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Zwei Länder, ein See, zwei Nutzungskonzepte

Im Ohrid-See zwischen Albanien und Mazedonien leben seltene Fischarten wie unter anderem der Koran - eine vom Aussterben bedrohte, allerdings auch sehr schmackhafte Forellenart. Während dieser Fisch auf mazedonischer Seite offiziell unter Schutz steht, wird er auf der albanischen Seite rücksichtslos gefangen.

Von Jens Tönnesmann | 03.01.2008
    "Man nimmt den Fisch und macht ihn sauber. Wenn er zu groß ist, wird er in kleine Stücke geschnitten. Dann wird er in der Pfanne angebraten. Dann kommen Zwiebeln in die Soße, dazu Karotten und Gewürze - Lorbeeren, Knoblauch, Pfeffer, Salz. Dann kommt alles in eine Tonform, und der Fisch wird im Ofen gebacken, und wenn er fertig ist, wird er mit etwas Weißwein abgelöscht."

    Ilir Berberi steht in der Küche seines Restaurants "Dea" im albanischen Pogradec, vor ihm auf dem Teller liegen silbrig glänzende, ausgenommene Koran-Forellen. Berberis Gäste schätzen die Spezialität aus dem Ohrid-See, einem der ältesten Seen der Welt, den die UNESCO wegen seiner mehr als 200 einzigartigen Lebewesen und Pflanzen schon 1979 zum Weltkulturerbe ernannt hat. Auch die Koran-Forelle ist eine dieser Arten: Sie hat zwar in den Tiefen des Sees die Eiszeit überdauert, doch der Mensch macht ihr jetzt schwer zu schaffen. Heute ist sie vom Aussterben bedroht:

    "Seit Jahren weiß man, dass die Ohrider-Forelle weniger und weniger im See zu finden ist - und man hat angefangen, die Forelle mit verschiedenen Maßnahmen zu beschützen und den Fischfang unter Kontrolle zu bringen. Und wir hoffen, dass auch die albanische Seite mitmacht","

    sagt Anica Palazzo von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) in Ohrid. Damit spricht sie ein entscheidendes Problem an: Sowohl Albanien als auch Mazedonien grenzen an den Ohrid-See. Während das Koran-Fischen auf mazedonischer Seite inzwischen verboten ist, ist der Fischfang auf der albanischen Seite kaum reglementiert. Manche Fischer jagen die Forellen sogar mit Dynamit - denn mit rund 20 Dollar pro Kilo ist sie der Profitabelste der Ohrid-Fische.

    Morgens um sieben Uhr auf der albanischen Seite: Die Sonne taucht die schneebedeckten Berge rund um den malerischen See in ein helles Licht. Der 20-jährige Arian und sein Vater machen am Ufer fest. Ihre Kleidung ist durchnässt, ihre Gesichter sind durchgefroren. Im Boot liegt eine Tüte mit einer Handvoll kleiner Fische. Mehr war nicht zu holen. Der heftige Wind macht es den Fischern schwer, weiter herauszufahren, dahin, wo die meisten der edlen Koran-Forellen leben. Manche riskieren es trotzdem.

    Drei Fischer sind vorgestern ertrunken, erzählen zwei Frauen, die am Strand Abfälle einsammeln. Für die Menschen auf der albanischen Seite ist der Fischfang so wichtig für den Lebensunterhalt, dass sie dafür sogar ihr Leben aufs Spiel setzen. Das sagt auch Xheni Prenda, GTZ-Mitarbeiterin in Pogradec:

    ""Die Menschen leben davon, aber reich werden sie damit nicht. Auf der mazedonischen Seite ist das anders: Da haben die Leute mehr Möglichkeiten. Im Moment kümmert sich unser Land deswegen wenig um den aussterbenden Fisch. Ich hoffe, dass sich das in Zukunft ändert - aber es wird dauern."

    Mit Hilfe von Weltbank und anderen internationalen Organisationen versucht die albanische Regierung, den Fischern und Fischessern nun Alternativen zu der wertvollen Forelle schmackhaft zu machen. Doch dass das die Ausbeutung des Jahrtausende alten Fossil-Fischs stoppen könnte, ist fraglich. Der Restaurantbesitzer Berberi hat zwar Gewissensbisse, dass er seinen Besuchern sogar in den Wintermonaten, also der Paarungszeit des Koran, frische Forellen serviert. Ändern will er daran aber nichts:

    "Mir tut es leid, dass der Fisch ausstirbt. Vielleicht machen wir einen Fehler. Aber meinen Besuchern schmeckt er."