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Zwei Spuren aus steiler Höhe

Alles redet derzeit von Martin Schmidt und seinen Sprungleistungen. Dabei gibt es noch andere, die auf den Schanzen dieser Welt zu Hause sind und ganz und gar nicht im Rampenlicht stehen. Peter Riedel etwa. Der Sachse hat ein modernes Anlaufspursystem für Skischanzen entwickelt.

Von Kristin Hendinger |
    "Jetzt kommt der Harry! Wunderschön Harry! Wunderschön, bravo, 83 Meter!"

    Harry Glaß aus dem sächsischen Klingenthal gewinnt 1956 als erster Deutscher bei Olympia eine Bronzemedaille. Wenn Skispringer wie Glaß aus steilen Höhen in die Tiefe fliegen, zählt nur eines, die Weite. Nur wenige fragen sich, wie kommen die Jungs eigentlich die Schanze runter? Auf diese Frage hat sich Bauingenieur Peter Riedel spezialisiert. Er stammt aus Oberwiesenthal - ein Sachse wie Glaß. Vor zwei Jahren entwickelte er für Skisprungschanzen ein neues Anlaufspursystem -bestehend aus einer Kombination von Winter- und Sommerspur. Beide Spuren liegen parallel ineinander. Die Winterspur muss bei Wettkämpfen im Winter mit Schnee präpariert sein. So ist die Regel des internationalen Skiverbandes. Riedels Spur besteht aus Eis. Das geht auch.

    "Wir fahren in der Eisspur auf einer 7,5 Zentimeter harten Eisschicht. Man muss sich das vorstellen, das was auf einer Eisbahn ist in der Waagerechten - ist bei uns auf einer Skisprungschanze. Das sind Neigungen, die bis an die 40 Grad gehen. Und die Herausforderung war natürlich auch eine Eisbahn auf die Sprungschanze zu bauen."

    Kühlleitungen halten das Eis in der Winterspur konstant bei Minus vier Grad. Daraus erwachsen zwei Vorteile: Erstens Wettkämpfe sind temperatur- und klimaunabhängiger und 2. Für Riedels Anlaufsystem braucht man nur 2,5 Kubikmeter Schnee bzw. Eismasse. Andere Schanzen werden regulär mit 60 Kubikmeter Schnee präpariert. Bei einem Schanzenanlauf von 100 Metern macht das eine Schneehöhe von 25 Zentimetern. Steigen die Temperaturen oder setzt Regen ein, kann das katastrophale Folgen haben. Bestes Beispiel die Schanze in Klingenthal.

    "Das war das Problem, was man vor drei Jahren in Klingenthal hatte, dass man in der Nacht mit 150 Mann die gesamte Schanze, den ganzen Schnee abräumen musste während der Weltcupveranstaltung und musste wieder mit Schnee aufbauen, weil man ihn nicht stabilisiert bekommen hat."

    Das Eis in der Spur muss laut Skiverband einer Außentemperatur bis 15 Grad standhalten. Kein Problem sagt der 47-Jährige.

    "Wir bauen das Eis mit Saisonbeginn in die Spur ein und ich hatte also die Gelegenheit gehabt vor zwei Jahren der deutschen Nationalmannschaft auf der Olympiaschanze in Garmisch-Patenkirchen Ende Oktober bei 19 Grad Plus, das Training auf der Eisspur zu ermöglichen."

    Sobald es noch wärmer wird, kann die Winterspur zu- und die Sommerspur unkompliziert aufgedeckt werden. Die besteht bei Riedel aus besonderem Kunststoff, der die Ski nicht beschädigt.

    "Die Anfänge waren damals einfache Matten. Die sind vom Hans Renner aus Thüringen entwickelt worden. Dann kam die Weiterentwicklung im Prinzip zu einer Art Sommerspur mit verschiedenen Materialien wie beispielsweise Glas, Glaskeramik oder es wurde auch reine Keramik verwendet."

    2003 begann der Oberwiesenthaler auf Wunsch des Internationalen Skiverbandes zu experimentieren. Vier Jahre später war es dann soweit. Erst wurde das Winter-Sommer-Spur-Paket auf der Schanze im norwegischen Trondheim installiert, bald darauf die Olympiaschanze in Garmisch-Patenkirchen bestückt. Dass sich der Ingenieur mit Schnee und Skiern so gut auskennt, verdankt er seiner Herkunft. Wer in der höchst gelegensten Stadt Deutschlands auf fast 1200 Meter groß wird, ist unweigerlich mit dem Wintersport verbunden.

    "Mein Vater war in den 60er-Jahren einer der erfolgreichen Ostdeutschen alpinen Rennläufer, Eberhard Riedel ist sicherlich noch ein Begriff. Er war einer der ersten Deutschen, der in Adelboden in der Schweiz den Weltcup gewonnen hatte."

    Doch nach den Olympischen Spielen 1968 in Grenoble kam im alpinen Skisport der DDR das Aus. Die professionelle Sportart passte nicht in das sozialistische Bild. Trotzdem traten Peter Riedel und sein Bruder in die Skistapfen des Vaters. Zum Glück für den internationalen Skiverband und seine Skiadler.

    "Er fliegt, weit, weit, er fliegt zum Sieg."