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Zusammenarbeit mit Springer
Gabor Steingart wird Medienkapitän

Gabor Steingart, vor nicht ganz zwei Jahren mit viel Medienecho als Herausgeber des Handelsblattes abgelöst, hat große Pläne. Mit Newsletter und Podcast ist der Journalist gestartet, nun expandiert er weiter – und hat renommierte und finanzstarke Mitstreiter gefunden.

Von Brigitte Baetz | 08.05.2019
Der Journalist Gabor Steingart
Einer der Männer, für die die Bezeichnung Alpha-Journalist erfunden wurde: Gabor Steingart (picture alliance / dpa / Jörg Carstensen)
"Einen schönen guten Morgen allerseits, mein Name ist Gabor Steingart und wir starten jetzt gemeinsam in diesen neuen Tag."
Pro Woche rund 400.000 Mal wird der werktägliche Podcast Morning Briefing heruntergeladen, unter anderem über eine eigene Morning-Briefing-App. Das sind geschätzt 80.000 regelmäßige Hörer, die sich allmorgendlich von Gabor Steingart über Politik, Wirtschaft und die New Yorker Börse informieren lassen.
Seitdem der Journalist nicht mehr Teil des Handelsblatt-Verlages ist, hat er sich als eigene Marke im Netz positioniert – über den täglichen Newsletter zum Lesen, mit dem er schon zu Handelsblatt-Zeiten mit Mut zur dezidierten Meinung für öffentliche Debatten sorgte und sich eine treue Leserschaft aufbaute, und seit gut einem Jahr zusätzlich mit eben jenem Podcast. Warum aber setzt Steingart auf ein Audioformat, wo er doch bislang eine Karriere im Printbereich gemacht hat?
"Ja, weil ich glaube, dass das eine neue, für Deutschland neue mediale Innovation, Idee ist, die Menschen anspricht und in ihr Mediennutzungsverhalten von heute hinein passt. Non-linear, dann hören und sich informieren zu können, wann man wirklich möchte. Also ist ein Stück Freiheit. Hätte ich früher nicht gedacht, habe das aber in den USA so kennen gelernt, sehe die Wahnsinnserfolge vieler Podcaster in den USA, insbesondere natürlich The Daily von der New York Times, und denke, dass das in Deutschland…wir sind reif dafür."
Reporter, Chefredakteur, Unternehmer
Gabor Steingart ist einer dieser Männer, für die die Bezeichnung Alpha-Journalist erfunden wurde. Von seinen guten Kontakten zehrt auch das Morning Briefing: die Häuptlinge der Wirtschaft, aber auch die der Politik geben sich an Steingarts Mikrofon bzw. Telefon die Klinke in die Hand.
"Guten Morgen, Sigmar Gabriel. Guten Morgen, Herr Steingart."
Der 56-jährige Steingart war einst Leiter des Hauptstadtbüros des Spiegels und USA-Korrespondent, danach Chefredakteur des Handelsblattes und zum Schluss auch Herausgeber des Blattes – bis Verleger Dieter von Holtzbrinck ihn rauswarf. Er und Steingart hätten "Differenzen in wesentlichen gesellschaftsrechtlichen Fragen", ließ der Verleger damals wissen.
Der "Spiegel" wiederum schrieb, Steingart habe viel zu ehrgeizige und vor allem zu teure Digitalpläne im Verlag umsetzen wollen, Pläne, die Holtzbrinck nicht habe mittragen wollen. Danach, zunächst auf sich allein gestellt, drehte Steingart aber von Anfang an wieder an einem großen Rad. Zwanzig Mitarbeiter für einen täglichen kostenlosen Newsletter und einen eigenen Podcast, die meisten davon fest angestellt – das hört sich nach einem kompletten Verlustgeschäft an.
Springer beteiligt sich
"Na ja, je nachdem, wie man es betrachtet. Ob Sie ökonomisch fragen oder ob Sie publizistisch fragen. Der publizistische Ertrag sind dankbare Hörerinnen und Hörer, Leser und Leserinnen. Das Zweite ist: Ich betrachte es erstmal als eine Investition meinerseits in das, wie ich immer Qualitätsjournalismus verstanden habe und ihn gerne immer auch machen wollte. Und das machen wir jetzt mit diesen zwei kleinen Produkten. Dabei wird es aber nicht bleiben."
Denn Axel Springer investiert, wie gestern bekannt wurde, in Steingarts Digitalprodukte und erwirbt 36 Prozent an Steingarts Media Pioneer Publishing GmbH. Und mit Michael Bröcker, bislang Chefredakteur der Rheinischen Post, wurde ein bekannter Journalist für die neue Chefredaktion gewonnen. Das ist eine Ansage: mit einem Newsletter und einem Podcast wird sich Steingart nicht zufrieden geben, will seinem alten Arbeitgeber Dieter von Holtzbrinck möglicherweise auch zeigen, wie das Geschäft mit den Medien zukünftig laufen könnte.
Geschäftsmodell ohne Werbung und Abo-Kosten
Eine Werbefinanzierung lehnt Steingart allerdings kategorisch ab. "Ich werde, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, ein seriöses Gespräch mit meiner Leserschaft darüber zu führen haben, dass Journalismus mit Haltung auch eine Haltung auf der anderen Seite erfordert und auch Geld kostet."
Ob Steingart mit der Rückendeckung von Axel Springer diesen Sprung schaffen wird: vom kostenlosen hin zu einem kostenpflichtigen Angebot? Der Journalist und Medienunternehmer ist optimistisch – so wie er auch in seinem täglichen Podcast die Hörer immer mit positiven Worten verabschiedet.
"Es gibt keinen Grund dafür, dass wir den ganzen Tag ängstlich und verzagt sind. Die Entwicklung ist eine so eindeutig positive, dass es eben nicht sein kann, dass die Zeitungen zu häufig Teil einer Apokalypse-Industrie sind. Der Alltag spricht dagegen."