"Wir wollen rein!"
Die Übriggebliebenen lungern da in der Schlange vor dem Arbeitsamt, sie sind der allerletzte Rest; nicht mal die abgewickelte Soziologin hat hier noch die Chance auf einen Job. Sie dealt seit kurzem mit Tupperware. Das Amt ist ohnehin geschlossen; und im Warten beginnen die Gestrandeten nach dem Moment zu suchen, in dem sie selber "kritische Masse" werden und so das ganze Gefüge der Gesellschaft sprengen könnten, die sie offenkundig nicht mehr braucht und will.
Eine starke Konstellation, wie pointenbewusst und komödiantisch auch immer Oliver Bukowskis Sprache den Gärungsprozess verpackt: erst gibt's ziemlich viel Party a la Ballermann, einigen Sex und ganz dumme Witze, schließlich Würstchen vom Grill. Plötzlich zeichnet sich sogar eine richtige kleine Liebesgeschichte ab - alternder Aussteiger trifft junge Mutter.
"9h51 - wir sind ein Paar"
Gut geht das schließlich aber auch nicht. Wie Bukowski überhaupt das Unvereinbare zusammenpfercht in der Warteschlange vor dem Amt: Kneipen-Suffkopp mit Talent zum Animateur und Russen-Mieze, Ost-Ehepaar und Geschwister-Twens, bei dem sie nur auf Männer, er auf die Revolte aus dem Underground aus ist, Junkie mit Postboten-Billig-Job und ein Poet, dessen Texte niemand haben will, die Spießer von nebenan und die alternde Nachbarin mit der Angst, den Billig-Job zu verlieren. Aber als Erinnerung an früher trägt sie noch einen (viel zu engen) Prada-Gürtel ...
Generell ist klar, dass hier (und dass in dieser stetig wachsenden sozialen Schicht der Überflüssigen!) kein homogenes Protest-Potenzial existiert - Unterschicht-Prolls vom Schlimmsten treffen auf Sensibelchen, Zyniker auf Kämpfer. Real ist dies eben (noch) kein vor-revolutionärer Zustand:
"Wann wehren wir uns?"
Wenigstens auf Bukowskis Bühne aber brennt schließlich doch und tatsächlich die Hütte.
"Das Amt wird gestürmt!"
Die Explosion im Finale hat Regisseur Sebastian Nübling allerdings in ein archaisches Ritual umzubiegen versucht; mit nackter Haut und ganz viel schwarzblauer Todesfarbe drauf. Und dazu fassen eine Kinds- und eine Selbstmörderin die letzten Konsequenzen einer Welt in schreckliche Worte, die einen Teil ihrer Bewohner längst auf den Müll geworfen hat - von toten Kindern in der Kühltruhe raunt die eine:
"Warum sind sie so nah?"
Über die dumme Masse, die immer brav zur Wahl und sich von Fernsehgesichtern einreden lässt, dass es uns doch immer besser geht, hämt die andere:
"Ihr Schweineherde!"
Dann hängt sie sich auf - und nicht mal das funktioniert. Bukowskis Text ist so komisch wie finster, zuweilen leider auch ein wenig geschwätzig und über-ulkig, insgesamt aber stark; die Inszenierung hält überwiegend mitweit - Sebastian Nübling beweist einmal mehr, dass er die Dynamik von Kollektiven gestalten kann, kleinere Durchhänger inklusive.
Auf Magda Willis leerer Bühne, einer Schräge mit weichem blauen Arbeitsamtsbüroteppichboden, schlägt sich das Hamburger Ensemble bravourös; zur Dauerberieselung mit frühlingshaft-sommerlichen Anfangstakten aus Vivaldis "Jahreszeiten", wie auf dem Bahnhof nebenan. Und nur ein Defizit bleibt, es liegt in der Logik des Theaters selbst: Ein Chor von echten Hartz-IV-Empfängern besäße einfach dieses bisschen Mehr an Wahrheit und Echtheit, das eigentlich auch hier benötigt würde, um das Publikum am entspannten Loser-Kucken zu hindern.
Aber auch so ist diese "Kritische Masse" schon ziemlich weit gekommen.
Die Übriggebliebenen lungern da in der Schlange vor dem Arbeitsamt, sie sind der allerletzte Rest; nicht mal die abgewickelte Soziologin hat hier noch die Chance auf einen Job. Sie dealt seit kurzem mit Tupperware. Das Amt ist ohnehin geschlossen; und im Warten beginnen die Gestrandeten nach dem Moment zu suchen, in dem sie selber "kritische Masse" werden und so das ganze Gefüge der Gesellschaft sprengen könnten, die sie offenkundig nicht mehr braucht und will.
Eine starke Konstellation, wie pointenbewusst und komödiantisch auch immer Oliver Bukowskis Sprache den Gärungsprozess verpackt: erst gibt's ziemlich viel Party a la Ballermann, einigen Sex und ganz dumme Witze, schließlich Würstchen vom Grill. Plötzlich zeichnet sich sogar eine richtige kleine Liebesgeschichte ab - alternder Aussteiger trifft junge Mutter.
"9h51 - wir sind ein Paar"
Gut geht das schließlich aber auch nicht. Wie Bukowski überhaupt das Unvereinbare zusammenpfercht in der Warteschlange vor dem Amt: Kneipen-Suffkopp mit Talent zum Animateur und Russen-Mieze, Ost-Ehepaar und Geschwister-Twens, bei dem sie nur auf Männer, er auf die Revolte aus dem Underground aus ist, Junkie mit Postboten-Billig-Job und ein Poet, dessen Texte niemand haben will, die Spießer von nebenan und die alternde Nachbarin mit der Angst, den Billig-Job zu verlieren. Aber als Erinnerung an früher trägt sie noch einen (viel zu engen) Prada-Gürtel ...
Generell ist klar, dass hier (und dass in dieser stetig wachsenden sozialen Schicht der Überflüssigen!) kein homogenes Protest-Potenzial existiert - Unterschicht-Prolls vom Schlimmsten treffen auf Sensibelchen, Zyniker auf Kämpfer. Real ist dies eben (noch) kein vor-revolutionärer Zustand:
"Wann wehren wir uns?"
Wenigstens auf Bukowskis Bühne aber brennt schließlich doch und tatsächlich die Hütte.
"Das Amt wird gestürmt!"
Die Explosion im Finale hat Regisseur Sebastian Nübling allerdings in ein archaisches Ritual umzubiegen versucht; mit nackter Haut und ganz viel schwarzblauer Todesfarbe drauf. Und dazu fassen eine Kinds- und eine Selbstmörderin die letzten Konsequenzen einer Welt in schreckliche Worte, die einen Teil ihrer Bewohner längst auf den Müll geworfen hat - von toten Kindern in der Kühltruhe raunt die eine:
"Warum sind sie so nah?"
Über die dumme Masse, die immer brav zur Wahl und sich von Fernsehgesichtern einreden lässt, dass es uns doch immer besser geht, hämt die andere:
"Ihr Schweineherde!"
Dann hängt sie sich auf - und nicht mal das funktioniert. Bukowskis Text ist so komisch wie finster, zuweilen leider auch ein wenig geschwätzig und über-ulkig, insgesamt aber stark; die Inszenierung hält überwiegend mitweit - Sebastian Nübling beweist einmal mehr, dass er die Dynamik von Kollektiven gestalten kann, kleinere Durchhänger inklusive.
Auf Magda Willis leerer Bühne, einer Schräge mit weichem blauen Arbeitsamtsbüroteppichboden, schlägt sich das Hamburger Ensemble bravourös; zur Dauerberieselung mit frühlingshaft-sommerlichen Anfangstakten aus Vivaldis "Jahreszeiten", wie auf dem Bahnhof nebenan. Und nur ein Defizit bleibt, es liegt in der Logik des Theaters selbst: Ein Chor von echten Hartz-IV-Empfängern besäße einfach dieses bisschen Mehr an Wahrheit und Echtheit, das eigentlich auch hier benötigt würde, um das Publikum am entspannten Loser-Kucken zu hindern.
Aber auch so ist diese "Kritische Masse" schon ziemlich weit gekommen.