Manfred Kloiber: Im Vorfeld der Kommissionssitzung gab es diese Woche heftige Aufregung in Brüssel. Nationale Wettbewerbshüter, Verbraucherschützer und Microsoft-Lobbyisten gaben sich die Klinke in die Hand. Wie sieht es aus, Peter Welchering, wird es zu einer Geldbuße für Microsoft kommen oder nicht?
Peter Welchering: Dass die EU-Kommission eine solche Geldbuße verhängen wird, ist ziemlich wahrscheinlich. Dass es gleich zwei Millionen Euro pro Tag sein werden, bezweifeln selbst Beamte der EU-Wettbewerbskommission. Und dass Microsoft dieses Bußgeld gleich zahlen muss, steht auch nicht fest. Denn Microsoft wird natürlich den Europäischen Gerichtshof anrufen, wenn die Bußgeldentscheidung der EU-Kommission auf dem Tisch liegt. Mitte März 2004 hatte die EU-Kommission ja den Missbrauch eines Quasi-Monopols nach Paragraph 82 des EG-Vertrags festgestellt und Microsoft zu 497 Millionen Euro Bußgeld verurteilt. Dabei gab es ja die Auflagen, binnen 90 Tagen das Betriebssystem Windows ohne den Media Player auf dem Markt anzubieten und binnen 120 Tagen die Schnittstellen zum Windows-Server-System offen zu legen. Dagegen ist eine Klage von Microsoft vor dem Europäischen Gerichtshof noch immer anhängig. Microsoft wehrt sich gegen dieses Bußgeld. Zwar hat der Softwareriese ein Windows ohne Media Player herausgebracht, aber auch gleich die potenziellen Käufer gewarnt: Ihr bekommt hier auf Druck der EU-Kommission nur das halbe Windows. Und die Schnittstellen für das Windows-Server-System, die liegen auch immer noch nicht offen. Im März dieses Jahres schien es so, als stünden die Verhandlungen von Microsoft mit der EU-Kommission vor einem Durchbruch, dann hat aber Microsoft in letzter Minuten doch wieder einen Konfrontationskurs gefahren, und die Verhandlungen sind seitdem festgefahren.
Kloiber: Die anstehende Bußgeld-Entscheidung der Brüsseler EU-Behörden gegen Microsoft ist ja die zweite große Entscheidung einer Kartellbehörde. In dieser Woche hat der Seoul High Court ja auch gegen Microsoft entschieden. Worum ging es in Südkorea genau?
Welchering: Auch um ein Windows-Betriebssystem ohne den Media Player und um allerdings hier nur die teilweise Offenlegung von Betriebssystem-Schnittstellen. Die südkoreanische Kartellbehörde hatte im Dezember 2005 ein Bußgeld wegen Missbrauchs einer monopolähnlichen Stellung im Betriebsystemmarkt gegen Microsoft verhängt. Das ist absolut vergleichbar mit den Vorgängen in Europa. Microsoft hatte gegen die Entscheidung der koreanischen Kartellwächter Beschwerde eingelegt. Und jetzt hat der oberste Gerichtshof Südkoreas diese Beschwerde verworfen, Microsoft muss 27 Millionen Euro Bußgeld zahlen und den Media Player bis zum 24. August vom Windows-Betriebssystem entkoppeln. In Brüssel wurde das in dieser Woche sehr aufmerksam zur Kenntnis genommen. Die EU-Kommission, so die einhellige Meinung von EU-Beobachtern, kann hier hinter die in Korea offenbar gewordene Sachlage nicht zurück. Und deshalb gehen auch alle davon aus, dass Neelie Kroes sich mit ihrem Antrag auf täglich Strafzahlungen durchsetzen kann.
Kloiber: Wird das Microsoft so stark beeindrucken, dass mit einer völligen Offenlegung der Schnittstellen zum Server-Betriebssystem zu rechnen ist?
Welchering: Das hängt ein wenig von der Höhe des Bußgeldes ab. Werden es wirklich zwei Millionen Euro täglich, wird Microsoft das nicht einfach hinnehmen und über einen längeren Zeitraum zahlen. Wahrscheinlich ist, dass auf juristischem und politischem Weg diese Bußgeldentscheidung dann umgangen werden soll. Juristisch durch Klage vor dem Europäischen Gerichtshof, politisch, indem Microsoft der EU-Kommission die Wiederaufnahme von Verhandlungen bei gleichzeitiger Aussetzung des Strafbefehls anbietet. Und die Chancen, dass dieses Verhandlungsangebot angenommen wird, die sind recht gut.
Kloiber: Was würde die Offenlegung der Schnittstellen des Windows-Server-Systems denn in technologischer und wirtschaftlicher Hinsicht für Microsoft bedeuten?
Welchering: Windows wird ja als Betriebssystem auf über 90 Prozent aller Personal Computer weltweit benutzt. Und die Mehrzahl dieser Personal Computer sind wiederum mit Servern verbunden. Spezielle Dienstleistungsrechner in einem Netzwerk, die etwa für Electronic Mail zuständig sind, Mail-Server also, oder Server, die explizit die Datenspeicherung übernehmen. Sun bietet solche Netzwerkserver an, aber die laufen unter Unix. Und wer bisher in seinem Netzwerk drei, vier oder mehr PCs laufen hat und etwa einen Netzwerkserver für Datenspeicherung und Mail anschließen will, der hat überwiegend die Server von Microsoft gekauft. Denn die musste man nur anschließen, ein kleines Stück Software aufspielen, und es lief. Habe ich mich bisher aber gegen den Microsoft-Server entschieden, und etwa ein Produkt von Novell oder Sun gekauft, dann waren an der Software einige Anpassungsarbeiten vorzunehmen, und die kosten natürlich extra Geld. Werden die Schnittstellen jetzt offen gelegt, können Sun und andere Server-Hersteller, ihre Server-Software auch so ausliefern, dass der Anwender sie direkt an seien PCs anschließen kann. Das ist dann genauso einfach wie beim Microsoft-Server. Und da wird sich schon so mancher Microsoft-Kunde überlegen, ob er dann nicht zu Sun oder anderen Server-Herstellern wechselt. Analysten haben ausgerechnet, dass Microsoft im Betriebsystem-Markt drei bis sieben Prozent Marktanteil innerhalb sehr kurzer Zeit verlieren könnte.
Kloiber: Wie wappnet sich Microsoft gegen den drohenden Verlust von Marktanteilen im Betriebssystemmarkt?
Welchering: Indem der Bereich der Unterhaltung ausgebaut wird. Microsoft hat auf dem Pro Photo Summit vor einer Woche die Initiative Icons of Imaging vorgestellt. Damit will Microsoft in den Bereich professioneller Bildbearbeitung und dort natürlich Adobe ein paar Marktanteile wegnehmen. Vor allen Dingen zwei Projekte sind da ganz spannend. Microsoft entwickelt derzeit unter höchster Geheimhaltung in Redmond und im Microsoft-Labor im britischen Camridge ein neues Bildformat, mit dem sie gegen das Jpeg-Format antreten wollen. Das Microsoft Foto-Format soll genauso kleine Dateien wie Jpeg ermöglichen, aber noch weniger Kompressionsverluste haben. Und das zweite Projekt, das sind Vorarbeiten für eine Bildbearbeitungssoftware, die einmal gegen Adobe Photoshop antreten soll. Da wird eine Routine für das automatische Freistellen von Bildobjekten entwickelt. Also Microsoft stellt sich ganz offensichtlich darauf ein, Marktanteile im Betriebssystemmarkt zu verlieren und will das durch Anwendungssoftware im Fotobereich ausgleichen.
Peter Welchering: Dass die EU-Kommission eine solche Geldbuße verhängen wird, ist ziemlich wahrscheinlich. Dass es gleich zwei Millionen Euro pro Tag sein werden, bezweifeln selbst Beamte der EU-Wettbewerbskommission. Und dass Microsoft dieses Bußgeld gleich zahlen muss, steht auch nicht fest. Denn Microsoft wird natürlich den Europäischen Gerichtshof anrufen, wenn die Bußgeldentscheidung der EU-Kommission auf dem Tisch liegt. Mitte März 2004 hatte die EU-Kommission ja den Missbrauch eines Quasi-Monopols nach Paragraph 82 des EG-Vertrags festgestellt und Microsoft zu 497 Millionen Euro Bußgeld verurteilt. Dabei gab es ja die Auflagen, binnen 90 Tagen das Betriebssystem Windows ohne den Media Player auf dem Markt anzubieten und binnen 120 Tagen die Schnittstellen zum Windows-Server-System offen zu legen. Dagegen ist eine Klage von Microsoft vor dem Europäischen Gerichtshof noch immer anhängig. Microsoft wehrt sich gegen dieses Bußgeld. Zwar hat der Softwareriese ein Windows ohne Media Player herausgebracht, aber auch gleich die potenziellen Käufer gewarnt: Ihr bekommt hier auf Druck der EU-Kommission nur das halbe Windows. Und die Schnittstellen für das Windows-Server-System, die liegen auch immer noch nicht offen. Im März dieses Jahres schien es so, als stünden die Verhandlungen von Microsoft mit der EU-Kommission vor einem Durchbruch, dann hat aber Microsoft in letzter Minuten doch wieder einen Konfrontationskurs gefahren, und die Verhandlungen sind seitdem festgefahren.
Kloiber: Die anstehende Bußgeld-Entscheidung der Brüsseler EU-Behörden gegen Microsoft ist ja die zweite große Entscheidung einer Kartellbehörde. In dieser Woche hat der Seoul High Court ja auch gegen Microsoft entschieden. Worum ging es in Südkorea genau?
Welchering: Auch um ein Windows-Betriebssystem ohne den Media Player und um allerdings hier nur die teilweise Offenlegung von Betriebssystem-Schnittstellen. Die südkoreanische Kartellbehörde hatte im Dezember 2005 ein Bußgeld wegen Missbrauchs einer monopolähnlichen Stellung im Betriebsystemmarkt gegen Microsoft verhängt. Das ist absolut vergleichbar mit den Vorgängen in Europa. Microsoft hatte gegen die Entscheidung der koreanischen Kartellwächter Beschwerde eingelegt. Und jetzt hat der oberste Gerichtshof Südkoreas diese Beschwerde verworfen, Microsoft muss 27 Millionen Euro Bußgeld zahlen und den Media Player bis zum 24. August vom Windows-Betriebssystem entkoppeln. In Brüssel wurde das in dieser Woche sehr aufmerksam zur Kenntnis genommen. Die EU-Kommission, so die einhellige Meinung von EU-Beobachtern, kann hier hinter die in Korea offenbar gewordene Sachlage nicht zurück. Und deshalb gehen auch alle davon aus, dass Neelie Kroes sich mit ihrem Antrag auf täglich Strafzahlungen durchsetzen kann.
Kloiber: Wird das Microsoft so stark beeindrucken, dass mit einer völligen Offenlegung der Schnittstellen zum Server-Betriebssystem zu rechnen ist?
Welchering: Das hängt ein wenig von der Höhe des Bußgeldes ab. Werden es wirklich zwei Millionen Euro täglich, wird Microsoft das nicht einfach hinnehmen und über einen längeren Zeitraum zahlen. Wahrscheinlich ist, dass auf juristischem und politischem Weg diese Bußgeldentscheidung dann umgangen werden soll. Juristisch durch Klage vor dem Europäischen Gerichtshof, politisch, indem Microsoft der EU-Kommission die Wiederaufnahme von Verhandlungen bei gleichzeitiger Aussetzung des Strafbefehls anbietet. Und die Chancen, dass dieses Verhandlungsangebot angenommen wird, die sind recht gut.
Kloiber: Was würde die Offenlegung der Schnittstellen des Windows-Server-Systems denn in technologischer und wirtschaftlicher Hinsicht für Microsoft bedeuten?
Welchering: Windows wird ja als Betriebssystem auf über 90 Prozent aller Personal Computer weltweit benutzt. Und die Mehrzahl dieser Personal Computer sind wiederum mit Servern verbunden. Spezielle Dienstleistungsrechner in einem Netzwerk, die etwa für Electronic Mail zuständig sind, Mail-Server also, oder Server, die explizit die Datenspeicherung übernehmen. Sun bietet solche Netzwerkserver an, aber die laufen unter Unix. Und wer bisher in seinem Netzwerk drei, vier oder mehr PCs laufen hat und etwa einen Netzwerkserver für Datenspeicherung und Mail anschließen will, der hat überwiegend die Server von Microsoft gekauft. Denn die musste man nur anschließen, ein kleines Stück Software aufspielen, und es lief. Habe ich mich bisher aber gegen den Microsoft-Server entschieden, und etwa ein Produkt von Novell oder Sun gekauft, dann waren an der Software einige Anpassungsarbeiten vorzunehmen, und die kosten natürlich extra Geld. Werden die Schnittstellen jetzt offen gelegt, können Sun und andere Server-Hersteller, ihre Server-Software auch so ausliefern, dass der Anwender sie direkt an seien PCs anschließen kann. Das ist dann genauso einfach wie beim Microsoft-Server. Und da wird sich schon so mancher Microsoft-Kunde überlegen, ob er dann nicht zu Sun oder anderen Server-Herstellern wechselt. Analysten haben ausgerechnet, dass Microsoft im Betriebsystem-Markt drei bis sieben Prozent Marktanteil innerhalb sehr kurzer Zeit verlieren könnte.
Kloiber: Wie wappnet sich Microsoft gegen den drohenden Verlust von Marktanteilen im Betriebssystemmarkt?
Welchering: Indem der Bereich der Unterhaltung ausgebaut wird. Microsoft hat auf dem Pro Photo Summit vor einer Woche die Initiative Icons of Imaging vorgestellt. Damit will Microsoft in den Bereich professioneller Bildbearbeitung und dort natürlich Adobe ein paar Marktanteile wegnehmen. Vor allen Dingen zwei Projekte sind da ganz spannend. Microsoft entwickelt derzeit unter höchster Geheimhaltung in Redmond und im Microsoft-Labor im britischen Camridge ein neues Bildformat, mit dem sie gegen das Jpeg-Format antreten wollen. Das Microsoft Foto-Format soll genauso kleine Dateien wie Jpeg ermöglichen, aber noch weniger Kompressionsverluste haben. Und das zweite Projekt, das sind Vorarbeiten für eine Bildbearbeitungssoftware, die einmal gegen Adobe Photoshop antreten soll. Da wird eine Routine für das automatische Freistellen von Bildobjekten entwickelt. Also Microsoft stellt sich ganz offensichtlich darauf ein, Marktanteile im Betriebssystemmarkt zu verlieren und will das durch Anwendungssoftware im Fotobereich ausgleichen.