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Zwei mediale Strippenzieher und ihr Absturz

Der weltweit agierende Medienzar Rupert Murdoch und der deutsche Medienfürsten Leo Kirch, der in dieser Woche im Alter von 84 Jahren verstorben ist, waren sich sehr ähnlich. Besonders gerne suchten sie die Nähe zur Politik.

Von Brigitte Baetz | 16.07.2011
    Vermutlich wird man eines Tages seinen Kindern den Begriff erst erklären müssen: Medienmogul. Das war ein Mann, liebe Kinder, wird man dann ausführen, der hatte so viel Energie, dass er sich ein riesiges Reich aus Zeitungen oder Fernsehsendern zusammenkaufte, gerne auch aus Zeitungen und Fernsehsendern zusammen. Und dann bekamen alle Angst: zunächst nur die Journalisten, die für den Medienmogul arbeiten mussten, dann die Kulturkritiker, die den Untergang des Abendlandes oder zumindest den der Meinungsvielfalt fürchteten und dann die Politiker – aber die erst ganz spät und manchmal erst dann, wenn sich herausstellte, dass der Medienmogul auch zu ihnen nicht ganz so nett war, wie sie jahrelang gedacht hatten oder dass er ihnen nicht mehr nützlich sein würde.

    In diesem Sinne war Leo Kirch neben Rupert Murdoch der Letzte seiner Art. Sowohl der Franke Kirch als auch der Australier Murdoch haben es mit unglaublichem Arbeitseinsatz, viel Wagemut, dem Glück des Tüchtigen und guten Freunden in der Politik geschafft, sich überragende Positionen zu erarbeiten. Leo Kirch, der große Spieler, der sich als "Unternehmer mit Sportsgeist" bezeichnete, pokerte dabei zu hoch und verlor sein Imperium, das unter einer Schuldenlast zusammenbrach. Rupert Murdoch, der gerissene Machtmensch, ist gerade dabei, über die skrupellosen Methoden seiner Journalisten zu stolpern und möglicherweise einen Teil seines Imperiums verlieren zu können. Beide mussten, beziehungsweise müssen jetzt merken, dass alle politische Hilfestellung spätestens dann nicht mehr hilft, wenn entweder die finanziellen Bilanzen nicht mehr stimmen - oder die moralischen. Wenn die Pleite vor der Tür steht oder Angehörige von Verbrechensopfern, deren Telefone gehackt wurden, im Fernsehen Anklage erheben, endet die Protektion, bei der man nie genau weiß, wer ist der Protegé und wer der Protegierende. Was bleibt, ist dann höchstens eine Freundschaft, wobei die freundschaftlichen Bande des bekennenden Katholiken Kirch zu Helmut Kohl wohl echt waren, die von Rupert Murdoch zu Tony Blair und anderen Einflussreichen dieser Welt wohl eher kaufmännischen Interessen geschuldet sind.

    Leo Kirch war ein Menschenfischer, einer, der seine Beziehungen zu nutzen pflegte, den Betroffenen aber niemals das Gefühl gab, nur benutzt zu werden. Er war ein Patriarch alter Schule, der zwar allein herrschte, aber für seine Mitarbeiter auch väterlich sorgte.

    Rupert Murdoch hingegen ist ein kalkulierender Opportunist, der ein fast 168-jähriges Blatt mit hoher Auflage von heute auf morgen einstellt, wenn es weitergehenden Interessen dient und der, das zeigen seine Versuche, den chinesischen Markt zu erobern, auch seine eigenen konservativen politischen Überzeugungen über Bord zu werfen bereit ist. Ebenso wie Leo Kirch ist Rupert Murdoch aber ein Kämpfer. Wie der schon 84-jährige Kirch noch bis kurz vor seinem Tode vor Gericht Rolf Breuer und die Deutsche Bank anging, hat ihm jede Menge Respekt eingebracht. Und auch Murdoch wird alle Möglichkeiten nutzen, um sein Lebenswerk weitgehend zu erhalten, wenn nicht gar durch Umstrukturierung weiter auszubauen.

    Letzteres ist ihm zuzutrauen, dem nun auch schon 80 Jahre alten Murdoch, der in einer Hinsicht in Deutschland Erbe Leo Kirchs ist: Er hält die Mehrheit am deutschen Bezahlsender Sky, der unter dem Namen DF1 beziehungsweise Premiere, eine der visionären Kirch-Gründungen war – allerdings ohne bis heute Gewinn abzuwerfen. Und: Anders als Kirch, dessen Sohn nie wirklich reüssieren konnte, hat Murdoch einen Erben, dem er zutraut, sein Unternehmen weiter zu führen. Jedoch wird James Murdoch wohl kein Medienmogul mehr sein. Dazu braucht es Skrupellosigkeit und Egomanie. Beides kann man nicht lernen. Die Zeit der Medienmogule wird deshalb abgelöst werden von der der grauen Herren – von Investoren, Controllern und Börsenspekulanten und vielleicht dem ein oder anderen Medienunternehmer, der noch etwas anderes erreichen will, als nur Geschäfte zu machen.