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Zurück zu Ordnung und Disziplin

An einer Sekundarschule in Berlin herrschen strenge Regeln. Wer hier zur ersten Stunde zu spät kommt, muss klingeln und darf erst zur nächsten Stunde in den Unterricht. Das strenge Konzept kommt bei Schülern und Eltern an.

Von Claudia van Laak | 18.01.2012
    7 Uhr 25. Michael Rudolph ist wie immer seit fünf Uhr in seiner Schule, hat den Geschirrspüler ausgeräumt und Kaffee für die Kollegen gekocht. Jetzt steht er – immer korrekt mit Krawatte und Jackett, die Hände hinter dem durchgedrückten Rücken verschränkt - vor der Freitreppe der Friedrich-Bergius-Schule und begrüßt seine Schülerinnen und Schüler.

    "Guten Morgen, guten Morgen"

    Um 7 Uhr 30 klingelt es noch einmal - Unterrichtsbeginn. Jetzt schließt der Hausmeister die Tür. Wer auch nur eine Minute zu spät kommt, muss klingeln und darf nicht mehr in den Unterricht.

    "Derjenige wartet, bis die erste Stunde vorbei ist, und geht dann in die nächste Stunde pünktlich. Und in der Zeit, in der er wartet, sitzt er nicht gemütlich im Warmen, womöglich noch auf einer Couch, sondern geht einer kleinen Tätigkeit nach, um zu lernen, in den nächsten Tagen wieder pünktlich zu erscheinen."

    Hausmeister Frank Wernicke hat bereits die vorbereiteten Formulare gezückt, drückt sie jetzt zwei Zuspätgekommenen in die Hand. Abzeichnen müssen der Lehrer und die Eltern.

    "Ausfüllen, ihr wisst ja, wie das geht, und dann habe ich eine schöne Arbeit für euch. Da ist ein Regal, das hab ich umgestellt, und da macht ihr die Bücher wieder rein, ordentlich einräumen, okay?"

    Um sieben Uhr hatte Schulleiter Michael Rudolph bereits den ersten Termin mit zwei Schülern in seinem Büro. An der Wand ein Foto von Bundespräsident Wulff, dazu die Europa-, Deutschland- und Berlinflagge vor einer beeindruckenden Bücherwand mit historischer Literatur. Die beiden Neuntklässler Falko und Shirin haben um ein Gespräch gebeten.

    "Ich und meine Freundin haben einen Tag in der Schule gefehlt, und deshalb wollten wir mit ihnen sprechen, weil Frau Pehlmann zu uns meinte, wir dürfen die Arbeit nicht nachschreiben, weil unsere Eltern nicht in der Schule angerufen haben und weil wir keine Unterschrift unter dem Entschuldigungszettel haben. Und da wollten wir fragen, was man da machen kann. Weil die Arbeit uns sehr wichtig ist und wir keine Sechs haben wollen."

    Was möchtet ihr denn mal werden?, fragt Schulleiter Rudolph. Und: Was würde euer Chef sagen, wenn ihr unentschuldigt fehlt? Falko und Shirin rutschen unruhig auf dem Stuhl hin und her. Sie bekommen die Aufgabe, den Vorfall aufzuschreiben und ihr Fehlverhalten einzugestehen. Danach wird Michael Rudolph entscheiden, ob sie die Arbeit nachschreiben dürfen oder ob sie eine Sechs bekommen. Falko nickt.

    "Manchmal tut die Strenge schon gut. Sie sehen ja meine Akte da drüben, und die ist nicht grad dünn, aber jetzt bin ich besser geworden in der Schule, vorher nur Fünfen, jetzt Zweien und Dreien, hat mir schon was gebracht."

    Die Regeln an der Friedrich-Bergius-Schule sind nicht nur allen klar. Viel wichtiger: Sie werden auch durchgesetzt. Wer mehrfach gegen eine Regel verstößt, wer zum Beispiel Kaugummi kaut oder mit dem Handy erwischt wird, darf morgens um 6.30 Uhr den Müll vor der Schule einsammeln oder Laub harken.

    "Das ist mir sehr wichtig, dass wir das nicht als Strafe sehen, sondern wir sehen das als Zuwendung dem Schüler gegenüber. Denn die Alternative wäre nichts zu tun. Und das wäre katastrophal, denn der Schüler würde in seinem Fehlverhalten stehen bleiben und würde in seinem weiteren Leben großen Schaden erleiden."

    Vor sieben Jahren drohte der Bergius-Schule die Schließung. Sie hatte einen schlechten Ruf, auf drei freie Plätze kam nur eine Anmeldung. Der neue Schulleiter Michael Rudolph setzte auf die Sekundärtugenden und brachte so den Wandel. Im letzten Schuljahr war der Andrang so groß, dass eine weitere Klasse aufgemacht werden musste.

    Tag der offenen Tür gestern an der Friedrich-Bergius-Schule. Die Aula platzt aus allen Nähten, der Schulchor singt, zwei Breakdancer wirbeln über die Bühne, Michael Rudolph erläutert, was er von den neuen Schülern erwartet: Pünktlichkeit, Ordnung, Disziplin, Leistung. Die Eltern finden das gut.

    "Wir haben zuhause auch Regeln, und wer nicht früh genug lernt, sich an Regeln zu halten, kommt schlecht durchs Leben, deshalb legen wir da großen Wert drauf."

    "Das finde ich gut, die Kinder brauchen ein bisschen Struktur."

    "Finde ich korrekt, Pünktlichkeit ist wichtig, Disziplin ist wichtig."

    "Das hat schon seine Richtigkeit, es muss schon eine bestimmte Disziplin herrschen, sonst wird´s chaotisch."

    Nur die Eltern und Kinder mit Kaugummi im Mund sind ein wenig irritiert. Ihnen wird bei der Begrüßung nämlich unmissverständlich der Papierkorb gezeigt – die Schulregeln gelten für alle, auch beim Tag der offenen Tür.