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Zwei Semester in halber Zeit

Zwei Semester in einem zu studieren, dabei mehrere hundert Euro Studiengebühren zu sparen und schneller aus der Uni raus zu sein als andere. An der Technischen Universität München ist es ab diesem Sommersemester möglich.

Von Susanne Lettenbauer | 07.02.2011
    Im Beratungszentrum des Twoinone-Programms laufen die Telefone auf Hochtouren. Die letzten Bewerbungen für das kommende Sommersemester treffen online ein. Schon 2700 Interessenten haben sich gemeldet und es werden immer mehr. Seit Christian Kredler als Koordinator für das deutschlandweit einmalige Programm 2007 seine Arbeit aufnahm, brennt er für diesen universitären Turbostart:

    "Im Detail geht das jetzt so: Vorlesungen, die keine Grundlagen bieten, zum Beispiel das Propädeutikum Diskrete Mathematik das streichen wir. Da sparen wir zwei Stunden und deswegen machen wir in Mai, Juni in einer Grundvorlesung, in Mathematik wäre das Analysis schon zwei Stunden mehr als es eigentlich notwendig wäre. Dadurch ist die Vorlesung schon Anfang Juni fertig und nicht erst Ende Juni."

    Seit über drei Jahren knobelt Kredler an der Umsetzung des Twoinone-Programms der TU München, an dem 14 Studiengänge beteiligt sind. Immer in enger Abstimmung mit dem Kultus- und Wissenschaftsministerium. Denn wer sich dafür bewerben möchte, muss bis Anfang Mai das Abizeugnis von 2011 vorlegen können und das sind in diesem Jahr nur die G9-Klassen in Bayern und Rheinland-Pfalz. In einer Tour de Force warb Kredler im vergangenen Jahr mit einem youtube-Video bei den Gymnasien vor Ort um künftige Studierende - mit Erfolg: Neben 40 Prozent Zivildienstleistende und Wehrpflichtige kommen 60 Prozent der Bewerber direkt vom Gymnasium, so wie Anna Urban, eine Einser-Schülerin aus Oberhaching:

    "Also Twoinone hat zwar eine Mehrbelastung, aber es hat auch Vorteile, also das es nichts kostet, dass man kleinere Gruppen hat, wo man mehr Betreuung hat, das sind die Vorteile."
    Maximilian Portenlänger aus Pullach hat sich für TUM BWL beworben:

    " Genau also Stress ist das schon, aber man kann ja nichts verlieren. Es ist eine Herausforderung, ob man die zwei Semester in der Zeit schafft und ich finde es ist die Herausforderung wert. Deshalb ist es schon die Herausforderung wert und es ist interessant sich für das twoinone einzuschreiben, sich anzustrengen und das in dem Semester zu schaffen."

    Ob Maximilian Portenlänger angenommen wird, steht noch nicht fest. Gerade im Studienfach BWL und in den Lebenswissenschaften sind die Studienplätze beschränkt. Von den bislang 300 Bewerbern für Life Science in Weihenstephan können nur 150, von den 400 BWL-Interessierten können nur 300 zugelassen werden. Max hofft trotzdem:

    " Also für den Sommer hat man dann leider zwar wenig Zeit, man fängt nach dem Abi ja gleich an mit dem Studium, hat dann bis Weihnachten keine Freizeit, aber da verzichtet man halt einmal auf die Sommersemesterferien, wo andere Studenten ja auch zum Arbeiten gehen. Deshalb finde ich es jetzt nicht so schlimm auf die Ferien zu verzichten anstatt da eine andere Tätigkeit zu machen.
    Wenn es klappen sollten, dann geht es für Anna und Max in der ersten Maiwoche los. Zwei kurze Ferienwochen folgen im Juli. Am 16. August geht es weiter. Bis Ende September sollen die ersten zwei Semester des Turbostudium beendet sein. Kein Problem, sagt die Schülerin Anna. Sie sei sie jetzt noch so im Lernstoff drin, da bringt ein nahtloser Übergang zum Studium viel mehr als zum Beispiel ein Auslandsaufenthalt.

    "Wir hatten ja in den letzten Jahren auch nicht viel Ferien, also wir hatten die Facharbeit letztes Jahr, die Weihnachtsferien waren voll. Man ist schon gewohnt zu arbeiten. Also es reizt einen schon schneller fertig zu werden."

    Bei den Abiturienten kommt das Twoinone-Programm hervorragend an, weil auch die Studiengebühren entfallen, sagt Maximilian Portenschläger:

    " Um die Semestergebühren zu erarbeiten, braucht ja auch seine Zeit, so lernt man eben in der Zeit in der man arbeiten würden. Also es lohnt sich auf jeden Fall."

    Dass die Jungstudierenden überfordert sein könnten, befürchtet Kredler nicht:

    "Es ist eine Herausforderung, das muss man sagen, aber wir haben unter den Bewerber allein in Mathematik, Informatik und Physik 30 Leute die 1,0 haben und ein oder zwei Klassen übersprungen haben. Aber der eigentliche Knackpunkt sind die mit einem 2er-Abitur, dass wir eine besonders gute Betreuungsrelation bieten. Wir haben viel Geld bekommen für den vorgezogenen Studienbeginn und den setzen wir erstens in der Studienberatung und zweitens in der Betreuung ein, so dass in den Gruppen eben nicht 40 sondern 20 Leute sitzen."

    Dafür nimmt die bayerische Staatsregierung viel Geld in die Hand: 3,3 Millionen stehen für twoinone zur Verfügung, u.a. für 284 neue Stellen, die bis April besetzt sein werden. Darunter 100 neue Professorenstellen. Hinzu kommen 2,5 Millionen Euro für Anmietungen.
    Neben den neuen Professoren, die vorzeitig für auslaufende Stellen eingestellt wurden, stehen für das TwoinOne-Programm auch emeritierte Professoren für ein entsprechendes Entgelt noch einmal im Hörsaal.

    Eine der Professoren, die ihren Sommerurlaub den Turbostudierenden opfern ist die Mathematikerin Barbara Wohlmuth.

    "Ich vertrete dieses Fachgebiet und bin natürlich daran interessiert, dass dieses Fachgebiet auch den Studierenden adäquat zur Verfügung gestellt wird, dass sie selber Spaß finden an diesem Fach, Interesse an diesem Gebiet und dann vielleicht auch mit einer Bachelorarbeit weitermachen."

    Gemeinsam mit ihren Kollegen stimmt sie derzeit noch die geplanten Inhalte der Lehrveranstaltungen ab, damit sich der Lehrstoff nicht überschneidet:

    "Ich lese dieses Numeric Propädeutikum. Das ist normalerweise eine Zweitsemesterveranstaltung mit zwei Vorlesungsstunden pro Woche und einer Stunde Übung. Das wird jetzt in die Sommermonate geschoben, das heißt auch dort als zweites Kurzsemester angeboten. Aufgrund der gekürzten Zeit lesen wir das jetzt vierstündig. Erweitert durch zusätzliche Tutorien und Praktika."

    Da im Sommersemester die meisten Hörsäle und Seminarräume leerstehen, kann Professorin Wohlmuth ganz entspannt auf die Raumsituation schauen. Falls es dennoch Engpässe geben sollte, dann können die Jungmathematiker, -informatiker und BWLer auf zwei Interimshörsäle mit bis zu 750 Plätzen ausweichen, zu denen bereits auf dem Campus Garching der Grundstein gelegt wurde. Auf dem Campus Weihenstephan, wo die Lebenswissenschaften angeboten werden, will man sogar auf Videoübertragung setzen.

    Twoinone - das Turbosemester an der TU München ist auf youtube.com und Facebook zu finden.