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Zwei Firmen, zwei Bilanzen

Der alte Herr schaut wohlwollend von der Wand. August Borsig sieht aus wie ein Schutzheiliger. Das Foto des Unternehmensgründers hat Geschäftsführer Konrad Nassauer in seinem Büro immer vor Augen. Die 172-jährige Unternehmenstradition sei in der Krise sehr hilfreich gewesen, sagt der Borsig-Geschäftsführer.

Von Wolfram Stahl | 17.12.2009
    "Das liegt an einem langen, gewachsenen Technologieverständnis und Know-how und natürlich der guten Reputation des Namens Borsig und der Produkte von Borsig."

    Der Apparatebau in Berlin-Tegel ist noch richtige Old Economy. Es wird gehämmert, geschraubt, geschweißt und geflext. Riesige, zig Tonnen schwere Stahlkessel werden hier gefertigt.

    "In dem Bereich, in dem wir tätig sind – Öl, Gas, Chemie, Petrochemie, Power Industrie – sind die Einbrüche der Wirtschaftskrise nicht so stark zu bemerken wie sicherlich in der Automobilindustrie oder in anderen Bereichen."

    Die Umsatzeinbußen bei Borsig werden am Jahresende zwischen zehn und 15 Prozent liegen. Genauer lasse es sich noch nicht sagen, weil noch einige Vertragsschlüsse ausstünden. Fest steht aber schon jetzt, dass es keine Verluste geben wird.

    "Wir haben geplant für dieses Jahr einen Auftragseingang in der gesamten Gruppe von ca. 240 Millionen. Wir werden wahrscheinlich am Ende des Jahres zwischen 210 bis 220 Millionen erreichen. Insgesamt bin ich mit dem Auftragseingang sehr zufrieden. Aufträge bei uns werden nur in die Bücher genommen, wenn tatsächlich das Auftragsschreiben und die Auftragsbestätigung ausgestellt ist."

    Bei der Dachdeckerei Zack in Berlin-Zehlendorf bestimmen in diesen Tagen Schneefälle und Kälte das Geschehen. Bis morgen werden noch alle Baustellen winterfest gemacht. Dann ruht der Betrieb erst einmal.

    "Also im Endeffekt wird alles gesichert, sodass der Kunde keine Wassereinbrüche hat, dass keine Kälte irgendwo ins Haus reinkommen kann, sodass man halt gewissermaßen gut über den Winter rüberkommt und dass man dann halt im neuen Jahr, wenn das Wetter besser wird, wieder vernünftig arbeiten kann."

    Juniorchef Marcel Zack macht einen entspannten Eindruck. Er will sich, wie seine Dachdecker auch, erst einmal von der anstrengenden Saisonarbeit erholen. Die 18 Arbeiter haben zum Teil noch Resturlaub und bekommen anschließend Schlechtwettergeld. Der letzte Winter war hart und dauerte bis Ende März. Trotzdem war dieses Geschäftsjahr das Beste in der Geschichte des Familienbetriebs.

    "Ich bin sehr zufrieden, und ich hoffe, die Tendenz nächstes Jahr wird genauso gut. Wir haben halt eine gute Entscheidung getroffen, indem wir letztes Jahr einen Bauleiter eingestellt haben, der uns auch wieder einen neuen Kundenstamm gebracht hatte und halt die Konjunkturpakete, die uns sehr weitergebracht haben."

    Die Modernisierung und Sanierung von Kindergärten, Schulen und Schwimmbädern, die mit Geld aus dem Konjunkturpaket zwei gefördert werden, hat der Dachdeckerei Zack mehrere Aufträge vom Berliner Senat gebracht.

    "Es sind insgesamt fünf Bauvorhaben, die wir im Endeffekt gewonnen haben, die ungefähr eine Größenordnung hatten von 400.000 Euro. Und das hat natürlich einen starken Aufschwung gebracht."

    Weitere Ausschreibungen des Berliner Senats sind noch nicht entschieden und kommen vielleicht im nächsten Jahr noch hinzu, hofft Marcel Zack. Mit seinem Handwerksbetrieb hat sich der Dachdeckermeister auf Flachdächer und große Gebäudekomplexe spezialisiert. Der 32-Jährige ist ein findiger Unternehmer und will demnächst etwas Neues probieren. Da nur der Versuch klug macht, ihn aber auch unternehmerisch weiterbringen könnte, soll ein kleiner Trupp des Betriebs erstmals außerhalb Berlins arbeiten. Im Raum München werden im kommenden April vier Mann das Dach eines Seniorenwohnheims decken.

    "Da haben wir ein kleineres Bauvorhaben. Damit wollen wir erst einmal anfangen, um zu gucken, ob sich das für uns als Berliner überhaupt rechnet. Um zu sagen, okay, den Weg gehen wir weiter, wir wollen halt öfters noch irgendwo anders arbeiten, und das sehen wir an dieser Baustelle halt."

    Die Zuversicht ist groß. Marcel Zack hat kürzlich 70.000 Euro in eine neue Maschine investiert, damit die Bearbeitung der Dachbleche nicht mehr außer Haus gegeben werden muss. Die Hausbank bewilligte anstandslos den Kredit. Die Kreditklemme haben wir bisher nicht zu spüren bekommen, sagt Marcel Zack.

    "Wir hatten jetzt das Glück gehabt, dass wir uns eine neue CNC-Maschine holen konnten, dass über die Volksbank finanziert wurde, und ich war da sehr erstaunt, dass das wirklich sehr gut funktioniert hat und dass die Bank da völlig hinter uns stand und gesagt hat, okay, sie gehen das Geschäft mit uns ein. Wir hatten eine Wartezeit von einem Tag, der Kredit war dann auch bewilligt worden, sodass wir uns im Endeffekt eine neue CNC-Maschine kaufen konnten."

    Die Auswirkungen der Finanzkrise, sprich die zögerliche Vergabe von Krediten, beobachtet man hingegen bei Borsig. Etwa 6,5 Millionen werden für den Ausbau des Zweigwerkes im sächsischen Meerane investiert, sagt Borsig-Geschäftsführer Konrad Nassauer.
    "Die Banken sind nicht so willens, wie das zu früherer Zeit war, Darlehen zu geben für Erweiterungen, für Neubauten, für Kapazitätserweiterungen und Modernisierungen. Das ist sicherlich auch ein Problem, was auch den Aufschwung hemmen wird."

    Die Auftragseingänge haben bei Borsig seit dem Herbst wieder zugenommen, erklärt Nassauer. Obwohl die Unterstützung der Banken bisher dürftig ist, glaubt der Borsig-Geschäftsführer an eine rosige Zukunft. Ein dreistelliger Millionenauftrag ist im wahrsten Sinne des Wortes in der Pipeline. Mit dem Abschluss dieses Geschäfts könnte Borsig dann auch die Wirtschaftskrise für beendet erklären.

    "Wir verhandeln derzeit sehr intensiv mit der größten chinesischen Öl- und Gasgesellschaft CNPC über Kooperationen, über Joint Venture. Die Chinesen werden einige größere Gaspipelines bauen von Russland nach China, und dazu brauchen sie auch Equipment. Da sind wir im Gespräch und rechnen uns da auch ganz große Chancen aus."