Es waren die Fräuleins, in denen Ödön von Horvath in vielen seiner Werke das Aufbegehren des Kleinbürgertums und eine erwachende Emanzipation verkörperte und denen seine ganze Sympathie gehörte. Ob in den Stücken "Eine Unbekannte aus der Seine", "Kasimir und Karoline" oder "Geschichten aus dem Wiener Wald" oder in dem Roman "36 Stunden": Ihr Wunsch nach Eigenständigkeit ist groß und doch enden sie furchtbar, die Fräuleins. Das ist bei der Elisabeth in "Glaube Liebe, Hoffnung" nicht anders, egal ob sie ihren eigenen Körper als Forschungsobjekt in spe dem Anatomischen Institut anbietet, ob sie mit einem Wandergewerbeschein Damenwäsche verkauft oder sich von einem Schupo aushalten lässt, die Gesetze werden noch immer gegen sie verwandt, bis sie ins Wasser geht. Dabei will sie doch gar nicht so viel und hat die Gesetze des Lebens längst verstanden:
Elisabeth:
"Es müssen halt immer viele Unschuldige dran glauben."
Schupo:
"Das lässt sich nicht umgehen in einem geordneten Staatswesen."
Elisabeth:
"Das seh ich schon ein, dass es ungerecht zugehen muss, weil halt die Menschen keine Menschen sind - aber es könnt doch auch ein bisschen weniger ungerecht zugehen."
Schupo:
"Also das ist Philosophie."
In Christoph Marthalers Wiener Festwocheninszenierung von "Glaube Liebe Hoffnung" sind es gleich zwei Elisabeths, die da versuchen, ihr Fräulein zu stehen. Erst spielen sie ihre Szenen beide durch, erst die eine, dann die andere, dann wechseln sie sich ab, schließlich verschwestern sie sich, bieten sich das Du an, am Schluss werden es 5 Fräuleins sein, die man nass von draußen, von der Seine hereinträgt und leblos auf den Boden legt. Die Herren, die zugegen sind, sie tragen alle Mitschuld an diesem Freitod, der Schupo, dem seine Karriere wichtiger war, der Leichenpräparator, der dem sich anbietenden Körper fast nicht widerstehen kann und der sich dann doch betrogen fühlt, oder der Amtsgerichtsrat, der das Fräulein zu 14 Tagen ohne Bewährung verurteilt, weil er so schneller zum Mittagessen kommt. Sie werden vielleicht kurz einmal sentimental werden, um dann aber doch zur Militärparade zu gehen. Der Krieg, er lauert als unbewusstes Potenzial in dieser ebenso spießig gesetzten wie zugleich bedrohlichen Männerwelt, kein Wunder dass da in Marthalerischer Manier Militärseliges Liedgut einher kommt:
"Ich hatt' einen Kameraden,
Einen bessern findst du nit.
Die Trommel schlug zum Streite, ... "
Es ist als hole Christoph Marthaler gleich alle Horvathschen Fräuleins auf die Bühne und stelle sie zugleich in eine völlig pervertierte Umgebung. Selbst noch den eigentlich 24 Jahre jungen Schupo hat Marthaler mit dem 57-jährigen Ueli Jäggi besetzt, da zeigt sich ein System lemurenhafter Funktionsträger, die sich lendenlahm zwar, aber dennoch den Zugriff auf den weiblichen Nachwuchs offenhalten. Daneben gibt es dann noch die zugerichteten Frauen, wie die Damenwäschehändlerin Prantl etwa oder die Frau Amtsgerichtsrätin, die vielleicht auch einmal ein Fräulein war, die man dann aber domestiziert hat. Ja es ist kein schönes Bild, was Marthaler da mit Hilfe von Horvath von der Geschlechterwelt entwirft. Ohnehin kann man sagen, sind diese Fräuleinspiele auch aus unserer Gegenwart wohl noch keineswegs völlig verschwunden, auch wenn all das in dem Bühnenraum von Anna Viebrock wieder einmal zeitlich irgendwo vor 40- oder 50-Jahren angesiedelt ist und heute wohl etwas subtiler zugeht: Hinter der tristen Schwingtürfassade des Anatomischen Instituts stehen Schaufensterpuppen in Strapsen in schummrig tristen Schränken und aus der hochgemauerten Wand lassen sich bei Bedarf Betten klappen.
Natürlich dauert dieser Abend lang, gute dreieinhalb Stunden, doch anders als bei seinen letzten Arbeiten bei den Wiener Festwochen, die wie etwa das "Subpolare Basislager plus minus Null" im letzten Jahr eigene Projekte waren, hat man bei diesem Horvath nun wieder das Gefühl, dass das Marthalerische Theater des Zerdehnens der Zeit, das Singen und Summen, einen Gegenstand hat. Marthaler zeigt, was für ein starkes und zugleich monströses Stück das ist: dieses "Glaube Liebe Hoffnung".
Elisabeth:
"Es müssen halt immer viele Unschuldige dran glauben."
Schupo:
"Das lässt sich nicht umgehen in einem geordneten Staatswesen."
Elisabeth:
"Das seh ich schon ein, dass es ungerecht zugehen muss, weil halt die Menschen keine Menschen sind - aber es könnt doch auch ein bisschen weniger ungerecht zugehen."
Schupo:
"Also das ist Philosophie."
In Christoph Marthalers Wiener Festwocheninszenierung von "Glaube Liebe Hoffnung" sind es gleich zwei Elisabeths, die da versuchen, ihr Fräulein zu stehen. Erst spielen sie ihre Szenen beide durch, erst die eine, dann die andere, dann wechseln sie sich ab, schließlich verschwestern sie sich, bieten sich das Du an, am Schluss werden es 5 Fräuleins sein, die man nass von draußen, von der Seine hereinträgt und leblos auf den Boden legt. Die Herren, die zugegen sind, sie tragen alle Mitschuld an diesem Freitod, der Schupo, dem seine Karriere wichtiger war, der Leichenpräparator, der dem sich anbietenden Körper fast nicht widerstehen kann und der sich dann doch betrogen fühlt, oder der Amtsgerichtsrat, der das Fräulein zu 14 Tagen ohne Bewährung verurteilt, weil er so schneller zum Mittagessen kommt. Sie werden vielleicht kurz einmal sentimental werden, um dann aber doch zur Militärparade zu gehen. Der Krieg, er lauert als unbewusstes Potenzial in dieser ebenso spießig gesetzten wie zugleich bedrohlichen Männerwelt, kein Wunder dass da in Marthalerischer Manier Militärseliges Liedgut einher kommt:
"Ich hatt' einen Kameraden,
Einen bessern findst du nit.
Die Trommel schlug zum Streite, ... "
Es ist als hole Christoph Marthaler gleich alle Horvathschen Fräuleins auf die Bühne und stelle sie zugleich in eine völlig pervertierte Umgebung. Selbst noch den eigentlich 24 Jahre jungen Schupo hat Marthaler mit dem 57-jährigen Ueli Jäggi besetzt, da zeigt sich ein System lemurenhafter Funktionsträger, die sich lendenlahm zwar, aber dennoch den Zugriff auf den weiblichen Nachwuchs offenhalten. Daneben gibt es dann noch die zugerichteten Frauen, wie die Damenwäschehändlerin Prantl etwa oder die Frau Amtsgerichtsrätin, die vielleicht auch einmal ein Fräulein war, die man dann aber domestiziert hat. Ja es ist kein schönes Bild, was Marthaler da mit Hilfe von Horvath von der Geschlechterwelt entwirft. Ohnehin kann man sagen, sind diese Fräuleinspiele auch aus unserer Gegenwart wohl noch keineswegs völlig verschwunden, auch wenn all das in dem Bühnenraum von Anna Viebrock wieder einmal zeitlich irgendwo vor 40- oder 50-Jahren angesiedelt ist und heute wohl etwas subtiler zugeht: Hinter der tristen Schwingtürfassade des Anatomischen Instituts stehen Schaufensterpuppen in Strapsen in schummrig tristen Schränken und aus der hochgemauerten Wand lassen sich bei Bedarf Betten klappen.
Natürlich dauert dieser Abend lang, gute dreieinhalb Stunden, doch anders als bei seinen letzten Arbeiten bei den Wiener Festwochen, die wie etwa das "Subpolare Basislager plus minus Null" im letzten Jahr eigene Projekte waren, hat man bei diesem Horvath nun wieder das Gefühl, dass das Marthalerische Theater des Zerdehnens der Zeit, das Singen und Summen, einen Gegenstand hat. Marthaler zeigt, was für ein starkes und zugleich monströses Stück das ist: dieses "Glaube Liebe Hoffnung".