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Zurück zum Dialog

In der Diskussion um das umstrittene Konzeptpapier "Sicheres Stadionerlebnis", dass von der Deutschen Fußball-Liga ohne Beteiligung der Fans entwickelt wurde, haben Vertreter von 49 Vereinen der ersten bis vierten Liga bei einem Treffen in Berlin einen Neuanfang gefordert. Eingeladen hatten die Fans des Zweitligisten 1. FC Union, der als einziger Verein nicht an der Sicherheitskonferenz der 54 deutschen Profiklubs im Juli teilgenommen hatte. Das Fernbleiben begründete der Vorstand damit, dass man über die Inhalte der Sitzung vorher nicht mit der eigenen Fanszene diskutieren konnte.

Von Thomas Wheeler |
    Schon der Ort des Fantreffens vermittelte eine gewisse Aufbruchstimmung. Denn die Vertreter von 49 Vereinen der ersten bis vierten Liga trafen sich im VIP-Zelt des 1. FC Union Berlin. Dort, wo bei Heimspielen des Zweitligisten normalerweise nur Sponsoren und Fans mit mehr Geld Zutritt haben, kamen diesmal also Fußball-Anhänger zusammen, deren Heimat sonst die Stehplatzränge der Stadien sind. Unter den insgesamt 250 Teilnehmern war auch Joachim Ranau, Fanbeauftragter des Hamburger Sportvereins. Er begrüßte die Initiative der Union-Fans zu dieser Veranstaltung.

    "Das ist eine großartige Idee. Man könnte fast annehmen, das ist viel zu spät. Man sollte eigentlich solche Gipfel um solche Themen veranstalten, bevor es irgendwelche Papiere und Beschlüsse gibt."

    Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte, sieht in dem Treffen auch eine Chance, dass Fans trotz Rivalitäten durch ein gemeinsames Anliegen an einem Strang ziehen:

    "Es hat `ne ganz große Bedeutung einerseits für die Fußballfans, dass sie merken, dass es sich lohnt, vereinsübergreifend zu arbeiten. Dass sie auch merken, dass sie nicht allein mit ihren Sorgen und mit ihrer Kritik sind. Sondern, daß es von vielen anderen auch getragen wird. Und dass sie sehen, dass wenn man gemeinsam konstruktiv an ´ner Sache arbeitet, dass man dann auch Chance hat, Dinge zu verändern, die man verändern will."

    Zurück zum Dialog, das ist die Botschaft, die von der Tagung an die Deutsche Fußball-Liga und den DFB ausgeht.

    "Man kann das Problem nur gemeinsam mit den Fans lösen, die wollen mitgenommen werden, die wollen sich auch konstruktiv und verantwortungsvoll miteinbringen, und das liegt tatsächlich am Fußball, dieses Angebot anzunehmen."

    Das bisherige Sicherheitskonzept dürfe keine Diskussionsgrundlage mehr sein, so die überwiegende Meinung der Vertreter. Stattdessen forderten sie einen Neuanfang und die Bildung einer Arbeitsgruppe, die paritätisch besetzt ist. Die Vereine wurden aufgefordert ihre präventive Arbeit zu verstärken und mehr Mittel für die Fanbetreuung bereit zu stellen.

    "Wir müssen realisieren, daß es viele junge Menschen sind, die in die Kurven gehen, die aus ihrer Perspektive dem Verein ganz viel Zeit, Lebenszeit geben, und für die der Verein eine große Bedeutung hat. Der Verein profitiert davon, und die jungen Leute erwarten natürlich aufgrund dieses Engagements auch mindestens mal `ne Wahrnehmung, ´ne Wertschätzung dessen, was sie da tun."

    Der HSV-Fanbeauftragte Ranau wehrte sich gegen Behauptungen von Politikern, dass es derzeit einen Anstieg der Fan-Gewalt in Deutschland gebe:

    "Ich bin seit 1991 in der Fanarbeit, und ich kann Ihnen sagen, daß in den neunziger Jahren, was das Thema Gewalt insbesondere in den Stadien und um die Stadien schon erheblich schlimmer war, als es heutzutage war."

    Die Kritik der Fans ist bei der Deutschen Fußball-Liga angekommen. DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig gab sich bemerkenswert selbstkritisch und räumte Fehler beim Positionspapier "Sicheres Stadionerlebnis" ein. Die Zeit von Befehl und Gehorsam sei vorbei. Jetzt gelte es gemeinsam etwas zu erarbeiten. Wenn es die DFL ernst meint, reichen kleine Korrekturen am jetzigen Konzept nicht aus, um die Sicherheitsmaßnahmen wie geplant am 12. Dezember zu beschließen.