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Zusammenbruch des BAFögs?

Mit der Ost-Erweiterung der EU wird auch der Kreis der Bafög-berechtigten Studierenden größer. Bisher kann noch niemand abschätzen, was dadurch an finanziellen Belastungen auf das Bafög-System zukommen wird. "Wenn das kommt, dann brechen die nationalen Systeme zusammen", fürchtet Dieter Schäferbarthold, der ehemalige Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, also ein intimer Kenner der Ausbildungsförderung. Er arbeitet an einem Europäischen Sozialbericht, in dem die Lage der Studierenden im europäischen Hochschulraum verglichen wird.

Karl-Heinz Heinemann |
    Im Prinzip hat jeder EU-Bürger und jede Bürgerin einen Anspruch auf alle Sozialleistungen im Aufenthaltsland. Das bedeutet: Nicht nur deutsche Studierende können mit dem Bafög ins Ausland gehen, sondern umgekehrt können auch alle Studierenden aus anderen EU-Staaten das deutsche Bafög in Anspruch nehmen, wenn sie hier studieren. So sieht es jedenfalls der Europäische Gerichtshof, kurz: EuGH. Er hat schon 2001 einem jungen Franzosen Recht gegeben, der in Belgien Sozialhilfe bekommen wollte, um sein Sportstudium in Louvain-la-Neuve abschließen zu können. Der EuGH entschied gegen das belgische Sozialamt und zugunsten des Studenten: Es gebe eine Unionsbürgerschaft, aus der sein Recht auf die staatliche Förderung ableiten könne. Im November 2003 sprach der EuGH einer italienischen Studentin das Recht auf Studienbeihilfe in Österreich zu.

    Schon heute können Ausländer Bafög bekommen, dazu müssen sie nicht einmal aus der EU stammen. Aber sie oder ihre Eltern müssen mindestens sechs Monate in Deutschland gearbeitet haben. Wenn künftig das Recht auf BAföG nicht mehr an diese Bedingung geknüpft ist, sondern sich allein aus der Unions-Bürgerschaft ableitet, dann entsteht eine neue Situation, meint Dieter Schäferbarthold.

    Im Bundesbildungsministerium sieht man dem gelassen entgegen. Man werde klaglos der EuGH-Rechtssprechung folgen und jeden jungen EU-Bürger fördern, der dies beantragt. Das würde bedeuten, dass man den bisherigen gesetzlichen Vorbehalt ad acta legt, dass die Eltern oder der Studierende selbst zuvor hier gearbeitet haben müssen.

    Dieter Schäferbarthold geht es nicht um eine Abschottung gegenüber den "armen" Ländern, im Gegenteil: Wir brauchen ein gerechtes europäisches Stipendiensystem, meint er. Was nütze die Angleichung der Studienstrukturen im Bologna-Prozess, wenn ein Student in Dänemark 800 Euro Studienbeihilfe bekommt und in Lettland nicht einmal 60 Euro? Auf der Bologna-Folgekonferenz in Berlin habe man sich nur darüber verständigt, dass man Stipendien aus dem Heimatland mitnehmen könne. Doch der umgekehrte Fall ist viel brisanter.