Freitag, 29. März 2024

Archiv

Zuschauer-Obergrenzen im Fußball-Stadion
"Nicht erklärbar, warum wir so streng sind"

Die Clubs der Fußball-Bundesliga haben juristische Schritte gegen die Zuschauer-Obergrenze von 25.000 in Betracht gezogen. Tatsächlich gebe es gegenüber Geimpften und Genesenen "nicht mehr den Beschränkungsgrund, den wir früher angegeben haben", sagte Rechtswissenschaftler Steffen Augsberg im Dlf.

Steffen Augsberg im Gespräch mit Matthias Friebe | 29.08.2021
Fans von Arminia Bielefeld beim Spiel gegen den SC Freiburg
Fans von Arminia Bielefeld beim Spiel gegen den SC Freiburg (www.imago-images.de)
50 Prozent Auslastung, maximal 25.000 Zuschauerinnen und Zuschauer: Diese Regeln hat die Politik den Clubs der Fußball-Bundesliga und 2. Bundesliga auferlegt. Doch diese Restriktionen könnten bald fallen, denn die Bundesligaclubs bringen juristische Schritte ins Spiel.
Ob eine Klage erfolgreich sein könnte, sei schwer vorherzusagen, sagte der Rechtswissenschaftler Steffen Augsberg im Dlf. "Weil die Entscheidungen der Gerichte da auch ein bisschen unterschiedlich sind. Im Prinzip müsste man sagen: ‚Jawohl, bei Genesenen und Geimpften gibt es eine deutlich geringere Infektiosität und da ist es seit Monaten überfällig, dass wir denen gegenüber mehr Freiheiten zulassen‘. Da würde ich ein bisschen den Finger in die Luft heben wegen der Delta-Variante", so Augsberg.
Dennoch würden die aktuellen Studien besagen, dass die Infektiosität auch bei Delta bei Geimpften und Genesenen geringer sei als bei Ungeimpften. "Insofern glaube ich schon, dass man mit gutem Grund sagen kann gegenüber dieser Personengruppe gibt es tatsächlich nicht mehr den Beschränkungsgrund, den wir vorher angegeben haben."

Hamburger Modell kein gutes Vorbild

In Hamburg wir das sogenannte 2G-Modell bereits praktiziert. Veranstalter, die nur Geimpfte und Genesene zulassen, können ihr Theater, ihr Kino oder ihre Kneipe wieder komplett füllen. Für Bundesliga-Stadien sei das aber kein gutes Vorbild, sagt Augsberg. "Das Problem des Hamburger Modells ist, dass die Risikoanalyse, die eigentlich dringend erforderlich ist, nicht erfolgt, sondern man das den Privaten überlässt. Der Staat nimmt diese Entscheidung selbst nicht vor."
Fans beim Bundesliga-Auftakt 2021/22 in Stuttgart
Dürfen Ungeimpfte bald nicht mehr ins Stadion?
Die Fans sind zurück. Gleichzeitig gibt es eine hitzige Diskussion um den Plan des 1. FC Köln, ab dem zweien Heimspiel Ungeimpfte nicht mehr ins Stadion zu lassen.
Daraus würden sich laut Augsberg mehrere Probleme ergeben: "Erstens ist nicht geklärt, warum die Geimpften und Genesenen nicht mit den Ungeimpften aber Getesteten zusammengebracht werden und wo genau das große Risiko darin liegt. Das müsste man besser erklären. Und zweitens kann ich so eine komplizierte Frage nicht einfach den Privaten überantworten. Und das Dritte ist, wenn man das so macht und entsprechende Anreize setzt, drängt man die Ungeimpften in eine Position, dass sie sich impfen lassen. Und das widerspricht dem, was monatelang thematisiert wurde, dass wir keine Impfpflicht haben wollen."

"Nicht erklärbar, warum wir da so streng sind"

Ein Argument der Fußballvereine ist, dass in anderen Ländern schon viel mehr möglich sei. In Deutschland sei man im europäischen Vergleich relativ vorsichtig gewesen, so Augsberg. "Das ist eine politische Entscheidung, die am Ende des Tages überprüft werden muss. Und wir müssen dann zusätzlich immer fragen, ob diese politischen Entscheidungen auch am Maßstab des Verfassungsrechts gemessen noch hinzunehmen sind. Und da kann man tatsächlich insbesondere gegenüber den Geimpften schon die Frage stellen, ob wir nicht seit Monaten zu streng sind." Dennoch müsse man überprüfen, ob unter Delta-Bedingungen diese Argumente noch gelten. "Aber prinzipiell ist es eigentlich nicht erklärbar, dass wir da so streng sind."
Eine erfolgreiche Klage der Fußball-Verein könnte auch ein Motor sein für andere Bereiche. "Das wäre das bestmögliche Ergebnis. Der Fußball hat natürlich einerseits die politische Lobby und vielleicht andererseits auch die Finanzkraft, um das durchzusetzen", sagte Augsberg. "Ich fände eine offen ausgetragene Konstellation um einiges vorteilhafter, als das man das so ein bisschen ausklungelt und die Fußballfunktionäre auf die Politik zugeht und fragen. Das ließe sich deutlich schlechter als gesellschaftliches Vorbild verwenden. Und wir müssen aufpassen, dass wir nicht in eine solche Situation hineingeraten, in denen ein rechtsstaatliche Durchsetzung von Grundrechten nur noch als Druckmittel angesehen wird. Sondern wir gehen ja eigentlich davon aus, dass auch in der Politik selbstverständlich diese rechtsstaatlichen Zustände umgesetzt werden müssen."