
Fico war gestern in der Bergbaustadt Handlova von einem 71-Jährigen mit mehreren Kugeln niedergeschossen worden, als er nach einer Kabinettssitzung Anhänger auf der Straße begrüßen wollte. Er war schwer verletzt per Hubschrauber in ein Krankenhaus in der Stadt Banska Bystrica gebracht worden. Bis zum späten Abend hatte es laut offiziellen Angaben geheißen, der 59-Jährige befinde sich in Lebensgefahr.
Politisches Motiv vermutet
Nach Einschätzung der Regierung hatte der mutmaßliche Täter ein politisches Motiv. Der slowakische Innenminister Estok bestätigte Medienberichte, nach denen es sich um einen Schriftsteller aus dem Zentrum der Slowakei handelt.
Er ist demnach Mitglied der offiziellen slowakischen Schriftstellervereinigung. Medienberichten zufolge wurde auch die Frau des mutmaßlichen Schützen verhört.
Er ist demnach Mitglied der offiziellen slowakischen Schriftstellervereinigung. Medienberichten zufolge wurde auch die Frau des mutmaßlichen Schützen verhört.
Die slowakische Regierung setzte für den Vormittag eine Sondersitzung an. Auch der nationale Sicherheitsrat soll über die Lage beraten. Dem Gremium gehören - neben dem Regierungschef selbst - die Minister für Inneres und Verteidigung sowie weitere Minister aller drei Koalitionsparteien an.
Präsidentin Caputova "erschüttert"
Die slowakische Präsidentin Caputova äußerte sich nach den Schüssen erschüttert. "Ich verurteile den heutigen brutalen und rücksichtslosen Angriff auf Premier Robert Fico", schrieb die Politikerin auf Facebook. "Ich wünsche Robert Fico in diesem kritischen Augenblick viel Kraft, damit er sich von dem Angriff erholt." Caputovas designierter Nachfolger Pellegrini sprach von einem Anschlag auf die Demokratie in seinem Land.
Bundeskanzler Scholz verurteilte das Attentat als "unerträglich". Auch EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen verurteilte den "abscheulichen Angriff", ähnlich äußerte sich NATO-Generalsekretär Stoltenberg. Die Staats- und Regierungschefs zahlreicher Länder äußerten sich schockiert, darunter solche der Nachbarstaaten: Polens Ministerpräsident Tusk, Ungarns Regierungschef Orban und der tschechische Premierminister Fiala. US-Präsident Biden nannte das Attentat eine "schreckliche Gewalttat". UNO-Generalsekretär Guterres erklärte in New York, seine Gedanken seien bei Fico und dessen Angehörigen.
Vorwürfe gegen Medien und Opposition
Ficos Smer-Partei gab Kritikern des Regierungschefs eine Mitverantwortung für die Schüsse. Bei einer Pressekonferenz sagte der Smer-Abgeordnete Blaha: "Sie, die liberalen Medien, und progressive Politiker sind Schuld. Robert Fico kämpft wegen eures Hasses um sein Leben".
Auch Fico selbst hatte erst vor wenigen Tagen der liberalen Opposition vorgeworfen, ein Klima der Feindschaft gegen seine Regierung zu schüren. Es sei nicht auszuschließen, dass es angesichts der aufgeheizten Stimmung irgendwann zu einer Gewalttat komme, hatte er gesagt.
Fico zum dritten Mal Ministerpräsident
Fico ist seit 2023 erneut slowakischer Ministerpräsident. Der Vorsitzende der linkspopulistischen Smer-Partei hatte das Amt zuvor bereits zweimal inne: Er war von 2006 bis 2010 und von 2012 bis 2018 slowakischer Regierungschef. 2018 musste er nach der Ermordung des Journalisten Jan Kuciak und dessen Verlobter zurücktreten. Kuciak hatte zu Verbindungen zwischen der italienischen Mafia und Ficos Regierungspartei recherchiert. Die Bluttat und die posthume Veröffentlichung eines Artikels von Kuciak lösten damals Massendemonstrationen gegen die Regierung aus.
Zuletzt neue Massenproteste gegen Fico
Zuletzt sorgte Fico noch einmal mit kontroversen Veränderungen im Land für Massenproteste. So beschloss seine Regierung eine viel kritisierte Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die nach Angaben von Journalistenverbänden und Oppositionsvertretern die Pressefreiheit untergräbt.
In seiner Koalition mit Rechtsaußen-Parteien setzte der Populist Fico auch den Kurswechsel in der Außenpolitik um, den er im Wahlkampf versprochen hatte: Die Slowakei, Mitglied in der EU und der Nato und bis dahin entschiedene Unterstützerin der Ukraine, unterbrach die Waffenlieferungen an das von Russland angegriffene Nachbarland. Die Regierung in Kiew rief der 59-Jährige unter anderem dazu auf, Gebiete an Russland abzutreten.
Diese Nachricht wurde am 16.05.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.