" Das Entscheidende aber ist, nur mit der SPD wird es bei diesen Herausforderungen menschlich und sozial zugehen. Wir schaffen das!
Wenn Sie mich als Außenminister wollen, dann müssen Sie den Grünen wählen, die Grünen wählen. Ich rechne mit Ihnen.
Was wäre Deutschland ohne die Liberalen? Diesmal geht's um alles. Denn nur mit einer starken FDP können sie ganz sicher sein.
Der Aufschwung ist da. Dafür steht Helmut Kohl. Aufschwung für alle Menschen in Ost und West."
Zu Wahlen gehört untrennbar der Wahlkampf der Parteien und Kandidaten. Während anderswo Wahlkämpfe noch mit Fäusten und Gewehren ausgetragen werden, hat sich im Nachkriegsdeutschland ein gewaltfreier, wenn auch nicht immer freundlicher Wahlkampfstil durchgesetzt. Plakate, Kundgebungen, Anzeigen, TV- und Hörfunkspots gehören zum Handwerkszeug der Parteien. Denn es geht um Werbung. Oder in den Worten der Philosophin Hannah Ahrendt :
Politik besteht darin, Bilder zu erzeugen und andere daran glauben zu machen.
Am 27. September blühende Landschaften wählen. CDU.
Reichstag. Berlin. Vor dem Parlamentsgebäude stehen viele Hundert Menschen in einer Schlange. Sie wollen in die Glaskuppel hinaufsteigen, die einen herrlichen Rundblick über die Hauptstadt bietet. Was halten die Besucher von der aktuellen Politik, für wie glaubwürdig halten sie ihre Politiker und Parteien?
" Die sollen ihr Geld richtig verteilen, dann ist für alle genug da.
Ich denke, die wollen das nur selber alles in die Tasche reinwirtschaften, nicht, dass die jetzt irgendwie für das Volk da sind, die sind für sich selber da....Es sind nicht alle gleich schlecht, aber ich würde sagen, so 60 Prozent kann man vergessen.
Vertrauen zur Politik hab ich in jedem Fall, warum sollte man's nicht haben, man kann ja immer noch wählen.
Ich halt sie schon für misstrauenswürdig. Ja, weil die meisten Versprechen, die man macht, werden nach der Wahl nicht eingehalten werden. Das hat sich bei jeder Wahl herausgestellt."
Eine nicht-repräsentative Amateur-Umfrage. - Richard Hillmer, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts "Infas/dimap" hingegen sammelt professionell Daten über die Zufriedenheit der Bürger mit der politischen Klasse. Seine Erkenntnis:
" Was Vertrauen in die verschiedenen Institutionen anbetrifft, rangieren die Parteien derzeit nun wirklich ganz weit unten. Die Parteien haben sich selbst auch einen Gutteil zuzuschreiben dieses Images, das sie sich in den letzten Jahren erworben haben. Ob das nun die verschiedenen Skandale sind, in die einzelne Politiker involviert waren, oder ob es eben Affären der Parteien selbst waren - die Spendenaffäre ist sicher noch allen gut in Erinnerung. Das hat natürlich Glaubwürdigkeit auch gekostet. Und natürlich verbunden mit einem sehr großen Vertrauensverlust."
Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.
Dieses Bonmot stammt schon aus dem 19. Jahrhundert, von Reichskanzler Otto von Bismarck. Und wie es scheint, haben die Wahlbürger auch heute eine ähnlich nachhaltigen Eindruck. Wahlkämpfe dienen deshalb auch dazu, Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen und Sympathie zu erzeugen. Die Schaffung von Glaubwürdigkeit - ein schwieriges Geschäft, wie Felix Dorn, Medienberater der Hamburger FDP, einräumt:
" Wie zum Beispiel zur Bundestagswahl wir klar festgestellt haben, das größte Bedürfnis des Bürgers nicht in erster Linie in Richtung der Programmatik zielt, sondern in Richtung der Glaubwürdigkeit."
Berlin Kreuzberg, ein altes Fabrikgebäude direkt am Spreeufer. Hier residiert die Werbeagentur "Zum Goldenen Hirschen". Sie arbeitete bereits für einige SPD-geführte Bundesministerien. Diesmal plant sie die Wahlkampagne der Grünen:
" Mein Name ist Bernd Heusinger, ich bin Kreativ-Chef der Agentur "Zum Goldenen Hirschen" in Berlin."
Der Werbeprofi hat alle zurückliegenden Wahlkämpfe in Deutschland gründlich analysiert und dabei auch amerikanische und britische Kampagnen studiert.
Fulminante Wahlkämpfe wie etwa hier von Bill Clinton, aber auch von Tony Blair gelten allgemein zwar als wegweisend, aber: eben nicht auf deutsche Verhältnisse übertragbar.
" Eines ist definitiv nicht der Unterschied: die Personalisierung ist nicht stärker. Das kommt immer als klassischer Vorwurf oder als klassische Analyse: Ja, ja die Personalisierung wird immer stärker, und das wird alles immer amerikanisierter. Willy Brandt hat in den 70er Jahren extrem starke Willy-Wahlkämpfe geführt. Die Wahlkämpfe von Helmuth Kohl in den späten 80er und 90er Jahren waren voll auf die Person Helmut Kohl zugeschnitten."
Als sicher gilt: Es kommt bei Wahlkämpfen aller großen Parteien entscheidend auf das Spitzenpersonal an sowie dessen Fähigkeit, sich der Öffentlichkeit als kompetent, aufrichtig und sympathisch zu präsentieren. Ein Axiom, das durch demoskopische Untersuchungen gestützt wird.
" Die mediale Präsenz ist sicherlich eine noch ganz andere als noch vor 10, 20, 30 Jahren. Wir haben ja alle gesehen, welch eminente Bedeutung die beiden TV-Duelle bei der letzten Bundestagswahl hatten. Die klassischen Instrumente - der berühmte Stand auf der Straße - ist sicherlich im Vergleich dazu in den Hintergrund getreten. Der Bundeskanzler hat's ja '98 in die Worte gekleidet: Es kommt vor allem auf die Glotze und die "BILD" an. Zuletzt, 2002, waren allerdings die elektronischen Medien - nicht zuletzt wegen der beiden TV-Duelle ein Stückchen bedeutsamer."
Medienwahlkämpfe, die überragend durch das politische Spitzenpersonal geprägt werden - was nützt da noch die Kärrnerarbeit von einfachen Parteimitgliedern, die auf dem Wochenmarkt Flugblätter und Werbegeschenke verteilen? "Unverzichtbar!" - urteilt dennoch Burkhardt Müller-Sönksen, Spitzenkandidat der Hamburger FDP. Vielleicht, sagt er,
" ... ist der Infostand mit den Kugelschreibern noch ein bisschen das "Altmodische", aber absolut notwendig. Denn die Bürger wollen später die FDP, die sie in den Fernsehsendungen bekommen haben, die sie im Internet besuchen können, auch noch real anfassen...den anfassbaren Wert der Glaubwürdigkeit."
Jede Partei beschäftigt heute Werbeagenturen, und auch die Spitzenkandidaten lassen sich im Hintergrund von professionellen Medienberatern begleiten. Eine lohnende Dienstleistung, findet der Berliner Medienberater Andreas Heusinger, aber nur, wenn er und seine Fachkollegen wirklich im Hintergrund bleiben:
" Schlecht war beim letzten Bundestagswahlkampf, wie hinter Stoiber immer wie ein Dackel sein Medienberater Spreng hinterherlief und für alle sichtbar, Stoiber zur Marionette eines Medienberaters wurde. Und genau dann, wenn die Medien- oder Werbeberater eine wichtigere Rolle zu spielen scheinen als die Politiker, ist es ein schlechter Wahlkampf."
"... weniger Ähs als erwartet... Stoiber hat eine gute Figur gemacht..."
Spreng als öffentlicher Zensuren-Verteiler an seinen Kandidaten nach dessen Fernseh-Auftritt. - Gelungene Wahlkämpfe, misslungene Wahlkampagnen - wichtigstes Kriterium ist letztlich nur das Ergebnis, das sich in Stimmenzahl und in%en nachmessen lässt. Wahlforscher Richard Hillmer:
" Misslungen war sicherlich der SPD-Wahlkampf 1990. Dort hat die SPD schlicht und einfach auf das falsche Thema gesetzt, bzw. sie hat das Thema völlig falsch besetzt: Die Vereinigung, das wurde völlig unterschätzt, wurde dann auch nicht sehr kongruent gefahren. Einmal war man mehr für eine Verlangsamung, dann konnte es dem damaligen Kandidaten Lafontaine nicht schnell genug gehen. Das war sicherlich unglücklich."
Und Medienberater Heusinger setzt hinzu:
" Genauso war es falsch von den Grünen im Wahlkampf 1990 auf Klimaschutz zu setzen und die Deutsche Einheit auszublenden. Da gab es einfach ein Thema, das den Wahlkampf dominiert hat, und da kann man sich nicht einfach herausstellen."
Weitgehende Einigkeit besteht sowohl bei den Demoskopen, als auch bei politischen Beobachtern, wenn es um die Analyse des FDP-Bundestags-Wahlkampfs vor drei Jahren geht. "Projekt 18 - plus" - lautete sein Arbeitstitel, auch bekannt als "Guido Westerwelles Spaßwahlkampf". - Er endete bekanntlich desaströs für die Liberalen.
" Wenn eine Partei, die bei sieben Prozent liegt, ein Wahlziel von zehn ausruft, kann man sagen, okay, das kann erreicht werden, aber dass sie keine 18 erreichen, war völlig klar. Außerdem ist den Leuten das rein oberflächliche Spiel mit der 18 - nachdem sie es in den ersten zwei Wochen noch interessant fanden - zunehmend auf die Nerven gegangen."
Zum Beispiel, als Westerwelle die vermeintliche junge Zielgruppe besucht - im so genannten "Big Brother-Container" des privaten Fernsehsenders RTL. Für die einen ein "Proll-Festival" des schlechten Geschmacks, für die anderen nur noch die mediale Variante des "Untergangs des Abendlands" schlechthin. Aber - eben mit jungem Personal.
Das Projekt 18 mit seinem "Guido-Mobil" landete bei nicht einmal der Hälfte der angepeilten Prozentpunkte - aus Sicht vieler FDP-Funktionäre auch nachträglich kein Grund für Selbstzweifel. Burkhardt- Müller-Sönksen und Felix Dorn, FDP:
" Also das "Projekt 18" ist vom Grundsatz her ein Projekt gewesen, was der FDP sehr gut getan hat.... Guido Westerwelle hat einen kleineren, bescheidenen Wahlkampfbus gehabt, das er damals 'Guido-Mobil' genannt hat...."
" Ich denke, dass die Medien genau dieses Erscheinungsbild des Guido-Mobils gerne verurteilt haben, weil man ein bestimmtes Bild der Zielgruppe der FDP im Kopf hatte, das man auch jetzt noch im Kopf hat bei den Wählern: nämlich den Besserverdienenden."
Wahlkampfzeiten sind Materialschlachten: Themen-Plakate, Politiker-Konterfeis, Image-Broschüren, Funk- und Fernseh-Spots, Zeitungsannoncen. Insgesamt wohl mehr als einen dreistelligen Millionenbetrag werden die Parteien in ihre Kampagnen stecken - anschließend allerdings erhalten sie die Ausgaben als Wahlkampfkostenerstattung wieder zurück. Aber: Längst nicht alles, was dem Bürger in die Hand gedrückt oder durch den Briefkasten-Schlitz geworfen wird, glänzt durch informativen Inhalt.
" Die Regierung hat sowieso kein Geld, so, und da soll'n sie da mal anfangen zu sparen.... Das geht ja in die Millionen geht das ja die ganze Werbung.
Also ein bisschen Wahlprogramm will ich schon lesen, aber nicht so viel Reklame dabei.
Rausgeschmissenes Geld.
Da es im Prinzip um die Parteien geht, die sowieso schon existieren und ständig in der täglichen Presselandschaft sich befinden, denke ich, ist es eher rausgeschmissenes Geld.
Ich nehme das mit, was ich im Fernsehen so mitkrieg', aber was so Wahlplakate sind oder Wahlveranstaltungen, da geh ich auch nicht hin. Da nehm' ich nichts mit."
Der Weg einer Partei zum Wahltriumph führt über Begriffe wie Glaubwürdigkeit und Kompetenz. Das heißt in der Werbeterminologie aber auch: Das Spitzenpersonal muss ganz einfach sympathische Eigenschaften besitzen oder behaupten. Werbeprofi Heusinger:
" Deshalb ist das Design, die Fotografie, die Auswahl der Personen, die man nach vorne stellt, ein ganz wichtiger Faktor, um sympathisch zu machen. Und da kann 'ne gute Agentur schon was bewirken."
Sozusagen der "letzte Schrei" in der politischen Markenkommunikation ist die Vorstellung des Kandidaten per Du - per Vorname: Also etwa: "Heide" - fünf Buchstaben bei der jüngsten Landtagswahl-Kampagne von Heide Simonis in Schleswig-Holstein. Oder: "Elbe, Alster, Ole" - ein völlig politikfreier Wahlkampfslogan der Hamburger CDU für Bürgermeister Ole van Beust. Und bei den Grünen ist zu lesen: "Joschka, der Außenminister zum Anfassen.
" Bei beliebten Politikern ist der Vorname durchaus etwas, mit dem man spielen kann und spielen sollte.... Aber man kann das eben nicht mit allen Politikern machen. Also, man konnte definitiv keine "Edmund"-Kampagne machen, und man wird auch keine "Angela" - Kampagne machen. Obwohl das versucht wird mit "Angie" zu machen, aber ich glaub', das passt nicht ganz zur Person."
Erfolgreiche Kandidaten brauchen hohe Sympathiewerte, und da müssen dann zuweilen auch die Mütter und Ehefrauen in den politischen Ring steigen. Wie 1994 im SPD-Wahlkampf-Spot bei Familie Scharping :
Mutter Scharping:
Der Rudolf kam ein halbes Jahr vor der Währungsreform zur Welt, da waren die Zeiten noch recht schwierig.
Ehefrau Scharping:
Ich hab' '69 für Willi Brandt Wahlkampf gemacht...Und dann auf der Wahlparty hab' ich den jungen Herrn Scharping kennen gelernt. Ja, und dann haben wir nach und nach drei Kinder gekriegt.
Von einem "Swing" sprechen Wahlforscher, wenn es einer Partei gelingt, mitten in der Wahlkampagne deutliche Zustimmungsgewinne zu erzielen. Im zurückliegenden Wahlkampf 2002 sahen die meisten Beobachter die SPD zunächst auf dem absteigenden Ast. Unerwartet und ungeplant - so Richard Hillmer von infratest/dimap - kam dann aber der Umschwung:
" Das war die Flut und der Irak-Konflikt, aber das hatte natürlich auch mit den handelnden Personen zu tun, das hatte mit Schröder und mit Fischer zu tun. Bei der Flut war es eher so eine Solidarisierungswelle zwischen Ost und West, was den Osten noch einmal kräftig mobilisiert hat zugunsten der SPD. Das zeigt, dass die Person allein den Ausschlag sicher nicht gegeben hätten."
Das ist Hans, heute 13 Jahre alt geworden. Als er geboren wurde, versprach die SPD: "Wir schaffen das moderne Deutschland". Bis heute hat die SPD von diesem Versprechen nichts gehalten.
Gerade bei knappen Wahlvoraussagen neigen Parteien dazu, durch Polarisierung am Ende doch noch um Nasenlänge vor dem Gegner im Ziel zu sein. Dann wird das Arsenal sogar um gehässige Attacken auf Mitbewerber erweitert, oder es werden so genannte Tabu-Themen populistisch aufbereitet:
" Hier fällt mir insbesondere der Wahlkampf von Ronald Koch von 1999 in Hessen ein, wo demoskopisch eigentlich alles für die Wiederwahl von Rot-Grün - damals geführt von Eichel - sprach. .. Was es allerdings gab, war ein bundespolitisch höchst umstrittenes Thema, das war die doppelte Staatsangehörigkeit, die hat seinerzeit Ronald Koch ganz geschickt in seinen Wahlkampf eingebaut. Er hatte sozusagen eine Art von Straßenwahlkampf durchgeführt und hat es tatsächlich eben geschafft, eine Mobilisierung zu Gunsten seiner Partei herzustellen."
Demagogische, chauvinistische und minderheitenfeindliche Diskurse sprechen vor allem Protest- und Wechselwähler sowie bisherige Nichtwähler an. Dies beweisen nicht zuletzt die Wahlerfolge rechtspopulistischer und -extremer Parteien aus jüngerer Zeit.
" Wir erleben ja immer wieder, dass hoch emotionalisierte Themen eine erhebliche Rolle spielen. Hier fällt mir als konkretes Beispiel ein Wahlkampf ein, 2001 in Hamburg, als eben das Thema Kriminalität...ein, wo ein Mann von profitierte, der sich eben mit sehr populistischen Forderungen profilierte und dann auch einen unglaublichen Zulauf bekam, innerhalb kürzester Zeit 20 Prozent der Wählerstimmen."
Der rechtspopulistische Politiker Ronald Schill, Gründer und Namensgeber der Schill-Partei im Wahlkampf 2002 vor dem Deutschen Bundestag:
" In den letzten Jahren wurden jedes Jahr über zehn Milliarden für die Flüchtlinge ausgegeben. Und das Geld fehlt jetzt, sehen Sie es doch ein. Nur ein Rabenvater lässt seine Kinder darben, während er sich um unbekannte Gäste kümmert."
Dass Wahlkämpfe hierzulande nicht immer mit sauberen Mitteln ausgetragen werden, wissen wir spätestens, seit der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel und sein Medienberater Rainer Pfeiffer 1987 jede Menge schmutzige Tricks in den Rang von Wahlkampfstrategien erhoben. Als die Sache aufflog, wollte der Landesvater seinen "Mann fürs Grobe" nicht einmal richtig kennen und beteuerte:
" Dass ich sehr darunter leide, dass ich mich bedrückt fühle durch die Tatsache, dass ein solcher Mensch in die Pressestelle eindringen konnte - ich hätte fast gesagt mit Wallraff-Methoden - und unter Zuhilfenahme der einen oder anderen apparativen Möglichkeiten der Pressestelle zumindest moralisch verwerfliche Aktivitäten an den Tag zu legen."
Aber: Wie viel Wahrheit verträgt ein Wahlkampf? - Nicht zuletzt haben Wahlkämpfe etwas mit Inhalten zu tun - oder sollten es. "Problemlösungskompetenz" lautet zum Beispiel ein Stichwort. Und daraus ergibt sich: Wie viele Versprechen sind nötig ? Sowie umgekehrt: Wie viel Wahrheit ist dem Wähler zuzumuten?
" Die Zeiten sind sicherlich vorbei - zumindest für die beiden großen Parteien, die eben auch Regierungsfähigkeit demonstrieren müssen - dass sie eben mit wohlfeilen Versprechen an den Wähler herantreten."
Wer als Politiker hierzulande die Dinge unmissverständlich klar ausspricht, der gefährdet seinen Wahlerfolg - das sagen zumindest die Demoskopen und Werbestrategen.
" Deshalb ist das immer ein zweischneidiges Schwert, um so detaillierter man wird, desto mehr Angriffen setzt man sich natürlich aus."
Statt "Grausamkeiten" anzukündigen, werden lieber "Wahlkämpfe der Unschärfe" kreiert. Gern wird ein Programm für die ersten 100 Tage verkündet, aber stets folgt dann der Nachsatz, dass natürlich alles unter einem "Finanzierungsvorbehalt" steht. Und so bleiben die Slogans der Parteien im Ungefähren. Beispiel CDU:
Wir werden es grundlegend anders machen, damit es grundlegend besser wird für Deutschland.
Fast zu verwechseln mit der SPD-Parole von 2002:
Wir werden nicht alles anders, aber vieles besser machen.
"Geschlossenheit nach außen" ist ein weiterer Baustein zu einer erfolgreichen Wahlkampagne. Keine Querelen, keine Querschüsse aus dem eigenen Lager. Dieses Gebot ist bindend - jedenfalls bis zur Schließung der Wahllokale. Bisweilen verlaufen die politischen Zeitläufte aber so abrupt, dass zurückliegende Geschlossenheits-Demonstrationen zu unfreiwilliger Komik geraten, so wie hier - gerade einmal elf Jahre ist das her:
" Deutschland soll wieder ordentlich regiert werden. Oskar Lafontaine, ein Finanzminister, der mit dem Bonner Finanzchaos aufräumt. Gerhard Schröder, ein Wirtschaftsminister, der für ihre Arbeitsplätze kämpft und Rudolf Scharping, ein Bundeskanzler, der die Menschen zusammenführt und Deutschland nach vorne bringt. Ein starkes Team!"
Wenn Sie mich als Außenminister wollen, dann müssen Sie den Grünen wählen, die Grünen wählen. Ich rechne mit Ihnen.
Was wäre Deutschland ohne die Liberalen? Diesmal geht's um alles. Denn nur mit einer starken FDP können sie ganz sicher sein.
Der Aufschwung ist da. Dafür steht Helmut Kohl. Aufschwung für alle Menschen in Ost und West."
Zu Wahlen gehört untrennbar der Wahlkampf der Parteien und Kandidaten. Während anderswo Wahlkämpfe noch mit Fäusten und Gewehren ausgetragen werden, hat sich im Nachkriegsdeutschland ein gewaltfreier, wenn auch nicht immer freundlicher Wahlkampfstil durchgesetzt. Plakate, Kundgebungen, Anzeigen, TV- und Hörfunkspots gehören zum Handwerkszeug der Parteien. Denn es geht um Werbung. Oder in den Worten der Philosophin Hannah Ahrendt :
Politik besteht darin, Bilder zu erzeugen und andere daran glauben zu machen.
Am 27. September blühende Landschaften wählen. CDU.
Reichstag. Berlin. Vor dem Parlamentsgebäude stehen viele Hundert Menschen in einer Schlange. Sie wollen in die Glaskuppel hinaufsteigen, die einen herrlichen Rundblick über die Hauptstadt bietet. Was halten die Besucher von der aktuellen Politik, für wie glaubwürdig halten sie ihre Politiker und Parteien?
" Die sollen ihr Geld richtig verteilen, dann ist für alle genug da.
Ich denke, die wollen das nur selber alles in die Tasche reinwirtschaften, nicht, dass die jetzt irgendwie für das Volk da sind, die sind für sich selber da....Es sind nicht alle gleich schlecht, aber ich würde sagen, so 60 Prozent kann man vergessen.
Vertrauen zur Politik hab ich in jedem Fall, warum sollte man's nicht haben, man kann ja immer noch wählen.
Ich halt sie schon für misstrauenswürdig. Ja, weil die meisten Versprechen, die man macht, werden nach der Wahl nicht eingehalten werden. Das hat sich bei jeder Wahl herausgestellt."
Eine nicht-repräsentative Amateur-Umfrage. - Richard Hillmer, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts "Infas/dimap" hingegen sammelt professionell Daten über die Zufriedenheit der Bürger mit der politischen Klasse. Seine Erkenntnis:
" Was Vertrauen in die verschiedenen Institutionen anbetrifft, rangieren die Parteien derzeit nun wirklich ganz weit unten. Die Parteien haben sich selbst auch einen Gutteil zuzuschreiben dieses Images, das sie sich in den letzten Jahren erworben haben. Ob das nun die verschiedenen Skandale sind, in die einzelne Politiker involviert waren, oder ob es eben Affären der Parteien selbst waren - die Spendenaffäre ist sicher noch allen gut in Erinnerung. Das hat natürlich Glaubwürdigkeit auch gekostet. Und natürlich verbunden mit einem sehr großen Vertrauensverlust."
Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.
Dieses Bonmot stammt schon aus dem 19. Jahrhundert, von Reichskanzler Otto von Bismarck. Und wie es scheint, haben die Wahlbürger auch heute eine ähnlich nachhaltigen Eindruck. Wahlkämpfe dienen deshalb auch dazu, Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen und Sympathie zu erzeugen. Die Schaffung von Glaubwürdigkeit - ein schwieriges Geschäft, wie Felix Dorn, Medienberater der Hamburger FDP, einräumt:
" Wie zum Beispiel zur Bundestagswahl wir klar festgestellt haben, das größte Bedürfnis des Bürgers nicht in erster Linie in Richtung der Programmatik zielt, sondern in Richtung der Glaubwürdigkeit."
Berlin Kreuzberg, ein altes Fabrikgebäude direkt am Spreeufer. Hier residiert die Werbeagentur "Zum Goldenen Hirschen". Sie arbeitete bereits für einige SPD-geführte Bundesministerien. Diesmal plant sie die Wahlkampagne der Grünen:
" Mein Name ist Bernd Heusinger, ich bin Kreativ-Chef der Agentur "Zum Goldenen Hirschen" in Berlin."
Der Werbeprofi hat alle zurückliegenden Wahlkämpfe in Deutschland gründlich analysiert und dabei auch amerikanische und britische Kampagnen studiert.
Fulminante Wahlkämpfe wie etwa hier von Bill Clinton, aber auch von Tony Blair gelten allgemein zwar als wegweisend, aber: eben nicht auf deutsche Verhältnisse übertragbar.
" Eines ist definitiv nicht der Unterschied: die Personalisierung ist nicht stärker. Das kommt immer als klassischer Vorwurf oder als klassische Analyse: Ja, ja die Personalisierung wird immer stärker, und das wird alles immer amerikanisierter. Willy Brandt hat in den 70er Jahren extrem starke Willy-Wahlkämpfe geführt. Die Wahlkämpfe von Helmuth Kohl in den späten 80er und 90er Jahren waren voll auf die Person Helmut Kohl zugeschnitten."
Als sicher gilt: Es kommt bei Wahlkämpfen aller großen Parteien entscheidend auf das Spitzenpersonal an sowie dessen Fähigkeit, sich der Öffentlichkeit als kompetent, aufrichtig und sympathisch zu präsentieren. Ein Axiom, das durch demoskopische Untersuchungen gestützt wird.
" Die mediale Präsenz ist sicherlich eine noch ganz andere als noch vor 10, 20, 30 Jahren. Wir haben ja alle gesehen, welch eminente Bedeutung die beiden TV-Duelle bei der letzten Bundestagswahl hatten. Die klassischen Instrumente - der berühmte Stand auf der Straße - ist sicherlich im Vergleich dazu in den Hintergrund getreten. Der Bundeskanzler hat's ja '98 in die Worte gekleidet: Es kommt vor allem auf die Glotze und die "BILD" an. Zuletzt, 2002, waren allerdings die elektronischen Medien - nicht zuletzt wegen der beiden TV-Duelle ein Stückchen bedeutsamer."
Medienwahlkämpfe, die überragend durch das politische Spitzenpersonal geprägt werden - was nützt da noch die Kärrnerarbeit von einfachen Parteimitgliedern, die auf dem Wochenmarkt Flugblätter und Werbegeschenke verteilen? "Unverzichtbar!" - urteilt dennoch Burkhardt Müller-Sönksen, Spitzenkandidat der Hamburger FDP. Vielleicht, sagt er,
" ... ist der Infostand mit den Kugelschreibern noch ein bisschen das "Altmodische", aber absolut notwendig. Denn die Bürger wollen später die FDP, die sie in den Fernsehsendungen bekommen haben, die sie im Internet besuchen können, auch noch real anfassen...den anfassbaren Wert der Glaubwürdigkeit."
Jede Partei beschäftigt heute Werbeagenturen, und auch die Spitzenkandidaten lassen sich im Hintergrund von professionellen Medienberatern begleiten. Eine lohnende Dienstleistung, findet der Berliner Medienberater Andreas Heusinger, aber nur, wenn er und seine Fachkollegen wirklich im Hintergrund bleiben:
" Schlecht war beim letzten Bundestagswahlkampf, wie hinter Stoiber immer wie ein Dackel sein Medienberater Spreng hinterherlief und für alle sichtbar, Stoiber zur Marionette eines Medienberaters wurde. Und genau dann, wenn die Medien- oder Werbeberater eine wichtigere Rolle zu spielen scheinen als die Politiker, ist es ein schlechter Wahlkampf."
"... weniger Ähs als erwartet... Stoiber hat eine gute Figur gemacht..."
Spreng als öffentlicher Zensuren-Verteiler an seinen Kandidaten nach dessen Fernseh-Auftritt. - Gelungene Wahlkämpfe, misslungene Wahlkampagnen - wichtigstes Kriterium ist letztlich nur das Ergebnis, das sich in Stimmenzahl und in%en nachmessen lässt. Wahlforscher Richard Hillmer:
" Misslungen war sicherlich der SPD-Wahlkampf 1990. Dort hat die SPD schlicht und einfach auf das falsche Thema gesetzt, bzw. sie hat das Thema völlig falsch besetzt: Die Vereinigung, das wurde völlig unterschätzt, wurde dann auch nicht sehr kongruent gefahren. Einmal war man mehr für eine Verlangsamung, dann konnte es dem damaligen Kandidaten Lafontaine nicht schnell genug gehen. Das war sicherlich unglücklich."
Und Medienberater Heusinger setzt hinzu:
" Genauso war es falsch von den Grünen im Wahlkampf 1990 auf Klimaschutz zu setzen und die Deutsche Einheit auszublenden. Da gab es einfach ein Thema, das den Wahlkampf dominiert hat, und da kann man sich nicht einfach herausstellen."
Weitgehende Einigkeit besteht sowohl bei den Demoskopen, als auch bei politischen Beobachtern, wenn es um die Analyse des FDP-Bundestags-Wahlkampfs vor drei Jahren geht. "Projekt 18 - plus" - lautete sein Arbeitstitel, auch bekannt als "Guido Westerwelles Spaßwahlkampf". - Er endete bekanntlich desaströs für die Liberalen.
" Wenn eine Partei, die bei sieben Prozent liegt, ein Wahlziel von zehn ausruft, kann man sagen, okay, das kann erreicht werden, aber dass sie keine 18 erreichen, war völlig klar. Außerdem ist den Leuten das rein oberflächliche Spiel mit der 18 - nachdem sie es in den ersten zwei Wochen noch interessant fanden - zunehmend auf die Nerven gegangen."
Zum Beispiel, als Westerwelle die vermeintliche junge Zielgruppe besucht - im so genannten "Big Brother-Container" des privaten Fernsehsenders RTL. Für die einen ein "Proll-Festival" des schlechten Geschmacks, für die anderen nur noch die mediale Variante des "Untergangs des Abendlands" schlechthin. Aber - eben mit jungem Personal.
Das Projekt 18 mit seinem "Guido-Mobil" landete bei nicht einmal der Hälfte der angepeilten Prozentpunkte - aus Sicht vieler FDP-Funktionäre auch nachträglich kein Grund für Selbstzweifel. Burkhardt- Müller-Sönksen und Felix Dorn, FDP:
" Also das "Projekt 18" ist vom Grundsatz her ein Projekt gewesen, was der FDP sehr gut getan hat.... Guido Westerwelle hat einen kleineren, bescheidenen Wahlkampfbus gehabt, das er damals 'Guido-Mobil' genannt hat...."
" Ich denke, dass die Medien genau dieses Erscheinungsbild des Guido-Mobils gerne verurteilt haben, weil man ein bestimmtes Bild der Zielgruppe der FDP im Kopf hatte, das man auch jetzt noch im Kopf hat bei den Wählern: nämlich den Besserverdienenden."
Wahlkampfzeiten sind Materialschlachten: Themen-Plakate, Politiker-Konterfeis, Image-Broschüren, Funk- und Fernseh-Spots, Zeitungsannoncen. Insgesamt wohl mehr als einen dreistelligen Millionenbetrag werden die Parteien in ihre Kampagnen stecken - anschließend allerdings erhalten sie die Ausgaben als Wahlkampfkostenerstattung wieder zurück. Aber: Längst nicht alles, was dem Bürger in die Hand gedrückt oder durch den Briefkasten-Schlitz geworfen wird, glänzt durch informativen Inhalt.
" Die Regierung hat sowieso kein Geld, so, und da soll'n sie da mal anfangen zu sparen.... Das geht ja in die Millionen geht das ja die ganze Werbung.
Also ein bisschen Wahlprogramm will ich schon lesen, aber nicht so viel Reklame dabei.
Rausgeschmissenes Geld.
Da es im Prinzip um die Parteien geht, die sowieso schon existieren und ständig in der täglichen Presselandschaft sich befinden, denke ich, ist es eher rausgeschmissenes Geld.
Ich nehme das mit, was ich im Fernsehen so mitkrieg', aber was so Wahlplakate sind oder Wahlveranstaltungen, da geh ich auch nicht hin. Da nehm' ich nichts mit."
Der Weg einer Partei zum Wahltriumph führt über Begriffe wie Glaubwürdigkeit und Kompetenz. Das heißt in der Werbeterminologie aber auch: Das Spitzenpersonal muss ganz einfach sympathische Eigenschaften besitzen oder behaupten. Werbeprofi Heusinger:
" Deshalb ist das Design, die Fotografie, die Auswahl der Personen, die man nach vorne stellt, ein ganz wichtiger Faktor, um sympathisch zu machen. Und da kann 'ne gute Agentur schon was bewirken."
Sozusagen der "letzte Schrei" in der politischen Markenkommunikation ist die Vorstellung des Kandidaten per Du - per Vorname: Also etwa: "Heide" - fünf Buchstaben bei der jüngsten Landtagswahl-Kampagne von Heide Simonis in Schleswig-Holstein. Oder: "Elbe, Alster, Ole" - ein völlig politikfreier Wahlkampfslogan der Hamburger CDU für Bürgermeister Ole van Beust. Und bei den Grünen ist zu lesen: "Joschka, der Außenminister zum Anfassen.
" Bei beliebten Politikern ist der Vorname durchaus etwas, mit dem man spielen kann und spielen sollte.... Aber man kann das eben nicht mit allen Politikern machen. Also, man konnte definitiv keine "Edmund"-Kampagne machen, und man wird auch keine "Angela" - Kampagne machen. Obwohl das versucht wird mit "Angie" zu machen, aber ich glaub', das passt nicht ganz zur Person."
Erfolgreiche Kandidaten brauchen hohe Sympathiewerte, und da müssen dann zuweilen auch die Mütter und Ehefrauen in den politischen Ring steigen. Wie 1994 im SPD-Wahlkampf-Spot bei Familie Scharping :
Mutter Scharping:
Der Rudolf kam ein halbes Jahr vor der Währungsreform zur Welt, da waren die Zeiten noch recht schwierig.
Ehefrau Scharping:
Ich hab' '69 für Willi Brandt Wahlkampf gemacht...Und dann auf der Wahlparty hab' ich den jungen Herrn Scharping kennen gelernt. Ja, und dann haben wir nach und nach drei Kinder gekriegt.
Von einem "Swing" sprechen Wahlforscher, wenn es einer Partei gelingt, mitten in der Wahlkampagne deutliche Zustimmungsgewinne zu erzielen. Im zurückliegenden Wahlkampf 2002 sahen die meisten Beobachter die SPD zunächst auf dem absteigenden Ast. Unerwartet und ungeplant - so Richard Hillmer von infratest/dimap - kam dann aber der Umschwung:
" Das war die Flut und der Irak-Konflikt, aber das hatte natürlich auch mit den handelnden Personen zu tun, das hatte mit Schröder und mit Fischer zu tun. Bei der Flut war es eher so eine Solidarisierungswelle zwischen Ost und West, was den Osten noch einmal kräftig mobilisiert hat zugunsten der SPD. Das zeigt, dass die Person allein den Ausschlag sicher nicht gegeben hätten."
Das ist Hans, heute 13 Jahre alt geworden. Als er geboren wurde, versprach die SPD: "Wir schaffen das moderne Deutschland". Bis heute hat die SPD von diesem Versprechen nichts gehalten.
Gerade bei knappen Wahlvoraussagen neigen Parteien dazu, durch Polarisierung am Ende doch noch um Nasenlänge vor dem Gegner im Ziel zu sein. Dann wird das Arsenal sogar um gehässige Attacken auf Mitbewerber erweitert, oder es werden so genannte Tabu-Themen populistisch aufbereitet:
" Hier fällt mir insbesondere der Wahlkampf von Ronald Koch von 1999 in Hessen ein, wo demoskopisch eigentlich alles für die Wiederwahl von Rot-Grün - damals geführt von Eichel - sprach. .. Was es allerdings gab, war ein bundespolitisch höchst umstrittenes Thema, das war die doppelte Staatsangehörigkeit, die hat seinerzeit Ronald Koch ganz geschickt in seinen Wahlkampf eingebaut. Er hatte sozusagen eine Art von Straßenwahlkampf durchgeführt und hat es tatsächlich eben geschafft, eine Mobilisierung zu Gunsten seiner Partei herzustellen."
Demagogische, chauvinistische und minderheitenfeindliche Diskurse sprechen vor allem Protest- und Wechselwähler sowie bisherige Nichtwähler an. Dies beweisen nicht zuletzt die Wahlerfolge rechtspopulistischer und -extremer Parteien aus jüngerer Zeit.
" Wir erleben ja immer wieder, dass hoch emotionalisierte Themen eine erhebliche Rolle spielen. Hier fällt mir als konkretes Beispiel ein Wahlkampf ein, 2001 in Hamburg, als eben das Thema Kriminalität...ein, wo ein Mann von profitierte, der sich eben mit sehr populistischen Forderungen profilierte und dann auch einen unglaublichen Zulauf bekam, innerhalb kürzester Zeit 20 Prozent der Wählerstimmen."
Der rechtspopulistische Politiker Ronald Schill, Gründer und Namensgeber der Schill-Partei im Wahlkampf 2002 vor dem Deutschen Bundestag:
" In den letzten Jahren wurden jedes Jahr über zehn Milliarden für die Flüchtlinge ausgegeben. Und das Geld fehlt jetzt, sehen Sie es doch ein. Nur ein Rabenvater lässt seine Kinder darben, während er sich um unbekannte Gäste kümmert."
Dass Wahlkämpfe hierzulande nicht immer mit sauberen Mitteln ausgetragen werden, wissen wir spätestens, seit der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel und sein Medienberater Rainer Pfeiffer 1987 jede Menge schmutzige Tricks in den Rang von Wahlkampfstrategien erhoben. Als die Sache aufflog, wollte der Landesvater seinen "Mann fürs Grobe" nicht einmal richtig kennen und beteuerte:
" Dass ich sehr darunter leide, dass ich mich bedrückt fühle durch die Tatsache, dass ein solcher Mensch in die Pressestelle eindringen konnte - ich hätte fast gesagt mit Wallraff-Methoden - und unter Zuhilfenahme der einen oder anderen apparativen Möglichkeiten der Pressestelle zumindest moralisch verwerfliche Aktivitäten an den Tag zu legen."
Aber: Wie viel Wahrheit verträgt ein Wahlkampf? - Nicht zuletzt haben Wahlkämpfe etwas mit Inhalten zu tun - oder sollten es. "Problemlösungskompetenz" lautet zum Beispiel ein Stichwort. Und daraus ergibt sich: Wie viele Versprechen sind nötig ? Sowie umgekehrt: Wie viel Wahrheit ist dem Wähler zuzumuten?
" Die Zeiten sind sicherlich vorbei - zumindest für die beiden großen Parteien, die eben auch Regierungsfähigkeit demonstrieren müssen - dass sie eben mit wohlfeilen Versprechen an den Wähler herantreten."
Wer als Politiker hierzulande die Dinge unmissverständlich klar ausspricht, der gefährdet seinen Wahlerfolg - das sagen zumindest die Demoskopen und Werbestrategen.
" Deshalb ist das immer ein zweischneidiges Schwert, um so detaillierter man wird, desto mehr Angriffen setzt man sich natürlich aus."
Statt "Grausamkeiten" anzukündigen, werden lieber "Wahlkämpfe der Unschärfe" kreiert. Gern wird ein Programm für die ersten 100 Tage verkündet, aber stets folgt dann der Nachsatz, dass natürlich alles unter einem "Finanzierungsvorbehalt" steht. Und so bleiben die Slogans der Parteien im Ungefähren. Beispiel CDU:
Wir werden es grundlegend anders machen, damit es grundlegend besser wird für Deutschland.
Fast zu verwechseln mit der SPD-Parole von 2002:
Wir werden nicht alles anders, aber vieles besser machen.
"Geschlossenheit nach außen" ist ein weiterer Baustein zu einer erfolgreichen Wahlkampagne. Keine Querelen, keine Querschüsse aus dem eigenen Lager. Dieses Gebot ist bindend - jedenfalls bis zur Schließung der Wahllokale. Bisweilen verlaufen die politischen Zeitläufte aber so abrupt, dass zurückliegende Geschlossenheits-Demonstrationen zu unfreiwilliger Komik geraten, so wie hier - gerade einmal elf Jahre ist das her:
" Deutschland soll wieder ordentlich regiert werden. Oskar Lafontaine, ein Finanzminister, der mit dem Bonner Finanzchaos aufräumt. Gerhard Schröder, ein Wirtschaftsminister, der für ihre Arbeitsplätze kämpft und Rudolf Scharping, ein Bundeskanzler, der die Menschen zusammenführt und Deutschland nach vorne bringt. Ein starkes Team!"
