Als Schiff, treibend in rauer See, wirbt die Staatsoper Hannover für sich - auf einem Plakat neuerdings. Und in den letzten fünf Jahren läuteten ja des öfteren die Sturmglocken, wenn der jetzt nach Stuttgart gewechselte Intendant Albrecht Puhlmann seine Vorstellungen von zeitgenössischem Musiktheater mit Reizwäsche-Namen wie Calixto Bieito propagierte.
Auch jetzt zur Eröffnung der neuen Spielzeit läuten Sturmglocken. Allerdings nur auf der Bühne. Mit einer Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Spätwerk "Otello" will der neue Intendant Michael Klügl Zeichen setzen für Oper, wie er sie sich denkt: anspruchsvoll, entschieden aber ohne türschlagende Abonnenten. Und vor allem "hervorragend erzählt".
Regisseur Nicolas Brieger und Bühnenbildner Hans Dieter Schaal zeigen die eröffnende Sturmszene als eine Art Jüngstes Gericht mit turbulierenden Kaimauern und vom Bühnenhimmel kopfüber herab taumelnden nackten Leibern. Die Menschen am Kai wogen durcheinander mit roten Totenlichtern. Ein durchaus magisches Bild.
Dem geht voraus eine stumme Szene in einer durch Säulenkolonnaden abgetrennten, gleichsam ins Parkett verlängerten Kirche. Jago, der Intrigant, streift da auf der Vorderbühne durch die Kirchenbänke, stößt sie um und macht aus dem Gotteshaus seinen Satansclub, wenn er später ins Weihwasserbecken pisst.
Fürs Kneipenbild sind die Kaimauer-Elemente auf die Rückseite gedreht als Theken einer etwas bemüht lasziv-trinkfreudigen Wirtshausszene. Am Ende bekommt man einen ersten Einblick ins wohl offensichtlich nicht sehr erfüllte Eheleben der Familie Otello-Desdemona.
Der venezianische Haudegen Otello ist hier kein Mohr. Brieger interpretiert diese Figur aus der ursprünglichen Bedeutung von "moro" als Sammelbezeichnung für alle edlen Wilden östlich der christlich-abendländischen Demarkationslinie - Menschen mit vor allem unkontrollierten Trieben.
Und wenn Otello von Jago ob der angeblichen ehelichen Untreue seiner Gattin Desdemona immer wuschiger gemacht ist, setzt Jago ihm - eines der von der Idee her stärkeren Bilder - den Türken-Fez wie eine Narrenkappe auf. Zu Desdemona in die Schlafkammer unterm Dach nimmt Otello statt der Peitsche den Krummsäbel mit.
Otello erstickt Desdemona in ihrem Bettlaken als vergrößertem Taschentuch. Dann schlitzt er das Laken auf und bindet die Sterbende an beiden Handfesseln wie bei einem Fememord fest an den Beichtstuhl, wo er die vermeintliche Cassio-Hure zuvor vergewaltigt hat. Mit Drastik spart auch Brieger nicht. Aber sie ist nicht so provokant, um das Publikum aus dem Theater zu vertreiben. Im Gegenteil. Am Ende gibt es starken, lang anhaltenden Beifall. Und wie man hört, erholen sich auch die Abonnentenzahlen wieder.
Die szenisch-musikalischen Leistungen sind eher gemischt. Janez Lotrič steht die mörderische Partie des Otello zwar gut durch, allerdings mit einem fast permanenten forte-fortissimo, das Zwischentöne vermissen lässt. Ganz im Gegensatz zu Jago, Brian Davis. Von Kostümbildner Jorge Jara ist er in eine Art Kaspar-Jäger-Loden gesteckt. Mit differenziertem Spiel und Gesang gibt er dieser Figur die Normalität des Bösen.
Brigitte Hahn als Desdemona ist nicht das junge unschuldig-naive Ding, sondern eine Frau, die die Liebe schon erfahren hat und der man einen Seitensprung durchaus zutraut. Wolfgang Bozic am Pult hat Chor und Orchester gut im Griff und bemüht sich um einen stimmigen Verdi-Klang.
Die Aufführung insgesamt ist nicht unbedingt ein großer Wurf. Den Zusammenprall der Kulturen - hier der venezianischen Gesellschaft mit dem islamischen Renegaten Otello als Migranten, der naiv in jede ihm aufgestellte Falle tapst -, diesen Clash macht diese Inszenierung recht deutlich.
Auch jetzt zur Eröffnung der neuen Spielzeit läuten Sturmglocken. Allerdings nur auf der Bühne. Mit einer Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Spätwerk "Otello" will der neue Intendant Michael Klügl Zeichen setzen für Oper, wie er sie sich denkt: anspruchsvoll, entschieden aber ohne türschlagende Abonnenten. Und vor allem "hervorragend erzählt".
Regisseur Nicolas Brieger und Bühnenbildner Hans Dieter Schaal zeigen die eröffnende Sturmszene als eine Art Jüngstes Gericht mit turbulierenden Kaimauern und vom Bühnenhimmel kopfüber herab taumelnden nackten Leibern. Die Menschen am Kai wogen durcheinander mit roten Totenlichtern. Ein durchaus magisches Bild.
Dem geht voraus eine stumme Szene in einer durch Säulenkolonnaden abgetrennten, gleichsam ins Parkett verlängerten Kirche. Jago, der Intrigant, streift da auf der Vorderbühne durch die Kirchenbänke, stößt sie um und macht aus dem Gotteshaus seinen Satansclub, wenn er später ins Weihwasserbecken pisst.
Fürs Kneipenbild sind die Kaimauer-Elemente auf die Rückseite gedreht als Theken einer etwas bemüht lasziv-trinkfreudigen Wirtshausszene. Am Ende bekommt man einen ersten Einblick ins wohl offensichtlich nicht sehr erfüllte Eheleben der Familie Otello-Desdemona.
Der venezianische Haudegen Otello ist hier kein Mohr. Brieger interpretiert diese Figur aus der ursprünglichen Bedeutung von "moro" als Sammelbezeichnung für alle edlen Wilden östlich der christlich-abendländischen Demarkationslinie - Menschen mit vor allem unkontrollierten Trieben.
Und wenn Otello von Jago ob der angeblichen ehelichen Untreue seiner Gattin Desdemona immer wuschiger gemacht ist, setzt Jago ihm - eines der von der Idee her stärkeren Bilder - den Türken-Fez wie eine Narrenkappe auf. Zu Desdemona in die Schlafkammer unterm Dach nimmt Otello statt der Peitsche den Krummsäbel mit.
Otello erstickt Desdemona in ihrem Bettlaken als vergrößertem Taschentuch. Dann schlitzt er das Laken auf und bindet die Sterbende an beiden Handfesseln wie bei einem Fememord fest an den Beichtstuhl, wo er die vermeintliche Cassio-Hure zuvor vergewaltigt hat. Mit Drastik spart auch Brieger nicht. Aber sie ist nicht so provokant, um das Publikum aus dem Theater zu vertreiben. Im Gegenteil. Am Ende gibt es starken, lang anhaltenden Beifall. Und wie man hört, erholen sich auch die Abonnentenzahlen wieder.
Die szenisch-musikalischen Leistungen sind eher gemischt. Janez Lotrič steht die mörderische Partie des Otello zwar gut durch, allerdings mit einem fast permanenten forte-fortissimo, das Zwischentöne vermissen lässt. Ganz im Gegensatz zu Jago, Brian Davis. Von Kostümbildner Jorge Jara ist er in eine Art Kaspar-Jäger-Loden gesteckt. Mit differenziertem Spiel und Gesang gibt er dieser Figur die Normalität des Bösen.
Brigitte Hahn als Desdemona ist nicht das junge unschuldig-naive Ding, sondern eine Frau, die die Liebe schon erfahren hat und der man einen Seitensprung durchaus zutraut. Wolfgang Bozic am Pult hat Chor und Orchester gut im Griff und bemüht sich um einen stimmigen Verdi-Klang.
Die Aufführung insgesamt ist nicht unbedingt ein großer Wurf. Den Zusammenprall der Kulturen - hier der venezianischen Gesellschaft mit dem islamischen Renegaten Otello als Migranten, der naiv in jede ihm aufgestellte Falle tapst -, diesen Clash macht diese Inszenierung recht deutlich.