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Zuviel zu studieren

12.300 Studiengänge warten in Deutschland auf Studierende. Nicht immer erschließt sich auf den ersten Blick, was hinter einem wohlklingenden Fächernamen zu erwarten ist. Klaus Deuse hat sich Gedanken zur Fächerflut gemacht.

Von Klaus Deuse | 22.05.2009
    Behaupte bloß niemand mehr, Deutschland sei ein Bildungsnotstandgebiet. Von wegen! An den Hochschulen gibt es sage und schreibe rund 12.300 Studiengänge. Was für eine famose Vielfalt. Nun hat diese Vielfalt jedoch selbst für hochintelligente Studienfanfänger einen Haken. Nicht nur die Qual der Wahl. Nein, viele geraten allein schon bei der Frage, was sich eigentlich hinter dem Fach "Life Science", das man in Hannover studieren kann, verbergen mag, in dumpfes Grübeln.

    Und sollte man, falls man das Rätsel gelöst hat, dann doch nicht besser gleich "Applied Life Science" in Kaiserslautern oder "Integrated Life Sciences" in Erlangen belegen. Irgendwie klingen diese Angebote kompletter. Wenn schon Life Science, dann aber richtig. Zu ANIS in Augsburg und CIM in Bremerhaven gibt es dagegen keine Alternative. Bei ANIS handelt es sich nämlich nicht um ein Gewürzstudium, sondern um Anwendungsorientierte interkulturelle Sprachwissenschaften. Das muss man erst einmal wissen. Und wer sich für CIM entscheidet, sollte immun gegen Seekrankheit sein. CIM steht nämlich für das einzigartige Studienfach "Cruise Industry Management". Da bekommt man so ziemlich alles vermittelt, was man auf hoher See alles braucht, um nörgelnde Gäste auf einem Traumschiff bei Laune zu halten. Bis zur Bord-Animation.

    Bahnbrechend, was man heutzutage so alles studieren kann. Zum Beispiel auch den Studiengang "Bahnbetrieb und Infrastruktur" in Erfurt. Ob die Absolventen auch dafür qualifiziert werden, dass die Bahn künftig pünktlich ankommt, geht aus dem Studienführer allerdings nicht hervor. Und ob hinter dem Fach "Eingebettete Systeme" in Mittweida womöglich die Matratzenindustrie steht, das bleibt ebenso nebulös wie die Annahme, dass es sich um ein spezielles Angebot für akademische Schnarchnasen handeln könnte. Bei manchem Studiengang weiß man gar nicht, wo es lang geht, wobei die Bachelor- und Masterabschlüsse doch für ein arbeitsmarktnahes Studium sorgen sollten. So bietet Regensburg etwa ein "Frei kombinierbares Nebenfach" an. Was immer man da lernt, man kann es studieren. Eigentlich kann man inzwischen alles studieren. Sogar Fächer, die es bisher überhaupt nicht gab, wie Adaptronik in Göttingen oder Bionik in Bremen. Aber egal, danach ist man Akademiker. Auch nach dem Studium Körperpflege in Darmstadt oder Kosmetologie in Osnabrück, selbst wenn man die Grundkenntnisse bereits zuvor in der Kinderstube oder der Damentoilette gelernt haben sollte.

    Es ist schon nicht einfach für Abiturienten von heute, aus dem immensen Angebot das passende Studienfach zu finden. Selbst ein Genie wie Albert Einstein oder ein Universalgelehrter wie Alexander von Humboldt hätten sich schwer getan. Allerdings hätten sie womöglich alle 12.300 Fächer belegt, um den Campus nicht ungebildet zu verlassen. Nur zur Beruhigung sei angemerkt: wer weiß, wozu er berufen ist oder wonach es ihn inbrünstig drängt, der findet noch heute passende Studiengänge. Nicht nur Zahnmedizin. Den Bachelor of Music auf beziehungssweise an der Blockflöte bietet nur Stuttgart, und nur in München endet das Studium Hackbrett mit einem Diplom.