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Zuverlässig unzuverlässig

Krümmel und Brunsbüttel: Nach Kurzschlüssen, Bränden und anderen Pannen stehen diese AKWs seit dreieinhalb Jahren fast durchgängig still. Zumindest Krümmel sollte Anfang kommenden Jahres wieder ans Netz gehen. Doch daraus wird vorerst nichts.

Von Matthias Günther |
    Der Grund für die neuen Überlegungen ist unklar. Es wird spekuliert, ob die Konzerne E.on tatsächlich ein besseres Management zutrauen, ob sie sich erhoffen, ihre oft als Pannenmeiler bezeichneten Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel damit aus den Schlagzeilen zu bringen oder ob die Neuausrichtung des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall dabei eine Rolle spielt. Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Robert Habeck, kommentierte die Ankündigung so:

    "Ich glaube, Vattenfall kriegt kalte Füße und will zwei Schrott-Reaktoren loswerden."

    Nach einem Gutachten im Auftrag der Grünen, das heute Mittag vorgestellt werden soll, könnte ein Wiederanfahren des Reaktors in Brunsbüttel ohnehin schwieriger werden als bisher angenommen. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, kommt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass wegen des langen Stillstands der Anlage die Betriebsgenehmigung erloschen ist. Vattenfall sehe das anders, heißt es in dem Bericht. Vattenfall ist bisher Betreiber sowohl von Krümmel als auch von Brunsbüttel. An Krümmel ist E.on zu 50 Prozent und an Brunsbüttel zu 33 Prozent beteiligt. Die Konzerne wollen nach eigenen Angaben nun monatelang prüfen, wie es mit den beiden seit dreieinhalb Jahren still stehenden Atomkraftwerken weitergehen soll. Nach einem Bericht des Handelsblatts, das sich auf Informationen aus beiden Unternehmen beruft, steht aber schon fest, dass E.on neuer Betreiber wird. Noch vor drei Monaten hatte Vattenfall Spekulationen über einen Rückzug zurückgewiesen. Vattenfall Europe-Chef Tuomo Hattaka zeigte sich damals außerdem zuversichtlich, Krümmel und Brunsbüttel bald wieder ans Netz bringen zu können.

    "Wir haben mehrere Hunderte Millionen von Euro investiert in Brunsbüttel und in Krümmel, und eigentlich technisch gesehen ist sowohl Krümmel als auch Brunsbüttel in einem guten Zustand. So es gibt keinen Grund, warum Krümmel und Brunsbüttel nicht ans Netz kommen würden."
    Vattenfall hatte in Brunsbüttel vor allem fehlerhafte Dübel austauschen lassen, in Krümmel wurden unter anderem neue Transformatoren eingebaut, nachdem Störungen in den Transformatoren zwei mal zu einer Reaktorschnellabschaltung geführt hatten. Krümmel sollte schon im Januar wieder ans Netz gehen. Für den für die Atomaufsicht zuständigen schleswig-holsteinischen Justizminister Emil Schmalfuß sprach offenbar nichts dagegen. Bei einem Besuch in Krümmel sagte er, er sei von den ausgeführten Reparaturarbeiten beeindruckt.

    "Die Maßnahmen, die getroffen worden sind, sind sehr nachhaltig. So schätzt das auch unsere Behörde ein, die ja sehr viel Erfahrung hat und hier dauernd vor Ort die Maßnahmen auch begleitet."

    Doch Vattenfall stellte sich einmal mehr selbst ein Bein. Der von dem Konzern nominierten Kraftwerksleiterin hatte die Atomaufsicht schon bisher die nötige Qualifikation abgesprochen. Nun fiel sie auch noch bei einer Nachprüfung durch. Die jetzigen Überlegungen, die Betriebsführung und möglicherweise auch einen Teil der Anteile an E.on abzugeben, kamen überraschend. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, der Vattenfall schon heftig kritisiert hatte, würde eine solche Lösung begrüßen.

    "E.on ist ein Betreiber, auch von Brokdorf, mit dem wir wenig Probleme haben. Insofern sehe ich, dass es natürlich hier eine gewisse Verbesserung gibt."

    An Brokdorf ist E.on zu 80 Prozent und Vattenfall zu 20 Prozent beteiligt. Anders als Krümmel und Brunsbüttel fällt Brokdorf kaum negativ auf. Für die Atomkraftgegner wäre allein eine Übertragung der Betriebsführung an E.on aber kein Grund zur Freude – auch nicht für den Grünen-Fraktionschef im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Robert Habeck:

    "Freuen tue ich mich erst, wenn die Schrott-Reaktoren nicht wieder ans Netz gehen."

    Zumindest könnte es einige Zeit dauern, bis die Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel wieder Strom liefern. Denn einen Wechsel in der Betriebsführung muss die Atomaufsicht zunächst gründlich prüfen.