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Zweierlei Maß

Die Libyen-Resolution war zunächst weltweit begrüßt und als gelungenes Beispiel für die Anwendung des sogenannten Konzeptes "Responsibility to Protect" gelobt worden. Auf Syrien lässt sich dieses Prinzip durch den Sicherheitsrat nicht so einfach übertragen.

Von Thomas Schmidt | 29.07.2011
    Es gibt nur wenige, unscharfe Bilder, aber die Botschaft ist eindeutig: In großer Hast aufgenommene Handy-Videos dokumentieren die Brutalität und die Unerbittlichkeit, mit der die syrischen Behörden versuchen, den Freiheitswillen des eigenen Volkes zu ersticken. Wie gnadenlos das Vorgehen des Assad-Regimes in Damaskus ist, belegen die Zahlen, die dieser Tage von der Führung der Oppositionsbewegung veröffentlicht wurden: Mindestens 2000 Menschen sind seit Beginn der Proteste umgekommen, mehr als 15.000 syrische Bürger wurden verhaftet, weitere 15.000 sind außer Landes geflohen.

    "Dieser Kampf des syrischen Regimes gegen die eigenen friedliebenden und freiheitsliebenden Bürgerinnen und Bürger ist in keiner Weise akzeptabel. Und es muss aus Sicht der deutschen Bundesregierung eine geschlossene Antwort der Völkergemeinschaft bekommen."

    Außenminister Westerwelle hat die Solidarität der Vereinten Nationen bei seinem jüngsten Besuch in New York beschworen. Deutschland hat gemeinsam mit Frankreich, Großbritannien und Portugal einen Resolutionsentwurf erarbeitet, mit dem der Sicherheitsrat die syrische Regierung verurteilen soll. Es ist ein moderates Papier, keine Rede von Sanktionen, nicht einmal ein Gedanke an Intervention.

    Dennoch hat die Vorlage bislang nichts bewegt, denn nicht nur die Veto-Mächte China und Russland, sondern auch die Nichtständigen Sicherheitsratsmitglieder Brasilien, Indien und Südafrika haben klar gemacht, dass mit ihren Stimmen nicht zu rechnen ist. Und dabei stehen nicht einmal die weitverbreiteten Eigeninteressen im Mittelpunkt, die bei Entscheidungen im Sicherheitsrat immer eine zentrale Rolle spielen, sondern eine aktuelle und mittlerweile nicht mehr unumstrittene Resolution:

    "Es gibt erhebliche Widerstände bei denen, die sagen, dass das, was mit der Resolution zu Libyen gemacht worden ist, zu weit gegangen sei und dass man so etwas für Syrien nicht wolle."

    Es geht um die Resolution 1973, mit der der Sicherheitsrat am 17. März dieses Jahres die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen beschloss und damit die Grundlage für die noch immer anhaltenden Lufteinsätze der NATO gegen Einrichtungen und Truppen des Gaddafi-Regimes geschaffen hatte. Der robuste Auftritt der Internationalen Gemeinschaft steht deshalb in der Kritik, weil die Vereinten Nationen längst nicht mehr nur das Volk von Libyen vor den Übergriffen des eigenen Machthabers schützen, sondern auch die Gaddafi feindlichen Rebellen mit Militärberatern – und angeblich auch mit Waffenlieferungen – unterstützen. Der noch ungeklärte gestrige Mord an Rebellenführer Abd al-Fattah Junis, einst Innenminister und enger Vertrauter Gaddafis, der verdächtigt wurde, über Familienmitglieder noch immer Kontakt zum Gaddafi-Regime gehabt zu haben, dokumentiert den tiefen Riss im Lager der Aufständischen. Dennoch werden die Rebellen in Libyen bedingungslos unterstützt, die in Syrien nicht.

    Die Resolution war zunächst weltweit durchaus mit Anerkennung bedacht und als gelungenes Beispiel für die Anwendung des Konzeptes "Responsibility to Protect" gelobt worden. Dieses in der Weltöffentlichkeit weitgehend unbekannte Konzept – kurz R2P genannt – war einst erdacht worden, um den in der UN-Charta verbrieften Schutz der staatlichen Souveränität zu lockern, damit gegen Gewaltherrscher und Menschenrechtsverletzer auch mit dem Mittel der Interventionen durch die Staatengemeinschaft vorgegangen werden konnte.

    Allerdings schien das Konzept – wie viele andere Vorgänge in der UN – über lange Jahre ein reines Schubladen-Dasein zu fristen. Entsprechend überrascht reagierte die Öffentlichkeit, als sich der Sicherheitsrat im Zusammenhang mit den jüngsten Libyen-Resolutionen nun auf R2P berief. Vertreter des UN-Generalsekretariats weisen allerdings darauf hin, dass das Konzept keinesfalls über Jahre hinweg übersehen wurde – oder zumindest unbeachtet blieb:

    "Vonseiten des Generalsekretariats wurde das Konzept bei den Unruhen nach den Wahlen in Kenia eingesetzt, in Guinea und in der Elfenbeinküste, also nicht erstmals im Fall von Libyen."

    Edward Luck ist Sonderberater von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Er beschreibt Responsibility to Protect als ein politisches Prinzip, das von den Vereinten Nationen – wenn immer machbar – so umfassend und konsequent wie möglich umgesetzt wird. Libyen sei ein gutes Beispiel dafür, zeige aber auch, dass es sich keineswegs um eine Patentlösung für alle Konfliktherde weltweit handele – jede Lage sei anders und verlange eine individuelle Abwägung der notwendigen und im Einzelfall passenden Schritte.

    Nirgends wird dies deutlicher als bei der gegenwärtigen Handlungsunfähigkeit des Sicherheitsrates in der Syrien-Frage. Obwohl das Leiden der Bevölkerung wenig von der Situation in Libyen abweicht, ist im höchsten Gremium der UN kein Kompromiss in Sicht. Edward Luck führt diese Lähmung des Sicherheitsrates auf die geostrategische Lage Syriens und seine Schlüsselstellung im Jahrzehnte alten Nahostkonflikt zurück:

    "Der Sicherheitsrat ist gespalten in der Frage: Wie soll man mit Syrien umgehen? Das Land ist umgeben von einer ganzen Reihe potenzieller Pulverfässer im Nahen Osten, und das macht die Mitglieder äußerst vorsichtig."

    Die Pulverfässer, auf die sich Ban Ki Moons Berater Edward Luck hier bezieht, sind klar identifizierbar: Mit besonderem Argwohn betrachten besonders die westlichen Veto-Mächte USA und Großbritannien gegenwärtig den nach atomarer Rüstung strebenden Iran, aber auch die pro-iranische, radikal-islamistische Schiiten-Organisation Hisbollah, die erst kürzlich eine führende Rolle in der Koalitionsregierung im Libanon eingenommen hat:

    ""Jegliche Aktion der Staatengemeinschaft gegenüber Syrien würde mit Sicherheit diese beiden, die zugleich existenzgefährdende Waffeneinsätze gegen Israel initiieren könnten, auf den Plan rufen, und davor schrecken die Amerikaner, aber eben auch die Mehrzahl der anderen Sicherheitsratsmitglieder eindeutig zurück."

    Aber neben dieser allgemeinen Risiko-Abwägung blockieren einige Nationen den Sicherheitsrat auch aus durchaus eigennützigen Interessen: China, das es selbst mit den Menschenrechten nicht sehr genau nimmt, fürchtet ein allzu robustes Vorgehen des höchsten UN-Gremiums, wenn es um die Lage von verfolgten oder entrechteten Bevölkerungsgruppen geht.

    Und Russland denkt zunächst einmal ans Geschäft: Syrien ist traditionell ein wichtiger Absatzmarkt für Waffensysteme aus russischer Produktion. Anders als im Fall Libyen blieben zudem bislang Hilferufe aus der Region aus: Weder die Arabische Liga hat den Sicherheitsrat bislang zum Handeln aufgefordert noch Syriens langjähriger Erzfeind Israel:

    "Ich glaube tatsächlich, dass auch Israel sagt, das, was Assad mit seiner eigenen Bevölkerung macht, ist sicher bedauerlich, aber ansonsten hat er sich als ein Stabilitätsfaktor erwiesen und hier ist uns Stabilität wichtiger als das Verfolgen hehrer Menschenrechtsunterstützung."

    Dabei ging es gerade um die Wahrung der Menschenrechte, als der lange Diskussionsprozess um R2P begann. Den Anstoß gab eine schockierende Erinnerung an die dunkelsten Stunden des 20. Jahrhunderts: Nicht einmal 50 Jahre nach dem Ende des Holocaust sah sich die Welt plötzlich erneut mit Völkermord und Massenexekutionen konfrontiert: Hunderttausende starben bei Gewaltorgien in Ruanda und bei den Massakern in Srebrenica im ehemaligen Jugoslawien. Täglich berichtete damals die ARD in "Tagesschau" und "Tagesthemen" nicht nur von der Ohnmacht der Völkergemeinschaft, sondern auch von der offenkundigen Tatenlosigkeit der UN als Weltorganisation.

    Politische Akzente setzen – darauf schien sich die UN beschränken zu müssen: Appelle, Sanktionen, Verurteilungen auf dem Papier, aber keine aktive Intervention zum Schutz von Menschenleben. Für die Vereinten Nationen ein Tabu, denn damit wäre ein Eingriff in die staatliche Souveränität von Mitgliedstaaten verbunden gewesen, aber die hat man in der UN-Charta zu einem nahezu unantastbaren Privileg erhoben. In Kapitel 1, Absatz 2, heißt es dazu:

    "Die Organisation beruht auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder. Alle Mitglieder legen ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so bei, dass der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden. Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt."

    Souveränität und Gleichheit, das Verbot von Interventionen und der Anwendung von Gewalt – daran sind nach der UN-Charta nicht nur die Mitgliedstaaten der UN gebunden, sondern auch die Weltorganisation selbst. Ausnahmen kann nur der Weltsicherheitsrat beschließen – wenn er den Weltfrieden oder die internationale Sicherheit bedroht sieht. Kofi Annan richtete schließlich einen Appell an die Staatengemeinschaft, sich intensiv mit der Frage auseinanderzusetzen, mit welchen Mitteln der Widerspruch zwischen humanitär begründbaren Interventionen und dem Recht auf Unverletzlichkeit der Souveränität gelöst werden könne.

    "Der erste Einbruch in die staatliche Souveränität der Mitgliedstaaten war die Menschenrechtskonferenz in Wien 1993, die eine Schlusserklärung verabschiedet hat, nach der die Wahrung der Menschenrechte nicht nur eine Angelegenheit der Staaten sei, sondern auch eine Angelegenheit der internationalen Staatengemeinschaft. Und das ist von allen Staaten unterschrieben worden, also auch solchen, die es mit den Menschenrechten nicht so genau halten."

    Gunter Pleuger war von 2002 bis 2006 Deutschlands Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen Er hat den langen Weg von der Wiener Weltmenschenrechtskonferenz bis zur Vorlage eines klaren Konzepts aus nächster Nähe begleitet. Denn der Versuch, einen konsensfähigen Vorschlag zu unterbreiten, der aus der festgefahrenen Debatte über Legalität und Legitimität humanitärer, gegebenenfalls sogar militärischer Interventionen führte, geriet immer wieder ins Stocken – besonders durch den hinhaltenden Widerstand vieler Dritte-Welt-Länder.

    Es war nicht nur die Angst vor einer – vermeintlichen – Re-Kolonialisierung, die die Diskussion immer wieder in eine Sackgasse führte – es war, sagt General a.D. Eisele, auch der ideologische Missbrauch des Souveränitätsanspruchs, der zunächst immer wieder Fortschritte verhinderte:

    "Die bösen Buben unserer jüngsten Geschichte, wenn wir von Hitler, Stalin und Mao Tse Tung absehen, dann beginnt das vielleicht mit Pol Pot und Idi Amin und Saddam Hussein, Milosevic und heute Gaddafi, haben sich eben auf diese Interpretationen des Begriffs staatlicher Souveränität so festgelegt, als bedeute die staatliche Souveränität eine Lizenz zum Töten eigener Landsleute."

    Es blieb ein zäh fließender Prozess, der besonders aufseiten der Industrieländer der westlichen Welt immer wieder zu Frustration führte und den Vereinten Nationen wegen ihrer anhaltenden Handlungsunfähigkeit weiterhin negative Schlagzeilen einbrachte. Erst sieben Jahre nach der Wiener Menschenrechtskonferenz, im September des Jahres 2000, nahm die Debatte neuen Schwung auf:

    "Da hat uns damals sehr geholfen die kanadische Regierung, die bereit gewesen ist, hierzu die organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen. Und dann wurde ein High-level Panel, die sogenannte 'International Commission on Intervention and State Sovereignty' zusammengetrommelt. Zwölf Personen, Würdenträger könnte man sagen, aber zugleich politische Experten, und die haben miteinander diese 'Responsibility to Protect'-Erklärung produziert auf 85 Seiten",

    die maßgeblich von der Grundidee getragen wurde, die Verantwortung in den Vordergrund zu stellen, zu der die Mitgliedstaaten durch ihre Souveränität verpflichtet werden. Der Ansatz, der von Kanada geführten Kommission, geht von drei Elementen aus: Er rückt die Lage der betroffenen Zivilbevölkerung in den Vordergrund und spricht damit primär nicht von einem Recht einer Intervention durch die Staatengemeinschaft. Zweitens wird eine Schutzverantwortung der internationalen Gemeinschaft für den Fall proklamiert, dass der eigentlich verantwortliche Staat nicht bereit oder fähig ist, seine Schutzverpflichtung wahrzunehmen. Und drittens wird das Konzept der Responsibility to Protect aufgesplittet in eine Präventions-, eine Reaktions- und eine Wiederaufbaukomponente.

    Die Entscheidung über militärisches Eingreifen sollte nach Vorstellung der Kommission an klare Kriterien gebunden sein: Die Bedrohungslage der Zivilbevölkerung müsse ein extremes Ausmaß erreichen – wie etwa in Fällen von Massensterben oder sogenannten ethnischen Säuberungen. Der Zweck jeder Intervention müsse weiterhin darin bestehen, menschliches Leiden zu beenden. Militärische Gewalt dürfe nur dann angewandt werden, wenn alle friedlichen Möglichkeiten erschöpft seien, sie müssen in Umfang, Dauer und Intensität begrenzt sein, und schließlich müsse das Vorgehen Aussicht auf Erfolg haben.

    In Vorbereitung des UN-Weltgipfels, der für September 2005 in New York geplant war, setzte Annan ein hochrangiges Gremium ein, das Vorschläge für eine Weiterentwicklung der UN erarbeiten sollte. Das Konzept Responsibility to Protect sollte dabei besonders mit Blick auf die Stärkung kollektiver Sicherungssysteme Beachtung finden.

    Annan hatte indessen erkannt, dass besonders die militärische Komponente in den postkolonialen Regionen der Welt schwer zu vermitteln war. Er entschloss sich daher, das Konzept in seinen eigenen Reformbericht aufzunehmen. Trotz zahlreicher Bedenken und Widerstände gelang es dennoch, die Responsibility to Protect im Schlussdokument des Weltgipfels 2005 politisch zu verankern. Es war ein Durchbruch – wenn zunächst auch nur auf dem Papier:

    "Das Problem dabei ist bis heute, wer entscheidet darüber, ob eine solche Menschenrechtsverletzung und eine Verletzung der Pflichten einer nationalen Regierung vorliegen. Das kann auch weiterhin nur der Sicherheitsrat tun. Und weil der Sicherheitsrat unter einem Mangel an Legitimität und Effektivität leidet, kommt es dann immer wieder zu Situationen, wo die notwendigen Entscheidungen nicht getroffen werden."

    Gunter Pleuger weiß, wovon er spricht: In seiner Zeit als Deutschlands UN-Botschafter hat er für eine Reform des Sicherheitsrates gekämpft, für mehr Transparenz und Effizienz – und verloren. Und der Rat hat auch in Bezug auf die Responsibility to Protect eine durchaus ambivalente Haltung eingenommen: Zwar wurde das Konzept mit der Sicherheitsrats-Resolution 1674 erstmals in einem völkerrechtlich verbindlichen Dokument erwähnt, in der Anwendung des Konzepts war das höchste Gremium der Vereinten Nationen indessen eher zögerlich.

    Professor Jose Alvarez von der New York University sieht diese Zurückhaltung eher mit Erleichterung: Der Jurist, der sich auf internationales Recht spezialisiert hat, hält Responsibility to Protect für ein Werkzeug, von dem man lieber die Finger lassen sollte:

    "Es ist eine sehr gefährliche Vorstellung. Es bedeutet, dass es von einer Mehrheit im Sicherheitsrat abhängt, ob in einen Staat einmarschiert wird, oder, wenn der Sicherheitsrat zu keiner Entscheidung kommt, dass jeder für sich selbst zu dem Schluss kommt, dass ein Staat seine Bevölkerung nicht schützt, und dann packt man Hinz und Kunz zu einer Koalition der Willigen zusammen und kann überall einmarschieren – das ist das Rezept zu einer Katastrophe."

    Professor Alvarez steht mit seinen Vorbehalten nicht allein: Eine ganze Reihe von Völkerrechtlern hat sich kritisch mit der Responsibility to Protect auseinandergesetzt. Dabei richten sich die Bedenken nicht gegen die humanitäre Komponente des Konzepts – der Schutz Unbeteiligter in Konfliktsituationen steht für die Kritiker außerhalb jeglicher Diskussion. Als politisches Werkzeug, um Regierungen beim Schutz ihrer Bürger zu unterstützen oder sie – gegebenenfalls – durch Druck von außen zu zwingen, sei R2P durchaus zu begrüßen, nicht aber als Bestandteil des Völkerrechts.

    Das Konzept Responsibility to Protect bleibt damit nicht mehr als eine Option, die aber wohl weit davon entfernt ist, als Standard-Werkzeug zum Schutz der Menschenrechte weiterentwickelt zu werden. Gegen seine Verankerung im Völkerrecht gibt es auch in der westlichen Welt zahlreiche Vorbehalte, und der Sicherheitsrat füllt seine Schlüsselrolle bei der Umsetzung mit der üblichen Doppelmoral aus, bei der Eigeninteressen wichtiger sind als der Schutz oder die Rettung von Menschenleben.

    Aber selbst wenn der Sicherheitsrat tatsächlich konsequenter im Sinne der Menschenrechte entscheidet und – wie im Fall von Libyen – sogar ein militärisches Eingreifen mit entsprechenden Resolutionen beschließen würde, täten sich neue Probleme für die Weltgemeinschaft auf: Wer soll die Hauptlast einer Intervention tragen, wenn die USA – wie im Fall Libyen – eine Führungsrolle ablehnen?

    Der aktuelle Einsatz der NATO zeigt, wie schnell dann das Nordatlantische Bündnis an seine Grenzen gerät – sei es bei der Rekrutierung von Einsatzkräften oder bei der Verfügbarkeit von Flugzeugträgern oder – ganz schlicht – bei ausreichenden Mengen an Munition. Unter diesen Gegebenheiten ist es kaum vorstellbar, dass die internationale Gemeinschaft in der Lage wäre, neben dem Luftkrieg gegen Gaddafi eine ähnliche Operation in Syrien zu führen.

    Fazit: Nicht nur Baschar al-Assad, sondern auch andere Despoten brauchen sich wegen R2P keine allzu großen Sorgen zu machen.