Rainer Schossig: Bisher galt Christoph Willibald Gluck als Erfinder der Opernreform. Gluck entrümpelte vor 250 Jahren das Musiktheater und führte die Oper zu nie gekanntem neuen Glanz. Ob die Politiker, die derzeit in Italien eine sogenannte Opernreform durchziehen, ähnliche Ergebnisse erzielen werden, darf bezeichnet werden. Federführend ist Berlusconis Kulturminister Sandro Bondi: Der kündigte vor einem halben Jahr schon an, dass der verschwenderische Gebrauch öffentlicher Gelder in der Filmindustrie, wie er sagte, gestoppt werden müsse. Nun ist also die Oper dran. Im Ministerrat ist die Reform bereits verabschiedet. Auch wenn das Kleingedruckte noch nicht veröffentlicht wurde, ist der Inhalt bekannt und heftig umstritten. Frage an Thomas Migge in Rom: Die von Kulturminister Bondi angekündigte, oder besser vielleicht, angedrohte Reform der staatlichen Opernhäuser scheint also nun quasi Realität. Was sind denn die Eckpunkte dieser Reform?
Thomas Migge: Die Reform hat zwei Gleise, sagen wir es mal so. Das eine sieht vor, für die Scala in Mailand und für die Accademia di Santa Cecilia in Rom – das ist ein staatliches Konservatorium mit drei Konzerthallen, wo die wichtigsten sinfonischen und Opernkonzerte in Rom aufgeführt werden neben dem Opernhaus –, dass diese beiden Institutionen eine finanzielle Autonomie erhalten. Die erhalten zukünftig nicht mehr für ein Jahr ein staatliches Budget, sondern für drei Jahre, das heißt, die können also wesentlich autonomer finanziell operieren und ihre Saison planen. Alle anderen Opernhäuser, die vom Staat finanziert werden, insgesamt 14 Institutionen, bekommen nach wie vor jährlich das Geld, und das bis zu 50 Prozent gekürzt. Das heißt also, seit einigen Jahren herrscht eine Unsicherheit vor, dass jedes Jahr immer weniger überwiesen wird, und jetzt wird gleich angekündigt, dass bis auf weiteres bis zu 50 Prozent gekürzt wird für die Opernhäuser der Klasse B, denn als solche fühlen sie sich.
Schossig: Sie sagen es, wenn also in Zukunft nur noch die Mailänder Scala und die Accademia di Santa Cecilia in Rom so klare finanzielle Hilfe bekommt, dann droht ja anscheinend für ganz Italien eine Art Musiktheater erster und zweiter Klasse?
Migge: Richtig, genau das meint zum Beispiel Zubin Mehta von Florenz aus, der dort den Maggio Fiorentino vorbereitet, eines der wichtigsten Festivals für klassische Musik und Oper in Italien. Auch der Maggio Fiorentino wird vom Staat gefördert und fällt, so Zubin Mehta, in die Kategorie B. Und dort droht man damit, sämtliche Veranstaltungen im Mai zu blockieren, wenn der Minister nicht eingreift. Aber der Minister wird nicht viel eingreifen können, die ganze Sache wird in den nächsten Tagen im Amtsblatt veröffentlicht und damit ist die Sache natürlich klar.
Schossig: Es gibt ja noch andere große Opern, Verona vielleicht, San Carlo, Roms Staatsoper, Massimo in Palermo oder La Fenice – wie reagieren diese Opern jetzt?
Migge: Die reagieren alle protestierend, lassen allerdings bei der Kritik vielleicht eins außer Acht, was man dem Minister in gewisser Weise zugutehalten muss. Die römische Staatsoper, um nur ein Beispiel zu nennen, erhält 55 Millionen Euro pro Jahr. 70 Prozent gehen davon für laufende Kosten aus und es wird relativ mittelmäßige Qualität geboten. Hinzukommt, dass fünf von 14 vom Staat finanzierte Opernhäuser total verschuldet sind. Also eine Idee, eine Reform durchzuführen, ist gar nicht mal schlecht, aber in der Art und Weise, wie das Gesetz von Bondi das vorsieht, wird die Krise festgeschrieben, weil eben nicht ein Programm entwickelt wurde, um die Schulden abzubauen, um die Theater auf eine feste finanzielle Basis zu stellen – nein, es wird einfach gesagt, ihr bekommt weniger und damit basta, und die beiden anderen bekommen volles Geld.
Schossig: Italien, Herr Migge, ist das Heimatland der Oper, darf man sagen. Wo bleibt das italienische Bürgertum, wo bleiben die Proteste der Intellektuellen und Künstler?
Migge: Genau das fragte in einem Interview vor einigen Tagen Riccardo Muti, der zum Chefankläger, hat man den Eindruck, der Musikschaffenden Italiens geworden ist international, die sagen, Italien, das Land der langen musikalischen Tradition, das geht alles den Bach hinunter. Und Muti sagt auch, dass eben nicht nur Berlusconi der Böse ist, also Berlusconis Minister, sondern man muss auch sagen, um objektiv zu bleiben, dass schon die vorherigen Linken, Regierung von Prodi, kräftig die Schere angesetzt haben, um die Ausgaben zu kürzen, aber ohne die Probleme, die die Theater haben, finanziellen Probleme ernsthaft lösen zu wollen.
Schossig: Wie geht es jetzt weiter? Gibt es doch eine Chance, dass sich da etwas zum Guten wendet?
Migge: Das bezweifle ich, es sei denn, der Staatspräsident entscheidet, dass er dieses Gesetz nicht gegenzeichnen wird. Da es aber im Ministerrat unterzeichnet ist, wird er es gegenzeichnen müssen, weil keine Begründung besteht, dass es verfassungswidrig ist, dieses Gesetz zu decken. Ein Staatsmann kann nur eingreifen, wenn etwas verfassungswidrig ist, also geht die Sache über die Bühne. Ich denke mir, die Zukunft wird die sein des Opernhauses in Rom, das heißt, pro Saison bei 55 Millionen Euro Investition sechs Opern mit Bühnenbildern und Inszenierung aus den 60er-Jahren – was nicht unbedingt schlecht sein muss. Aber in diesem Fall ist es mehr als nur mittelmäßig, weil es werden auch noch Sänger engagiert, die meistens für die Veranstaltung überhaupt nicht geeignet sind. Man will sparen und die römische Staatsoper gibt vor, was bei den anderen Theatern wie La Fenice oder San Carlo in Zukunft eintreten könnte: Mittelmaß.
Thomas Migge: Die Reform hat zwei Gleise, sagen wir es mal so. Das eine sieht vor, für die Scala in Mailand und für die Accademia di Santa Cecilia in Rom – das ist ein staatliches Konservatorium mit drei Konzerthallen, wo die wichtigsten sinfonischen und Opernkonzerte in Rom aufgeführt werden neben dem Opernhaus –, dass diese beiden Institutionen eine finanzielle Autonomie erhalten. Die erhalten zukünftig nicht mehr für ein Jahr ein staatliches Budget, sondern für drei Jahre, das heißt, die können also wesentlich autonomer finanziell operieren und ihre Saison planen. Alle anderen Opernhäuser, die vom Staat finanziert werden, insgesamt 14 Institutionen, bekommen nach wie vor jährlich das Geld, und das bis zu 50 Prozent gekürzt. Das heißt also, seit einigen Jahren herrscht eine Unsicherheit vor, dass jedes Jahr immer weniger überwiesen wird, und jetzt wird gleich angekündigt, dass bis auf weiteres bis zu 50 Prozent gekürzt wird für die Opernhäuser der Klasse B, denn als solche fühlen sie sich.
Schossig: Sie sagen es, wenn also in Zukunft nur noch die Mailänder Scala und die Accademia di Santa Cecilia in Rom so klare finanzielle Hilfe bekommt, dann droht ja anscheinend für ganz Italien eine Art Musiktheater erster und zweiter Klasse?
Migge: Richtig, genau das meint zum Beispiel Zubin Mehta von Florenz aus, der dort den Maggio Fiorentino vorbereitet, eines der wichtigsten Festivals für klassische Musik und Oper in Italien. Auch der Maggio Fiorentino wird vom Staat gefördert und fällt, so Zubin Mehta, in die Kategorie B. Und dort droht man damit, sämtliche Veranstaltungen im Mai zu blockieren, wenn der Minister nicht eingreift. Aber der Minister wird nicht viel eingreifen können, die ganze Sache wird in den nächsten Tagen im Amtsblatt veröffentlicht und damit ist die Sache natürlich klar.
Schossig: Es gibt ja noch andere große Opern, Verona vielleicht, San Carlo, Roms Staatsoper, Massimo in Palermo oder La Fenice – wie reagieren diese Opern jetzt?
Migge: Die reagieren alle protestierend, lassen allerdings bei der Kritik vielleicht eins außer Acht, was man dem Minister in gewisser Weise zugutehalten muss. Die römische Staatsoper, um nur ein Beispiel zu nennen, erhält 55 Millionen Euro pro Jahr. 70 Prozent gehen davon für laufende Kosten aus und es wird relativ mittelmäßige Qualität geboten. Hinzukommt, dass fünf von 14 vom Staat finanzierte Opernhäuser total verschuldet sind. Also eine Idee, eine Reform durchzuführen, ist gar nicht mal schlecht, aber in der Art und Weise, wie das Gesetz von Bondi das vorsieht, wird die Krise festgeschrieben, weil eben nicht ein Programm entwickelt wurde, um die Schulden abzubauen, um die Theater auf eine feste finanzielle Basis zu stellen – nein, es wird einfach gesagt, ihr bekommt weniger und damit basta, und die beiden anderen bekommen volles Geld.
Schossig: Italien, Herr Migge, ist das Heimatland der Oper, darf man sagen. Wo bleibt das italienische Bürgertum, wo bleiben die Proteste der Intellektuellen und Künstler?
Migge: Genau das fragte in einem Interview vor einigen Tagen Riccardo Muti, der zum Chefankläger, hat man den Eindruck, der Musikschaffenden Italiens geworden ist international, die sagen, Italien, das Land der langen musikalischen Tradition, das geht alles den Bach hinunter. Und Muti sagt auch, dass eben nicht nur Berlusconi der Böse ist, also Berlusconis Minister, sondern man muss auch sagen, um objektiv zu bleiben, dass schon die vorherigen Linken, Regierung von Prodi, kräftig die Schere angesetzt haben, um die Ausgaben zu kürzen, aber ohne die Probleme, die die Theater haben, finanziellen Probleme ernsthaft lösen zu wollen.
Schossig: Wie geht es jetzt weiter? Gibt es doch eine Chance, dass sich da etwas zum Guten wendet?
Migge: Das bezweifle ich, es sei denn, der Staatspräsident entscheidet, dass er dieses Gesetz nicht gegenzeichnen wird. Da es aber im Ministerrat unterzeichnet ist, wird er es gegenzeichnen müssen, weil keine Begründung besteht, dass es verfassungswidrig ist, dieses Gesetz zu decken. Ein Staatsmann kann nur eingreifen, wenn etwas verfassungswidrig ist, also geht die Sache über die Bühne. Ich denke mir, die Zukunft wird die sein des Opernhauses in Rom, das heißt, pro Saison bei 55 Millionen Euro Investition sechs Opern mit Bühnenbildern und Inszenierung aus den 60er-Jahren – was nicht unbedingt schlecht sein muss. Aber in diesem Fall ist es mehr als nur mittelmäßig, weil es werden auch noch Sänger engagiert, die meistens für die Veranstaltung überhaupt nicht geeignet sind. Man will sparen und die römische Staatsoper gibt vor, was bei den anderen Theatern wie La Fenice oder San Carlo in Zukunft eintreten könnte: Mittelmaß.