue Aufmachung der größten deutschen Tageszeitung kombiniert das altbacken Alte mit dem harmlos Modernen.

Von Burkhard Müller-Ullrich |
    Es gab mal eine Zeit, da war das Schwarze in den Zeitungen das Wichtige. Schwarz sind die Buchstaben, weiß ist der Raum um sie herum. Heute kommt es den Zeitungsleuten mehr aufs Weiße an. Weniger Buchstaben sind nämlich angenehm fürs Auge des, nun ja, nicht Lesers, sondern Zeitungskäufers.

    Der schaut in einer Zeitung namens "Bild" natürlich zuallererst nach Bildern - heute beispielsweise von Maybritt Illner und ihrem Telekom-René sowie Michelle und Cara, die sich laut "Bild"-Unterschrift "ripsi-rapsi hinten reiben" und beide "dringend mal wieder einen Herrn brauchen, der sie wirklich herausfordert". Dann aber schaut der Zeitungsbetrachter - womöglich unbewusst - ins Leere, weil der Weißraum auf den Seiten vergrößert wurde. Ja, während andere Blätter um die kleinsten kosmetischen Änderungen ein Riesen-Bohei machen, hat sich "Bild"' Anfang der Woche ripsi-rapsi einem Facelifting unterzogen, das sogar eine neue Titelschrift einschließt. Die heißt "Escrow", was soviel wie Treuhand bedeutet, und sieht dementsprechend seriös aus. Grafiker sprechen von einer Serifenschrift, das heißt, die Buchstaben haben an allen Ecken und Enden kleine Häkchen und Füßchen, während die serifenlosen Schriften kahl und nüchtern wirken.

    Nun dient ein Facelifting normalerweise der optischen Verjüngung, hier aber hat man sich bei Springer interessanterweise für einen Rücksprung in die Vergangenheit entschieden. Die "Bild"-Zeitung sieht seit Montag ein paar Jahrzehnte älter aus; man erwartet eigentlich Artikel über die Knef oder die Nitribitt. Wenn da eben bloß nicht der viele Weißraum wäre! Denn die Ideologie der Augenfreundlichkeit unbedruckter Flächen, die gab es damals noch nicht. Damals wurden die Seiten so extrem voll gepackt, dass man schon wegen der Nutzungsdichte eine Vorstellung vom Materialwert des Papiers bekam. Aus dieser drangvollen Enge entstand aber auch jene besondere Revolverblatt-Ästhetik, die im dramatischen Gegeneinander verschiedener Schrifttypen, -größen und -dicken bestand, in einem spannungsreichen Mix der Gegensätze. Die neue Aufmachung der größten deutschen Tageszeitung hingegen kombiniert das altbacken Alte mit dem harmlos Modernen. Das Ziel der optischen Überarbeitung sei es gewesen, die Zeitung klarer, leichter und damit noch lesefreundlicher zu machen, sagt die Art-Direktorin von "Bild", Veronika Illmer. Leider verrät schon die Sprache, was dabei herausgekommen ist: Die Zeitung sieht vor allem langweiliger aus.