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Zwei Daumen großes Heinzelmännchen

Bernd Schloemer ist eigentlich IT-Berater, aber in seiner Freizeit fotografiert er. Er mag porösen Untergrund, gern bemoost oder mit interessanten Strukturen. Denn darauf finden seine Miniaturfiguren "Colognies" besonders gut Platz.

Von Franziska Rattei |
    Auf der Kölner Domplatte, dem Platz vor dem Wahrzeichen der Stadt, steht ein Mann mit braunem Trenchcoat. Darunter: nichts als eine türkisfarbene Badehose. Er hält seinen Mantel weit geöffnet und wartet darauf, dass die Passanten ihn entdecken.

    "- "Hä, was? Ein Mann, der oben ohne ist."
    - "Ein Exibitionist.""

    Vor ihm: ein Fotograf mit Kamerastativ. Er rückt den Halbnackten ins rechte Licht.

    "So, jetzt haben wir eine Belichtung von 1/200-stel, Blende 13 und Iso 100."

    Da weht der Wind den Exibitionisten um.

    "Ist heute leider ein bisschen zu viel Wind für die Kleinen... Aber ist schon ok."

    "Die Kleinen" - das sind Bernd Schloemers Modelle. Rund zwei Zentimeter hoch, also etwas größer als ein Daumennagel. Schloemer stellt sie an köln-typischen Orten auf, fixiert sie mit einem kleinen Tupfen Kleber und fotografiert sie.

    "Also, ich nehm an, dass ein Taubenschiss größer ist als die Figur, die sie da hingestellt haben. Die weht ja auch dauernd um, wenn man die Hand nicht vorhält."

    Solche Kommentare sind selten, sagt Schloemer. Normalerweise sind die Leute neugierig, warum er sein Objektiv so merkwürdig ausrichtet. Bis sie die kleinen Figürchen entdecken, die in Pfützen baden, zwischen Grashalmen wandern, Kaffeebecher besteigen oder tote Hummeln abtransportieren. Der Fotograf möchte die Menschen aufmerksam machen auf ihre Umwelt: ihren Blick auf unbeachtete Winkel und Ecken lenken.

    "Und ich versuche dann immer so Szenen zu nehmen, die ein bisschen was aussagen. Also, sie sollen entweder lustig sein, Alltagsszenen sein oder manchmal auch bis zu einem gewissen Grad provozierend sein. Das versuche ich dann im Foto umzusetzen."

    Weil alle Motive einen Kölschen Hintergrund haben - also den Dom, den Rhein, die alte Stadtmauer - nennt Bernd Schloemer seine Fotofigürchen "Colognies". Inzwischen hat er rund 300 Stück von ihnen zu Hause.

    "Das sind Figuren, die normalerweise für die Modelleisenbahn verwendet werden. Und deshalb hat man eben den Vorteil, dass es so eine große Auswahl von Figuren gibt. Und davon profitiere ich dann einfach auch."

    Trotzdem muss er fast alle "Models" noch einmal mit Pinsel und Farbe nachbearbeiten.

    "Also eine Farbe von einer Jeans-Hose, die in einem Blauton ist oder einer Jacke. Dass es eben so ein bisschen passt zu der modernen Zeit. Weil die Figuren von den Herstellern sind häufig so 60-er/70-er-Jahre-Stil - das passt dann nicht ganz so."

    In seinem ersten Fotobuch zeigt Schloemer Colognies aller Generationen und Berufsgruppen. Da ist zum Beispiel der Bauarbeiter, der Löcher in Schweizer Käse bohrt oder die alte Frau, die mit einer Miniaturharke eine Kokainline vorbereitet. - Helferlein also. Schließlich gehören alle Colognies zur Population der Kölner Heinzelmännchen.

    "Die Geschichte habe ich irgendwann früher als Kind auch mal zu hören gekriegt. Und die Idee ist natürlich: Es sollen nach wie vor die Heinzelmännchen sein; nur einfach in der modernen Form. Das heißt: Die haben sich kulturell auch weiterentwickelt, im Positiven wie im Negativen. Es gibt die freundlichen, die immer noch helfen, aber es gibt auch die bösen. Und es gibt die bösen Frauen auch manchmal. Und das macht's eben aus."

    Die Idee, kleine Männchen mit Makroobjektiv zu fotografieren, ist allerdings nicht neu. Das Künstlerduo "Minimiam" aus Frankreich inszeniert die Miniaturmenschen vorwiegend auf Lebensmitteln. Und der britische Künstler "Slinkachu" ist mit seinen Bildern der "little people" seit Jahren international bekannt. Sein Thema: Die Großstädter in London, New York, Hong Kong, Doha oder Paris daran erinnern, wie klein sie eigentlich sind oder wie klein sie sich vielleicht manchmal fühlen. Bernd Schloemer geht es um etwas anderes.

    "Die Grundidee ist einfach: Was wäre wenn? Wenn es jemanden geben würde, der 20 Milimeter groß ist und sich in einer ganz normalen Umgebung bewegen würde. Was würde er machen? Das heißt: Ich möchte erreichen, dass die Leute vielleicht mal nachdenken, dass sie aber viel Spaß haben beim Betrachten der Bilder oder manchmal einfach auch nur schmunzeln. Das ist mein Ziel."