Nach Begehung einer schweren Straftat wurden vom Täter die nachfolgend abgebildeten Gegenstände am Tatort zurückgelassen: Montagezange (Wasserpumpenzange), Länge: 250 mm; Taschenmesser mit einer Klinge und kombiniertem Schraubenzieher/Kronenverschlussöffner, grüne, leicht geriffelte Plastschalen; Barometer, goldfarbenes Gehäuse…
Es ermittelte allerdings nicht die Volkspolizei, sondern das Ministerium für Staatssicherheit. Die schwere Straftat war die Flucht aus der DDR.
Pößneck ist im Jahr 1979 eine Stadt mit 20 000 Einwohnern, Naila eine mit 7000. Nicht einmal 50 Kilometer trennen beide Städte. Eine Entfernung, die ein Tagesmarsch sein könnte. Doch zwischen beiden Städten liegen nicht nur knapp 50 Kilometer, sondern Welten. Pößneck gehört zu Thüringen, genauer zum Bezirk Gera, Naila dagegen liegt in Franken. Dazwischen verläuft die Grenze. Zwei Thüringer Familien wollen diese Grenze überwinden. Doch zu ebener Erde stehen die schier unüberwindbaren Grenzanlagen. Einen Grenzfluss gibt es in Thüringen nicht. Bleibt nur der Weg durch die Luft – ein tollkühnes Unterfangen.
Wir haben den Frauen erzählt, da kann doch gar nicht passieren. Wir bauen einen Ballon und fliegen rüber. Dass da was passieren kann – auf die Idee sind wir gar nicht gekommen.
Petra Wetzel wollte zur Beerdigung ihrer Pflegemutter reisen. Ohne Begründung wurde ihr eine Genehmigung verwehrt. Einspruch gegen die Entscheidung war unmöglich. Den Familien Strelzyk und Wetzel geht es nicht wirklich schlecht in der DDR, aber sie werden gegängelt, mit den üblichen Parolen genervt – sie wollen einfach raus. Der Plan zur Flucht mit einem Heißluftballon wird sehr konkret – ein Ballon für acht Personen, zwei Männer, zwei Frauen und vier Kinder im Alter von zwei bis fünfzehn Jahren.
In der gesamten DDR kaufen die Thüringer Familien das nötige Material zusammen. Ein erster Startversuch ergibt: es war das falsche. Alles beginnt von vorn, doch der Fluchtversuch scheitert, der Ballon geht zweihundert Meter vor der Grenze zu Boden. Die Stasi finden zwar die Überreste des Fluchtversuchs, weiß aber nicht, wer dahinter steckt. Deshalb der merkwürdige Aufruf in der Zeitung:
Wer kann Hinweise zu Personen geben, die diese Gegenstände in Besitz hatten? Zweckdienliche Hinweise, die auf Wunsch vertraulich behandelt werden…
Doch niemand konnte oder wollte Hinweise geben. Die Fluchtwilligen müssen sich beeilen. Ein drittes Mal gehen sie auf Einkaufstour. Sie kaufen nur kleine Mengen, müssen sie doch damit rechnen, dass sämtliche Geschäfte der DDR instruiert sind, sich die Käufer größerer Mengen luftundurchlässigen Stoffs genau anzusehen. Die Zeit drängt.
Die Ballonhülle muss 2000 Kubikmeter Luft fassen, sie muss also 20 Meter breit und 25 Meter lang sein so groß wie ein achtstöckiges Haus. Was auf diese Weise entsteht ist damals, im Jahr 1979 der größte Heißluftballon Europas.
Hätte ich vorher gewusst, dass da was hätte passieren können, alles mögliche, bei dem nicht TÜV-geprüften Ballon, da wäre ich sicher nie eingestiegen, niemals. Wenn man das alles im Tageslicht gesehen hätte…
Als der Ballon fertig ist, wird der Wetterbericht zur wichtigsten Informationsquelle für die Familien. Am 15. September schließlich weht der Wind stark genug in die richtige Richtung – gen Westen. Eine Stunde vor Mitternacht machen sich die Strelzyks und Wetzels auf den Weg zu einer Bergkuppe. Dort machen sie den Ballon startklar. Alle Vorbereitungen haben sie genau durchgespielt. Eine knappe Viertelstunde dauert es, bis die Hülle vollständig mit Luft gefüllt ist. Die Flüchtlinge besteigen die Plattform, kappen die Verankerungen und steigen in die Luft. Achtundzwanzig angestrengte Minuten werden sie dort bleiben – mit der Angst vor Entdeckung oder vor technischen Versagen. Und mit der Angst, wieder knapp vor der Grenze zu landen. Am 16. September 1979, gegen 02 Uhr 45 landet der Ballon. Den Reportern im Westen sprechen die beiden Familien später in die Mikrofone:
Zuerst konnte man es noch gar nicht richtig glauben.
Vor allen Dingen erst einmal Boden unter den Füssen zu haben. Wo wir da waren, das war mir praktisch egal. Hauptsache wir waren alle, vor allem die Kinder heil wieder auf dem Fußboden.
Mit einem Muskelfaserriss, ein paar Hautabschürfungen und leichten Prellungen überstanden die beiden Familien die Flucht. Sie werden gefeiert, Hollywood verfilmt die Flucht – und das fränkische Naila steht vorübergehend im Blickpunkt des Weltinteresses. Die Mauer aber hatte schon elf Tage nach ihrer Errichtung das erste Todesopfer gefordert.
Es ermittelte allerdings nicht die Volkspolizei, sondern das Ministerium für Staatssicherheit. Die schwere Straftat war die Flucht aus der DDR.
Pößneck ist im Jahr 1979 eine Stadt mit 20 000 Einwohnern, Naila eine mit 7000. Nicht einmal 50 Kilometer trennen beide Städte. Eine Entfernung, die ein Tagesmarsch sein könnte. Doch zwischen beiden Städten liegen nicht nur knapp 50 Kilometer, sondern Welten. Pößneck gehört zu Thüringen, genauer zum Bezirk Gera, Naila dagegen liegt in Franken. Dazwischen verläuft die Grenze. Zwei Thüringer Familien wollen diese Grenze überwinden. Doch zu ebener Erde stehen die schier unüberwindbaren Grenzanlagen. Einen Grenzfluss gibt es in Thüringen nicht. Bleibt nur der Weg durch die Luft – ein tollkühnes Unterfangen.
Wir haben den Frauen erzählt, da kann doch gar nicht passieren. Wir bauen einen Ballon und fliegen rüber. Dass da was passieren kann – auf die Idee sind wir gar nicht gekommen.
Petra Wetzel wollte zur Beerdigung ihrer Pflegemutter reisen. Ohne Begründung wurde ihr eine Genehmigung verwehrt. Einspruch gegen die Entscheidung war unmöglich. Den Familien Strelzyk und Wetzel geht es nicht wirklich schlecht in der DDR, aber sie werden gegängelt, mit den üblichen Parolen genervt – sie wollen einfach raus. Der Plan zur Flucht mit einem Heißluftballon wird sehr konkret – ein Ballon für acht Personen, zwei Männer, zwei Frauen und vier Kinder im Alter von zwei bis fünfzehn Jahren.
In der gesamten DDR kaufen die Thüringer Familien das nötige Material zusammen. Ein erster Startversuch ergibt: es war das falsche. Alles beginnt von vorn, doch der Fluchtversuch scheitert, der Ballon geht zweihundert Meter vor der Grenze zu Boden. Die Stasi finden zwar die Überreste des Fluchtversuchs, weiß aber nicht, wer dahinter steckt. Deshalb der merkwürdige Aufruf in der Zeitung:
Wer kann Hinweise zu Personen geben, die diese Gegenstände in Besitz hatten? Zweckdienliche Hinweise, die auf Wunsch vertraulich behandelt werden…
Doch niemand konnte oder wollte Hinweise geben. Die Fluchtwilligen müssen sich beeilen. Ein drittes Mal gehen sie auf Einkaufstour. Sie kaufen nur kleine Mengen, müssen sie doch damit rechnen, dass sämtliche Geschäfte der DDR instruiert sind, sich die Käufer größerer Mengen luftundurchlässigen Stoffs genau anzusehen. Die Zeit drängt.
Die Ballonhülle muss 2000 Kubikmeter Luft fassen, sie muss also 20 Meter breit und 25 Meter lang sein so groß wie ein achtstöckiges Haus. Was auf diese Weise entsteht ist damals, im Jahr 1979 der größte Heißluftballon Europas.
Hätte ich vorher gewusst, dass da was hätte passieren können, alles mögliche, bei dem nicht TÜV-geprüften Ballon, da wäre ich sicher nie eingestiegen, niemals. Wenn man das alles im Tageslicht gesehen hätte…
Als der Ballon fertig ist, wird der Wetterbericht zur wichtigsten Informationsquelle für die Familien. Am 15. September schließlich weht der Wind stark genug in die richtige Richtung – gen Westen. Eine Stunde vor Mitternacht machen sich die Strelzyks und Wetzels auf den Weg zu einer Bergkuppe. Dort machen sie den Ballon startklar. Alle Vorbereitungen haben sie genau durchgespielt. Eine knappe Viertelstunde dauert es, bis die Hülle vollständig mit Luft gefüllt ist. Die Flüchtlinge besteigen die Plattform, kappen die Verankerungen und steigen in die Luft. Achtundzwanzig angestrengte Minuten werden sie dort bleiben – mit der Angst vor Entdeckung oder vor technischen Versagen. Und mit der Angst, wieder knapp vor der Grenze zu landen. Am 16. September 1979, gegen 02 Uhr 45 landet der Ballon. Den Reportern im Westen sprechen die beiden Familien später in die Mikrofone:
Zuerst konnte man es noch gar nicht richtig glauben.
Vor allen Dingen erst einmal Boden unter den Füssen zu haben. Wo wir da waren, das war mir praktisch egal. Hauptsache wir waren alle, vor allem die Kinder heil wieder auf dem Fußboden.
Mit einem Muskelfaserriss, ein paar Hautabschürfungen und leichten Prellungen überstanden die beiden Familien die Flucht. Sie werden gefeiert, Hollywood verfilmt die Flucht – und das fränkische Naila steht vorübergehend im Blickpunkt des Weltinteresses. Die Mauer aber hatte schon elf Tage nach ihrer Errichtung das erste Todesopfer gefordert.