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Zurück zum Medizinertest

Hochschulen können sich ab dem kommenden Wintersemester in zentralen NC-Fächern erstmals 60 Prozent ihrer Studenten selbst aussuchen – wenn sie es möchten. Die Universität Leipzig möchte und hat sich deshalb in der Abteilung Humanmedizin zu einem Studierfähigkeitstest entschlossen. Mehr als 250 Bewerber wollten ihr Glück versuchen.

Von Sven Näbrich |
    Kurz nach 15 Uhr ist es endlich soweit. Die Türen des Hörsaals im Carl-Ludwig-Institut öffnen sich und die jungen Studienanwärter strömen nach draußen ins Freie. Den meisten steht noch immer die Anspannung der vergangenen 90 Minuten ins Gesicht geschrieben. Doch viele sehen auch erleichtert aus. In ersten Gesprächen tauscht man sich über die Ergebnisse aus:

    "Keine Ahnung, also ich denke schon, dass einige Teile ganz gut gelaufen sind."

    "Ich habe eher ein schlechtes Gefühl. Ich glaube nicht, dass es gereicht hat."

    "Das, was gefragt wurde teilweise - ich weiß nicht, ob das unbedingt Vorraussetzung ist für das, was jetzt studiert wird… aber die werden schon ihre Gründe haben, warum sie es so machen."

    Die Leipziger Hochschulmediziner haben sich für einen schriftlichen Studierfähigkeitstest entschieden. Davon erhoffen sie sich eine zuverlässige Auswahl an hochkarätigen Studenten. Das Verfahren biete ein einheitliches objektives Instrumentarium und nutze die besten Methoden des alten Medizinertestes, so Andreas Hinz von der Uni Leipzig. Damit sei der Test klar im Vorteil gegenüber subjektiveren Auswahlverfahren wie etwa Auswahlgesprächen – denn auch die stünden als Möglichkeit offen. Doch kaum einer könne die dafür notwendigen standardisierten Interviews auch durchführen, so Hinz. Der 49-jährige Privatdozent für Medizinische Psychologie beschäftigt sich seit Jahren mit Tests und Testverfahren und hat den Studierfähigkeitstest mit zusammengestellt:

    "Der Test hat gewisse Ähnlichkeiten mit Intelligenztests. Es werden verschiedene Aufgaben vorgegeben und hier typischerweise in der Form, dass ein gewisser Text vorgestellt wird, der irgendeinen medizinisch interessanten Sachverhalt beschreibt und die Bewerber haben die Aufgabe aus diesen Informationen, die sie dort gelesen haben, korrekte Schlussfolgerungen zu ziehen."

    Der Test soll das medizinisch-naturwissenschaftliche Grundverständnis der Studienaspiranten überprüfen. Dazu ist streng genommen kein Grundwissen erforderlich, da alle notwendigen Vorgaben bereits in den Fragestellungen enthalten sind. So soll ein Patient eine bestimmte Menge an Energie, gemessen in Broteinheiten, zu sich nehmen – ein Fünftel davon in Kohlehydraten. Die Frage ist, wie viele Broteinheiten dafür notwendig sind. Fünf Antworten sind vorgegeben, nur eine ist richtig. So soll die geistige Beweglichkeit und der Umgang mit Zahlen, Größen und Einheiten überprüft werden. Weiterhin wird das Textverständnis untersucht sowie die Fähigkeit, Diagramme und Tabellen richtig zu analysieren. Der Studierfähigkeitstest lehnt sich damit stark an den alten Medizinertest an. Der wurde übrigens 1997 abgeschafft, einfach, weil die Bewerberzahlen sanken. Starke Selektion schien nicht mehr nötig. Doch inzwischen werden viele Unis von Bewerbern für ein Medizinstudium geradezu überschwemmt: Allein an der Uni Leipzig bewarben sich 16 mal so viele Leute, wie es Studienplätze gibt. 170 von 379 Studienplätzen vergibt die Uni Leipzig über das hochschulinterne Auswahlverfahren. Der Medizinertest sei dazu ein probates Mittel, glaubt Andreas Hinz:

    "Dieser Medizinertest ging ja über viele Jahre und ist auch intensiv beforscht worden. Welche Teile da wirklich tauglich sind und welche man eher weglassen kann und wir haben uns auf die aussagekräftigsten bezogen. Von daher bin ich optimistisch, dass wir mit diesem Test nicht schlechter liegen als diejenigen Unis, die sich allein auf die Abiturzensur zurückziehen und auch nicht schlechter liegen als die, die sich alternative Verfahren ausgedacht haben."

    In Leipzig erhofft man sich nun durch die Kombination von Abiturnote und Studierfähigkeitstest geringere Abbrecherquoten und eine möglichst effiziente Lehre. Der Test soll aufzeigen, welche Bewerber den schwierigen Anforderungen eines Medizinstudiums am besten gewachsen sind. Dass man damit nicht automatisch gute Mediziner herausfiltert, darüber ist sich auch Andreas Hinz im Klaren:

    "Es ist kein Test, der testet, ob jemand mal ein guter Arzt oder eine gute Ärztin wird. Wie will man einschätzen, ob jemand nach fünf, sechs Jahren Studium ein guter Arzt ist oder nicht. Was man leichter feststellen kann ist, ob jemand nach zwei Jahren gut durch die ärztliche Vorprüfung kommt oder nicht. Und der Test wird in erster Linie diejenigen Studierenden, potentiell Studierenden rausfischen, die in der Lage sind, diese Hürde erstmal zu nehmen."