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Zwei Ziele – ein Lander

Raumfahrt. - Die Finanzkrise hat die Raumfahrt erreicht. Die Esa prüft ihr ehrgeiziges Programm auf Spar- und Synergiepotenzial, obwohl die zuständigen Minister erst Ende diesen Jahres zusammenkommen, um über den Haushalt der Raumfahrtagentur zu verhandeln. Unter anderem untersuchen die Ingenieure, ob und wie weit sie die Landemissionen für Mond und Mars gemeinsam entwickeln können.

Von Guido Meyer |
    Unstrittig ist in der europäischen Raumfahrt derzeit nur eins: Die Internationale Raumstation soll bis mindestens 2020 weiterbetrieben werden. Aber dann geht’s auch schon los. Was wird aus Europas Automatischem Transfervehikel, dem ATV? Und kann es sich die europäische Weltraumagentur Esa leisten, einen Lander zum Mond und einen weiteren zum Mars zu schicken? Ein vorsichtiges "Nein" kommt von Jean-Jacques Dordain, dem Generaldirektor der Esa.

    "Es muss selbstverständlich sein, dass wir uns um Synergien bemühen bei unseren künftigen Explorationszielen im All. Denn viele der technologischen Herausforderungen bei Missionen zu Mond und Mars ähneln sich: Wir müssen dem Anziehungsbereich der Erde entkommen, wir müssen in der Umlaufbahn vielleicht ein Docking-Manöver durchführen, und wir müssen schließlich landen. Derzeit untersuchen wir, ob wir die Technik für diese Aufgaben für Flüge zu Mond und Mars vereinheitlichen können."

    Im Rennen ist zum einen der LunarLander – eine unbemannte Sonde, die 2018 in der Nähe des Mondsüdpols aufsetzen soll; zum anderen das Projekt ExoMars, das aus Lander und Rover besteht.

    "Der Mars hat zwar ne höhere Anziehungskraft, hat aber dafür eine Atmosphäre. Deshalb ist landen relativ einfach auf dem Mars. Der Mond hat fast keine Atmosphäre, nur ganz wenige Bestandteile, aber da ist halt wieder ein anderes Landesystem. Deshalb die beiden Systeme zusammenzuführen, ist nicht einfach, aber auch nicht unmöglich."

    Johann-Dietrich Wörner, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Auf den ersten Blick soll hier etwas zusammenwachsen, was nicht zusammengehört: ein Lander, der sowohl auf dem atmosphärenlosen Mond mit geringer Anziehungskraft als auch auf dem massereichen Mars mit eigener Atmosphäre aufsetzen kann. Unterschiedlicher könnten zwei Himmelskörper kaum sein. Und doch: Es könnte gehen, glaubt auch Richard Fisackerly, System-Ingenieur am europäischen Weltraumforschungszentrum Estec im holländischen Noordwijk.

    "Einige der Herausforderungen bei Landungen auf dem Mond und auf dem Mars ähneln sich. In der letzten Flugphase, unmittelbar vor dem Aufsetzen, müssten beide Sonden den Boden auf Gefahren hin untersuchen, auf Krater oder Geröll. Eventuell müssen sie Ausweichmanöver fliegen. Auch die Instrumentenplattform selbst könnte in beiden Fällen identisch aufgebaut sein."

    Dazu gehört der Antrieb einer Landesonde. Die Atmosphäre des Mars kann ein Raumschiff zum Aerobraking nutzen, mit ihrer Hilfe also abbremsen. Danach müssten Bremstriebwerke zünden. Fisackerly:

    "Weil wir auf dem Mars stets nach Leben suchen, dürfen die Triebwerke das Landegebiet und damit mögliche Organismen nicht komplett zerstören und wegblasen. Wollen wir auf dem Mond aufsetzen, müssen die Triebwerke aber mehr Schub erzeugen, da wir dort keine Atmosphäre zum Abbremsen vorfinden. Auf dem Mars können wir außerdem Bremsfallschirme verwenden, die rund 90 Prozent der Geschwindigkeit auffangen. Ohne Atmosphäre machen Fallschirme auf dem Mond keinen Sinn, so dass dort alles von den Landetriebwerken abhängt."

    Bis November soll sich zeigen, ob es gelingt, einen einzigen Lander für die Missionen ExoMars und LunarLander zu entwerfen. Dies dürfte dem Esa-Ministerrat eine positive Entscheidung für beide Projekte wohl erleichtern – so es sich denn technisch machen lässt. Fisackerly:

    "Es ist verlockend, zwei Missionen, die beide Landesonden zum Ziel haben, vereinheitlichen zu wollen, um Kosten zu sparen. Oft steckt jedoch der Teufel im Detail. Manchmal erweisen sich die technischen Einzelheiten als kompliziert, und statt Synergien zu liefern ist das Projekt am Ende doch teurer, als es zunächst schien."