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Zweifelhafte Kohlendioxidsenken

Klimatologie. - Wälder und andere Landökosysteme taugen nicht als dauerhafte Kohlendioxidsenken. Das unterstreichen 30 Wissenschaftler aus aller Welt in der aktuellen Ausgabe von "Nature". Über kurz oder lang könnten sie sich sogar in Quellen für das Klimagas verwandeln. Entsprechend vorsichtig sollten die Wälder auf den Klimaschutzverhandlungen behandelt werden.

    "Land-Ökosysteme spielen im Kohlenstoff-Kreislauf eine bedeutende Rolle und die kann sich ziemlich rasch und dramatisch ändern", erklärt Ian Noble, Ökologe an der Australischen Nationalen Universität in Canberra. Derzeit schluckt die Landvegetation einen wesentlichen Teil des Klimagases Kohlendioxid, mehr als jemals zuvor, seit es entsprechende Aufzeichnungen gibt. Das Zusatzangebot an Kohlendioxid sorgt einerseits für mehr Pflanzenwachstum und damit mehr Nachfrage. Andererseits hat sich die Vegetationsperiode ausgedehnt, überdies sind an zahlreichen Stellen Wälder wieder aufgeforstet worden.

    Allerdings kann sich diese Kohlenstoffsenke auch schnell in eine Klimagasquelle verwandeln. Erste Anzeichen haben Wissenschaftler in den Wäldern der kalt-gemäßigten Zonen im hohen Norden festgestellt. So hat sich etwa in Sibirien die durchschnittliche Temperatur der bodennahen Luft in den vergangenen 40 Jahren um rund zwei Grad erwärmt. Dadurch werden Waldbrände häufiger, die den gesamten in den Bäumen gebundenen Kohlenstoff freisetzen. Außerdem werden die Bäume durch stärkeren Befall von Schadinsekten geschwächt und sterben früher. Jüngste Studien, so die Wissenschaftler, legen deshalb nahe, dass diese Wälder inzwischen mehr Kohlendioxid an die Atmosphäre abgeben als sie binden.

    Die Wissenschaftler raten daher von einer ungeprüften Anrechnung von Wäldern auf die Klimaschuld einzelner Staaten, wie sie zum Beispiel von den USA oder Kanada auf der gerade stattfindenden Klimaschutzkonferenz von Marrakesch angestrebt wird, ab. Sie setzen auf die Ausarbeitung der Richtlinien, die schließlich die praktische Anrechenbarkeit gestalten. "Wir können nur dann sicher sein, dass wirkliche Kohlenstoff-Senken angerechnet werden, wenn wir wissenschaftlich fundierte Spielregeln beschließen", so Noble.

    [Quelle: Volker Mrasek]