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Zwangsstopp für Windräder

Wer Windstrom erzeugt, braucht sich nicht um den Absatz zu sorgen: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz verpflichtet Energieversorger zur Abnahme. In Schleswig-Holstein klappt das aber nicht so reibungslos: Bei starkem Wind schaltet der Netzbetreiber E.ON Windräder mit dem Argument ab, die Netze seien überlastet. Das Thema hat erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, denn mehr als 30 Prozent der Stromerzeugung im nördlichsten Bundesland entstammen der Windkraft.

Von Jasper Barenberg |
    Seit Jahren schon ist das Stromnetz im Norden überlastet. Windkraftanlagen erzeugen immer mehr Energie. Die Stromleitungen aber reichen nicht aus, um sie von den Windparks ins Hochspannungsnetz weiterzuleiten. Immer öfter schaltet Netzbetreiber E.ON deshalb Rotoren ab, und zwar ausgerechnet an besonders windreichen Tagen. Und zum Schaden der Windmüller, klagt Hermann Albers vom Bundesverband Windenergie:

    "Wir hatten im vergangenen Jahr Schäden von fünf Millionen Euro und in diesem Jahr bereits bis Mai fünf Millionen Euro! Dieses Jahr werden wir also schätzungsweise zwölf bis fünfzehn Millionen Euro Schaden in der Windbranche haben!"

    Hunderte Millionen Kilowattstunden Öko-Strom gehen auf diese Weise verloren. Nach Berechnungen des Verbandes mussten die Windmüller im letzten Jahr auf sieben Prozent Erträge verzichten, für dieses Jahr erwartet Hermann Albers ein Minus von bis zu 15 Prozent. Verantwortlich dafür macht er den Netzbetreiber E.ON. Längst stünden technischen Möglichkeiten zur Verfügung, um zumindest die Transportkapazitäten der bestehenden Leitungen um bis zu 100 Prozent zu erhöhen:

    "Das ist internationaler Standard: In Großbritannien, in Irland, in den USA wird das längst umgesetzt. E.ON aber weigert sich, das zu tun und schaltet statt dessen Windmühlen ab. Das heißt, andere Betreiber werden wirtschaftlich geschädigt. Das halten wir für falsch."

    Mathias Boxberger von E.ON Netz verteidigt das so genannte Erzeugungsmanagement, das es dem Unternehmen gestattet, die Einspeisung von Windstrom zeitweilig zu drosseln. Das Unternehmen sei aber seit Jahren auch darum bemüht, die Leistungsähigkeit seiner Stromleitungen zu verbessern:
    "Wir sind soweit gekommen, dass wir in diesem Herbst bundesweit erstmalig einen Feldversuch starten werden, mit dem wir, wenn starker Wind weht und die klimatischen Verhältnisse entsprechend sind, eine signifikante Höherauslastung bekommen und damit auch eine signifikante Reduzierung des Erzeugungsmanagements."

    Darüber hinaus ist der Bau neuer Leitungen nötig, darüber herrscht Einigkeit. Heftig gestritten aber wird um die technische Umsetzung. Die Windmüller setzen auf unterirdische Kabeltrassen. Für Hermann Albers vom Bundesverband Windenergie die mit Abstand beste Lösung:

    "Erdkabel sind in ein bis zwei Jahren genehmigungsfähig, haben eine sehr hohe Akzeptanz bei den Gemeinden, den Anliegern, den Landwirten. Insofern haben wir mit dem Bundesverband Windenergie eine breite Allianz mit Bürgern, Landkreisen und dem Bauernverband erreicht, die sich alle für die Nutzung von Erdkabeln aussprechen."

    E.ON Netz dagegen bevorzugt Strommasten, also eine so genannte Freileitung und lehnt den Bau eines Erdkabels ab:
    "Nicht alles, was wünschenswert ist, ist finanzierbar. Wir können uns ein Kabel deshalb nicht leisten, weil es im konkreten Fall über 20 Millionen Euro teurer wäre. In Zeiten, in denen eine Regulierungsbehörde auf staatlichen Geheiß versucht, die Energieentgelte so niedrig wie möglich zu halten, passt dies überhaupt nicht in die Landschaft."

    Dass Freileitungen wesentlich billiger sind als Erdkabel, bezweifeln Fachleute wie Windmüller. Sie werfen Netzbetreiber E.ON vor, den Ausbau des Stromnetzes bewusst zu verschleppen, um die Konkurrenz zur konventionellen Stromerzeugung möglichst klein zu halten:

    "Wir wissen seit 1999, welchen Bedarf wir haben werden. Man hätte seitdem eine Netzplanung machen können, die dafür gesorgt hätte, dass wir die Netze haben, die wir benötigen."

    Hermann Albers vom Bundesverband Windenergie empfiehlt den Windmüllern deshalb, vor Gericht zu ziehen und E.ON Netz auf Schadenersatz zu verklagen:

    "Es gibt bereits erste anhängige Klagen, die im Verfahren sind. Und es gibt eine große Zahl, wie die Juristen uns berichten, von Verfahren, die in den nächsten Tagen und Wochen eingereicht werden."

    Die Windmüller sehen ihre wirtschaftliche Existenz in Gefahr, der Bundesverband Windenergie anstehende Investitionen in Höhe von 300 Millionen Euro. Er weiß viele Politiker und viele Anwohner auf seiner Seite. Sie sind entschlossen, sich gegen Strommasten auf ihren Feldern zur Wehr zu setzen. Davon aber und von möglichen Gerichtsverfahren will sich Mathias Boxberger von E.ON Netz nicht unter Druck setzen lassen. Obwohl das Genehmigungsverfahren dafür absehbar noch Jahre dauern wird, gibt das Unternehmen der Freileitung unverdrossen den Vorzug:

    "Dadurch, dass die Diskussion Freileitung und Kabel mit solcher Vehemenz geführt wird, wird letztlich ein zügiger Ausbau des Netzes blockiert. Und dieses ist nicht der E.ON Netz zuzuschreiben."