Fischer: Ist das auch das Eingeständnis einer verfehlten SPD-Bildungspolitik?
Lemke: Ich denke, dass wir die Ziele, die wir uns in den letzten Jahrzehnten gesetzt haben, eindeutig nicht erreicht haben. Das belegt der PISA-Test ganz eindeutig, und da hier ausschließlich sozialdemokratische Bildungssenatorinnen und -senatoren die Verantwortung gehabt haben, ist es richtig, wenn wir sagen: Wir haben dafür die Verantwortung zu tragen, dass wir unsere Ziele, den Kindern aus benachteiligten Familien eine größere Chancengerechtigkeit zu bieten, nicht erreicht haben, und hier müssen wir umsteuern, um das unbedingt zu erreichen, was wir den Menschen in unserem Land immer als unsere Zielsetzung gesagt haben.
Fischer: Was bedeuten Ihre Vorschläge für das Reformprojekt Gesamtschule, das bisher auch mit viel Stolz betrachtet wurde, nach Meinung vieler Experten aber landläufig als gescheitert gilt, weil die schlechteren Schüler die besseren sozusagen nach unten anstatt nach oben ziehen?
Lemke: Das stand überhaupt nicht zur Diskussion. Der gesamte Bereich unserer integrierten Stadteilschulen und Gesamtschulen wird durch unsere Vorhaben gestärkt, und zwar deswegen, weil wir an drei von sieben Standorten eine gymnasiale Oberstufe andocken, das heißt wir nehmen Schüler, die die Leistung nach der zehnten Klasse erbringen, mit den Schülern, die sehr gute Realschulleistungen haben oder mit denen, die das durchgängige Gymnasium verlassen, auf, um im Rahmen einer möglichen Durchgängigkeit möglichst die Schulwechsel, die wir im Augenblick haben und als ausgesprochen störend für eine gute Leistungsentwicklung empfinden, zu reduzieren.
Fischer: Was haben Sie noch vor?
Lemke: Es beginnt im Elementarbereich. Dort gibt es Sprachstandserhebungen bereits bei Vierjährigen in Absprache mit der Kollegin im Jugend-Ressort. Wenn wir die Sprachstanderhebungen gemacht haben, ziehen wir Konsequenzen. Wir fördern in Kleinstgruppen die sprachliche Förderung im Vorschulbereich. Wir stärken die Grundschulen massiv. Kinder, die mit Sprachstand 'Deutsch Null' bei uns ankommen, kommen in gesonderte Kleingruppen und werden zunächst einmal sprachlich fit gemacht, dass sie dem Unterricht in den Regelklassen folgen können. Wir machen ganz gezielte Förderangebote. Allerdings machen wir auch Vergleichstests in der dritten, sechsten und neunten Klasse, um die Schülerinnen und Schüler jeweils besser vorzubereiten, die Standards zu setzen, so wie sie bundeseinheitlich gelten, und das machen wir mit sehr viel mehr Kontrollmechanismen, als wir das in den vergangenen Jahren gemacht haben. Fördern statt auslesen, mehr Jugendliche zu höheren Bildungsabschlüssen kommen zu lassen, da haben wir in den letzten Jahren nicht den Erfolg gehabt, den wir uns gewünscht haben, da wird jetzt umgesteuert.
Fischer: Sie wollen mehr Leistung. Besonders prekär aber in den Ohren der ehemaligen Reformer in Ihrem Land klingt ja wohl die Forderung, Eltern von Schülern, die häufig den Unterricht schwänzen, das Kindergeld zu kürzen. Ist das nicht ein bisschen populistisch sozusagen in Richtung auf Herrn Schill aus dem Nachbarsstaat gedacht?
Lemke: Nein, ich glaube, dass wir uns daran orientieren müssen, wie die Situation heute in den Schulen in Bremen ist. Ich kann jetzt nur für mein Bundesland sprechen. Die Zahlen der Schulschwänzer - das heißt neudeutsch bei uns 'Schulvermeider', ganz vornehm - ist so dramatisch hoch. Es kann nicht angehen, dass uns die Eltern die Kinder entziehen, sie tagelang, wochenlang, monatelang und jahrelang aus den Schulen fernhalten, ohne dass die Schulen konkrete Sanktionsmöglichkeiten haben. Ich will für diese Kinder aus benachteiligten Familien mich einsetzen und dafür kämpfen, dass sie anschließend einen Ausbildungsplatz bekommen. Wie kann ich mich aber für sie einsetzen, wenn sie vorher monate- und jahrelang nicht zur Schule gegangen sind? Eltern, die ihre Kinder während der schulischen Ausbildung in andere Länder schicken - und das passiert leider bei uns -, müssen erfahren, dass der Staat mit Sanktionen drohen kann. Und wenn nichts anderes geht, erst dann, als allerschwerwiegendste Maßnahme, und das wollen wir bitteschön überprüfen lassen. Aber ich bin nicht ruhig und sehe weiter zu, dass wir Tausende von Jugendlichen Schulschwänzern in unserem Land haben, wo diese Eltern überhaupt nicht bereit sind, mit den Lehrern darüber zu sprechen.
Fischer: Vielen Dank für das Gespräch.
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Lemke: Ich denke, dass wir die Ziele, die wir uns in den letzten Jahrzehnten gesetzt haben, eindeutig nicht erreicht haben. Das belegt der PISA-Test ganz eindeutig, und da hier ausschließlich sozialdemokratische Bildungssenatorinnen und -senatoren die Verantwortung gehabt haben, ist es richtig, wenn wir sagen: Wir haben dafür die Verantwortung zu tragen, dass wir unsere Ziele, den Kindern aus benachteiligten Familien eine größere Chancengerechtigkeit zu bieten, nicht erreicht haben, und hier müssen wir umsteuern, um das unbedingt zu erreichen, was wir den Menschen in unserem Land immer als unsere Zielsetzung gesagt haben.
Fischer: Was bedeuten Ihre Vorschläge für das Reformprojekt Gesamtschule, das bisher auch mit viel Stolz betrachtet wurde, nach Meinung vieler Experten aber landläufig als gescheitert gilt, weil die schlechteren Schüler die besseren sozusagen nach unten anstatt nach oben ziehen?
Lemke: Das stand überhaupt nicht zur Diskussion. Der gesamte Bereich unserer integrierten Stadteilschulen und Gesamtschulen wird durch unsere Vorhaben gestärkt, und zwar deswegen, weil wir an drei von sieben Standorten eine gymnasiale Oberstufe andocken, das heißt wir nehmen Schüler, die die Leistung nach der zehnten Klasse erbringen, mit den Schülern, die sehr gute Realschulleistungen haben oder mit denen, die das durchgängige Gymnasium verlassen, auf, um im Rahmen einer möglichen Durchgängigkeit möglichst die Schulwechsel, die wir im Augenblick haben und als ausgesprochen störend für eine gute Leistungsentwicklung empfinden, zu reduzieren.
Fischer: Was haben Sie noch vor?
Lemke: Es beginnt im Elementarbereich. Dort gibt es Sprachstandserhebungen bereits bei Vierjährigen in Absprache mit der Kollegin im Jugend-Ressort. Wenn wir die Sprachstanderhebungen gemacht haben, ziehen wir Konsequenzen. Wir fördern in Kleinstgruppen die sprachliche Förderung im Vorschulbereich. Wir stärken die Grundschulen massiv. Kinder, die mit Sprachstand 'Deutsch Null' bei uns ankommen, kommen in gesonderte Kleingruppen und werden zunächst einmal sprachlich fit gemacht, dass sie dem Unterricht in den Regelklassen folgen können. Wir machen ganz gezielte Förderangebote. Allerdings machen wir auch Vergleichstests in der dritten, sechsten und neunten Klasse, um die Schülerinnen und Schüler jeweils besser vorzubereiten, die Standards zu setzen, so wie sie bundeseinheitlich gelten, und das machen wir mit sehr viel mehr Kontrollmechanismen, als wir das in den vergangenen Jahren gemacht haben. Fördern statt auslesen, mehr Jugendliche zu höheren Bildungsabschlüssen kommen zu lassen, da haben wir in den letzten Jahren nicht den Erfolg gehabt, den wir uns gewünscht haben, da wird jetzt umgesteuert.
Fischer: Sie wollen mehr Leistung. Besonders prekär aber in den Ohren der ehemaligen Reformer in Ihrem Land klingt ja wohl die Forderung, Eltern von Schülern, die häufig den Unterricht schwänzen, das Kindergeld zu kürzen. Ist das nicht ein bisschen populistisch sozusagen in Richtung auf Herrn Schill aus dem Nachbarsstaat gedacht?
Lemke: Nein, ich glaube, dass wir uns daran orientieren müssen, wie die Situation heute in den Schulen in Bremen ist. Ich kann jetzt nur für mein Bundesland sprechen. Die Zahlen der Schulschwänzer - das heißt neudeutsch bei uns 'Schulvermeider', ganz vornehm - ist so dramatisch hoch. Es kann nicht angehen, dass uns die Eltern die Kinder entziehen, sie tagelang, wochenlang, monatelang und jahrelang aus den Schulen fernhalten, ohne dass die Schulen konkrete Sanktionsmöglichkeiten haben. Ich will für diese Kinder aus benachteiligten Familien mich einsetzen und dafür kämpfen, dass sie anschließend einen Ausbildungsplatz bekommen. Wie kann ich mich aber für sie einsetzen, wenn sie vorher monate- und jahrelang nicht zur Schule gegangen sind? Eltern, die ihre Kinder während der schulischen Ausbildung in andere Länder schicken - und das passiert leider bei uns -, müssen erfahren, dass der Staat mit Sanktionen drohen kann. Und wenn nichts anderes geht, erst dann, als allerschwerwiegendste Maßnahme, und das wollen wir bitteschön überprüfen lassen. Aber ich bin nicht ruhig und sehe weiter zu, dass wir Tausende von Jugendlichen Schulschwänzern in unserem Land haben, wo diese Eltern überhaupt nicht bereit sind, mit den Lehrern darüber zu sprechen.
Fischer: Vielen Dank für das Gespräch.
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