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Zurück ins 18. Jahrhundert

Die Isola Bella gilt als Schönste unter den borromäischen Inseln im Lago Maggiore. Über mehr als dreihundert Jahre hinweg hat sich hier die Fürstenfamilie Borromeo ein unvergleichliches Denkmal gesetzt. Die Insel beherbergte auch immer eine exquisite Gemäldesammlung, die jedoch lange Zeit fast nur der Familie zugänglich war. Seit kurzem ist der verborgene Schatz des Palazzo Borromeo für die Öffentlichkeit zugänglich.

Von Thomas Migge |
    Vom Ufer bei Stresa sieht sie aus wie ein eigentümliches bewachsenes Schiff: terrassenförmig, mit hohen Bäumen und einem riesigen Palast. Die kleine Insel wurde in den letzten 400 Jahren fast vollständig umgeformt und präsentiert sich heute mit einem der schönsten barocken Gärten Italiens und einer der prächtigsten Residenzen in ganz Norditalien. Auf der Insel lebt seit dem 16. Jahrhundert die Familie Borromeo, eines der ältesten Adelsgeschlechter Italiens. Das Familienmotto lautet "Humilitas", doch von Bescheidenheit ist in der Palastanlage keine Spur.

    Der Palazzo ist privat. Nur der Park und einige wenige Prunksäle durften bislang gegen Zahlung von Eintritt besucht werden. Die berühmte, "Sale Berthier" genannte Privatgalerie der Fürsten Borromeo war bis vor kurzem ebenfalls "off limit"; sehr zum Leidwesen von Kunstfreunden. Jetzt steht diese Gemäldesammlung allen offen, erklärt der für die Restaurierung mitverantwortliche Kunsthistoriker Alessandro Morandotti:

    "Es ist eigentlich unvorstellbar, dass die nach dem napoleonischen General Louis-Alexandre Berthier benannten Säle des Palastes auf der Isola Bella, er hatte dort als Gast des Fürsten geschlafen, für das Publikum unzugänglich waren. Denn hier hängen an den Wänden Meisterwerke italienischer Künstler wie Tizian und Correggio, von Guido Reni, Paris Bordon und den Meister der lombardischen Schule des 17. Jahrhunderts."

    Gemälde, die - dicht an dicht, wie es für eine barocke Kunstsammlung üblich war - an den mit altem hellrotem Damast bespannten Wänden hängen; bis unter die hohen und mit restaurierten chromatischen Stukkaturen ausgeschmückten Deckengewölbe.
    Alessandro Morandotti:

    "In der kunstgeschichtlichen Forschung ist immer wieder die Rede von dieser Galerie, aber nur gekrönte Häupter, Staatspräsidenten und einige wenige Kunsthistoriker bekamen sie zu sehen. Die Sammlung umfasst rund 200 Gemälde, vom späten 15. bis ins 18. Jahrhundert. Als die Borromeos mit dem Sammeln begannen hatten sie ein präzises und ehrgeiziges Ziel: Sie wollten die Gemäldesammlung von König Franz I. in Fontainebleau in den Schatten stellen, die zu ihrer Zeit als die wichtigste überhaupt galt."

    Die Galerie ist in einem Seitenflügel des Palastes untergebracht, Richtung Stresa, der 1677 von dem Baumeister Andrea Bitti fertig gestellt wurde. Die vor wenigen Monaten abgeschlossenen aufwendigen Restaurierungsarbeiten haben diesen Gebäudeflügel nun wieder in seine alte Pracht zurückversetzt. Spätere architektonische Hinzufügungen vor allem aus dem 19. Jahrhundert sind entfernt worden. Dem Besucher wird so eine für das späte 17. und frühe 18. Jahrhundert typische lombardische Adelsresidenz präsentiert; mit zahllosen kostbaren Möbeln und Einrichtungsständen.

    Die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Gemäldesammlung war nur dank eines Ölbildes möglich, erläutert die Restauratorin Carlotta Beccaria:

    "Kein anderer Künstler hat uns ein so präzises Bild von dem originalen Aussehen der Galerie im frühen 18. Jahrhundert hinterlassen wie Luigi Ashton, der von 1824 bis 1884 lebte. Seine Darstellung zeigte uns genau, wo welches Bild hing und welche Farbe die Stoffverkleidungen der Wände hatten. Nur so konnten wir das Ambiente haargenau rekonstruieren und so eine Idee von der Sammelleidenschaft eines italienischen Fürsten haben."

    Originalgetreu erhaltene oder rekonstruierte Fürstengalerien gibt es in Italien nicht mehr viele. Zwei sind es nur noch in Rom, die Sammlung Colonna und Doria Pamphili.

    Neben der Kunstsammlung der Familie Borromei sind auch der Thron- und der Saal der Königin jetzt endlich für Besucher zugänglich. Räumlichkeiten, die in ihrer restaurierten architektonischen und künstlerischen Pracht, mit Gemälden, alten Möbeln und Stoffen, in nichts europäischen Königspalästen nachstehen.